Anlagen und Methoden zur Entrauchung 5
Zusätzliche über Rauchmelder gesteuerte Brandschutzklappen verhindern bei Umluftlüftungsanlagen die Neueinleitung von mit Rauch kontaminierter Luft in bisher nicht betroffene Räume.

Branche | Markt 2014-01-23T00:00:00Z Anlagen und Methoden zur Entrauchung

Das im Brandfall sehr schnell und meist in sehr großen Mengen sich bildende Rauchgas stellt in der Regel die größte Gefahr für die Selbst- und Fremdrettung dar und be- oder verhindert oft den schnellen und gezielten Löschangriff. Die von den Versicherern aufgewendeten Regulierungsbeträge für Rauchschäden übersteigen die der Feuerschäden um ein Vielfaches.


September 2010 / Von Thomas Hegger. Damit ist es meist unverzichtbar, die sich im Brandfall im Raum schnell bildenden Rauchgase wirksam aus dem Raum abzuleiten, oder die in anderen Räumen entstandenen Rauchgase erst gar nicht in die besonders zu schützenden Räume eindringen zu lassen (z.B. Sicherheitstreppenraum). Nun ist es aber gerade das Fatale, dass zum Zeitpunkt der Selbst- und Fremdrettung und nach Eintreffen der Feuerwehr auch für die Erkundung die größte Rauchausbreitung vorliegt. Für die Phase bis zum flash-over ist also der Rauchvermeidung bzw. der Rauchabl eitung oberste Priorität zuzuordnen.
Natürlich spielen die Größe des Raumes, die Länge möglicher Fluchtwege und die Geschwindigkeit der Alarmierung eine wichtige Rolle bei der Auswahl einer für die spezielle Aufgabe geeigneten Entrauchungsmethode.
Zur Rauchabführung können folgende unterschiedliche Methoden verwendet werden. Jede dieser Methoden hat aber spezielle Auswirkungen, die man grundsätzlich kennen und beachten sollte.

Bildung einer raucharmen Schicht

Bodennahe Zuluftöffnungen im unteren Wandbereich und Abluftöffnungen möglichst im oberen Wand- oder besser noch im Dachbereich sorgen in Verbindung mit dem thermischen Auftrieb dafür, dass sich bei sachgerechter Projektierung oberhalb des Aufenthaltsbereiches von Menschen eine stabile Rauchschichtgrenze bildet. Darunter befindet sich die raucharme, darüber die giftige und sichtbe- oder verhindernde Rauchgasschicht.
Bei dieser Methode ist es besonders wichtig, dass es an der Rauchschichtgrenze nicht zu Verwirbelungen kommt, z. B. durch zu hohe Zulufteintrittsgeschwindigkeiten, oder durch Absinken des Rauches (Abkühlung bei zu großen Rauchabschnitten), denn dies würde zu einer vollständigen Verwirbelung und/oder auch Absenkung der Rauchschicht in den geplanten raucharmen Bereich hinein führen. Diese Methode liegt u. a. auch den Anforderungen zu den raucharmen Schichten zahlreicher Sonderbauverordnungen und auch den Normen der DIN 18232, DIN EN 12101 und den VdS CEA Richtlinien 4020 zu Grunde.
Für Flucht- und Rettungsebenen ist die hier beschriebene Methode der Entrauchung mit NRA (Natürliche Rauchabzugsanlagen) oder MRA (Maschinelle Rauchabzugsanlagen) durch Schaffung einer raucharmen Schicht eine wesentliche Voraussetzung, damit diese Wege ausreichend lange passiert werden können. Wie wirksam eine natürliche Ableitung über den thermischen Auftrieb von Rauchgasen oder die maschinelle Entrauchung ist, zeigt die tägliche Erfahrung der Feuerwehr, die diese raucharme Schicht ebenfalls zur Erkundung, Rettung, aber auch zur Durchführung eines gezielten Innenangriffs dringend benötigt.

Anlagen und Methoden zur Entrauchung 2
Zu einer NRA gehören immer mindesten ein Rauch- und Wärmeabzugsgerät, eine automatische (pro Rauchabzugsgerät) und eine manuelle Auslösungsmöglichkeit (pro Bediengruppe) und entsprechende Nachströmöffnungen.

Bildung einer raucharmen Schicht mit Natürlichen Rauchabzugsanlagen

Durch NRA erfolgt die Ableitung der Rauchgase über das thermische Auftriebsprinzip. Wichtig hierbei ist u. a., dass die entsprechenden Rauchabzugsgeräte auch gegen äußere Seitenwindeinflüsse ausreichend geschützt sind (z. B. Typenprüfung der Rauchabzugs-geräte im Windkanal).
Die NRA hat bei zunehmenden Temperaturen physikalisch bedingt den Vorteil, dass sie durch höhere Abzugsleistung die bei höheren Temperaturen zusätzlich entstehenden Rauchgasvolumen (physikalisch automatisch) angepasst abtransportiert.

Bildung einer raucharmen Schicht mit Maschinellen Rauchabzugsanlagen

Anlagen und Methoden zur Entrauchung 3
Der Rauch- und Wärmeabzug ist in allen Brandphasen wirksam

Durch MRA werden die Rauchgase mit einem konstanten Fördervolumen mechanisch über entsprechende Ventilatoren – mit oder ohne Kanalsystem – ins Freie abgeleitet. Besonders bei niedrigen Brandrauchtemperaturen ist dieses Verfahren gut wirksam.

Ausspülung von Rauchgasen

Die zweite Methode, Rauchgase aus einem Gebäude herauszubekommen, stellt die Ausspülung dar. Hier werden die Rauchgase durch große Luftvolumenströme so verdünnt, dass das Restrauchvolumen anschließend nicht mehr so kritisch ist. Bei dieser Methode muss jedoch berücksichtigt werden, dass es bei diesen Verdünnungsmethoden grundsätzlich zur Verwirbelung der Rauchgase im gesamten Raumvolumen kommt, sich also keine raucharmen Schichten ausbilden, und deshalb diese Methode in der Regel erst nach Abschluss der Flucht, Evakuierung, Rettung und Erkundung in Frage kommt.
Weiter sind die aufzuwendenden Volumenströme für den Laien unvorstellbar hoch, benötigt man so doch z. B. bei Ölbränden pro m³ Rauchgas über 1.000 m³ Frischluft, um zu einer Verdünnung zu kommen, die eine Sichtweite von gerade einmal 10 m ermöglicht. Bei normaler Mischbrandlast werden immerhin noch etwa 500 m³ Frischluft pro m³ Rauchgas benötigt.
Geht man bei der Verbrennung von Holz von einer Rauchgasfreisetzung pro kg Brandlast von etwa 1.000 m³ aus, erfordert dies bei einer notwendigen Verdünnung von 1/500 einen Volumenstrom von 500.000 m³ pro kg Holz. Bei den meist nur kleinen möglichen Zu- und Abluftquerschnitten würden hier unrealistisch hohe Strömungsgeschwindkeiten erforderlich.
Allen Spülprozessen gemein ist, dass man keine sichereren Vorhersagen von den im Brandfall sich einstellenden Sichtweiten, Schadstoffkonzentrationen oder auch zur Erreichung von „sicheren Zuständen“ benötigten Zeiträume geben bzw. kalkulieren kann.

Ausspülung von Rauchgasen mit Lüftern der Feuerwehr

Anlagen und Methoden zur Entrauchung 4
Solche Lüfter der Feuerwehr führen zu einer Rauchverdünnung, aber auch zu Rauchverwirbelungen

Will man die Räume, z. B. vor Beginn der Aufräumungsarbeiten, mit dieser Methode entrauchen, müssen auch die Art und Lage der Abströmflächen geklärt sein. Denn sonst würde der Rauch u. U. erst in bisher nicht betroffene Bereiche gespült werden.
Bei Bränden in Wohngebäuden sieht man häufiger, dass die Feuerwehr solche Lüfter (Leistung ca. 30.000 m³/h) zum Einsatz bringt. Mit diesen Lüftern werden dann die Treppenräume mit Frischluft gespült. Voraussetzung für den Einsatz ist u. a., dass dann im oberen Wand- oder Deckenbereich des Treppenraumes entsprechende Rauchabzugs-öffnungen (z. B. NRA) offen stehen und die übrigen Öffnungen, z. B. Türen zu den Wohnungen, geschlossen sind, damit der Lüfter hier nicht die Rauchgase in zuvor vom Rauch noch nicht betroffene Bereiche hineindrückt.

Die in einigen Sonderbauvorschriften erlaubte Verwendung von mechanischen Raumentlüftungsanlagen zur Entrauchung ist als sehr kritisch zu bewerten. Einerseits sind diese Raumentlüftungsanlagen anlagentechnisch meist nicht auf den Brandfall eingerichtet (z. B. Temperaturbelastung, Notstromversorgung, bei Rauch oder Temperatur schließende Brandschutzklappen) und andererseits sind bei den heute üblichen geringen Luftwechsel-raten der Lüftungsanlagen von nur dem 1- bis 2-fachen des Raumvolumens die damit erreichbaren möglichen Fördervolumina für den Brandfall, hier werden mindestens 20-fache Luftwechsel benötigt, einfach viel zu klein.
In der Regel wird bei Lüftungsanlagen auch die Zuluft vom Deckenbereich her in den Raum eingeblasen, so dass es hier im Brandfall zu erheblichen Verwirbelungen und nicht zur Bildung von raucharmen Schichten kommt. Daneben muss sich der Betreiber bereits bei einem kleinen Brandereignis mit der Frage beschäftigen, wie er sein Lüftungsanlagensystem danach von dem dort eingesaugten Brandrauch wieder reinigen will. Hier wird in vielen Fällen ein teurer Austausch der vorhandenen Systeme erforderlich werden.
Eine normale Lüftungsanlage ist deshalb für die Aufgabe der Entrauchung absolut ungeeignet. Man sollte die Anlage im Brandfall möglichst automatisch schnell ausschalten.

Ausspülung von Rauchgasen mit Strömungsschneisen

Als weiteres System im Bereich der Spülung ist eine neuere Entwicklung zu nennen, wo mit düsenartig geformten Deckenventilatoren der beim Brand entstehende Rauch durch einen Strahlbereich mit sehr großer Luftströmung mitgerissen, auf eine Ansaugstelle geleitet und dort über eine normale MRA aus dem Raum herausgesaugt wird. In Ansaugrichtung des Ventilators ist dabei vor dem Brandherd mit einer relativ raucharmen Luft zu rechnen, dahinter kommt es zu erheblichen Verwirbelungen.
Dieses Entrauchungssystem ist in Tiefgaragen zu finden, die im Übrigen zu den am schwierigsten zu entrauchenden Räumen gehören. Denn Garagen mit meist nur ca. 2,3 m lichter Raumhöhe und einer umfangreichen haustechnischen Installation unter der Decke sind sehr schwierige Entrauchungsprojekte.

Differenzdrucksysteme zur Rauchfreihaltung

Die dritte Entrauchungsmethode besteht darin, Rauchgase so zu lenken, dass sie nicht in den zu schützenden Raum einfließen können. Hier wird der zu schützende Raum mit einem Überdruck, oder die benachbarten Räume mit Unterdruck versehen. Natürlich darf dieser Raum selbst keine Brandlasten enthalten (gegen die daraus entwickelnden Rauchgase wäre man ja nicht geschützt) und zu den angrenzenden Räumen bedarf es entsprechender Abdichtung.
Die damit erreichbare Rauchfreihaltung von Flucht und Rettungswegen, insbesondere von notwendigen Treppenräumen in Hochhäusern ist eine wesentliche Voraussetzung, um eine Evakuierung von Menschen und einen Löschangriff der Feuerwehr auch über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen.

Überdruck zur Rauchfreihaltung

Mit einer RDA (Rauchschutz-Druckanlage) können die zu schützenden Räume (z. B. Sicherheitstreppenräume) im Brandfall mit einem kontrollierten Überdruck zu den umgebenden Räumen gegen einen Raucheintritt geschützt werden. Damit die RDA im Brandfall die Rauchfreihaltung des Sicherheitstreppenraumes sicherstellen kann, muss die Anlage sofort beim Auftreten eines Brandereignisses automatisch eingeschaltet werden. Es ist deshalb eine flächendeckende Brandmeldeanlage zu mindestens in den Räumen vor dem zu schützenden Bereich erforderlich.
Eine wichtige Rolle spielen selbstschließende Türen zu den angrenzenden Räumen (mit den Rauch abgebenden Brandlasten). Im Brandfall darf die Druckdifferenz auf keine der angrenzenden Türen eine größere Kraft als 100 N (das entspricht ~ 50 Pa bei einer 2 m² großen Tür) ausüben, da sonst das Risiko besteht, dass die Tür im Brandfall nicht mehr zu öffnen ist.
Ein konstanter Überdruck kann einen Raucheintritt in den zu schützenden Bereich meist verhindern, solange alle Türen geschlossen sind. Öffnet sich aber eine Tür, so erfolgt in weniger als einer Sekunde ein Druckausgleich. Hier gilt es sicherzustellen, dass der offene Türquerschnitt sofort mit einer ausreichenden Geschwindigkeit durchströmt wird. Diese Geschwindigkeit ist abhängig vom Brandraumdruck und damit von der Temperatur.

Anlagen und Methoden zur Entrauchung 6
Der Sicherheitstreppenraum und der  angeschlossene Vorraum sind bei diesem Beispiel durch Überdruck geschützt.

Damit die notwendige Durchströmung aus dem zu schützenden Bereich durch eine Türe sofort nach deren Öffnung einsetzt und auch, damit die Türöffnungskräfte nicht über 100 N steigen, ist es erforderlich, bei geschlossenen Türen einen Teil des Überdrucks ins Freie abzuführen. Hierfür können z. B. spezielle selbstregulierende (z. B. über Sensoren, Federkraft) Entlastungsflächen, Fenster mit geeigneten Sensoren und Antrieben oder feuerwiderstandsfähige Schächte mit geschossweise angeordneten und steuerbaren Entrauchungsklappen verwendet werden.
Bei der Bemessung nach DIN EN 12101-6 wird für die Durchströmung geöffneter Türen eine Geschwindigkeit von 0,75 m/s bzw.2,0 m/s angesetzt, wenn auch die Brandbekämpfung über das Treppenhaus durchgeführt werden soll (eventuell führt dann ein Schlauch durch die dann nicht mehr zu schließenden Türöffnungen).

Zusammenfassung

Jede der hier beschrieben Entrauchungsmethoden hat ihre Besonderheiten, Vor-, aber auch Nachteile. Und jede Methode erfordert die Beachtung von (verschiedenen) Randbedingungen (z.B. muss bei der Bildung von raucharmen Schichten die Zuluft bodennah und mit geringen Eintrittsgeschwindigkeiten eingeleitet und die Größe der Rauchabschnitte begrenzt werden), was bei Nichtbeachtung zum Versagen dieser Methode führt.
Vermeiden muss man auf jeden Fall die Mischung von Komponenten einzelnen Methoden und die „Erfindung“ eines eigenen Prinzips. Leider oft zu beobachten ist bei der Methode, wo sich Rauchschichten bilden sollen, aber die Zuluftflächen zu gering sind, dass man hier meint, der Lüfter der Feuerwehr wird hier schon Abhilfe schaffen. Da dieser aber enorm hohe Strömungsgeschwindigkeiten und –Impulse verursacht, wird nach seiner Aktivierung meist sofort die Schichtgrenze zerstört, aus einem Schichtsystem wird ein Spülsystem.
Man ist gut beraten sich für die jeweils besser geeignete Methode zu entscheiden und dann die dafür zu beachtenden Regeln komplett einzuhalten.

Erläuterung von Abkürzungen

Anlagen und Methoden zur Entrauchung 7

Im Rauchschutz wird eine Vielzahl von Abkürzungen verwendet. Hier werden einige davon erklärt:
RWA: Der Oberbegriff bezeichnet eine komplette Rauch- und Wärmeabzugsanlage, die sich aus den einzelnen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten (RWG), den Auslöse- und Bedienelementen, der Energieversorgung, den Leitungen, der Zuluftversorgung und bei größeren Räumen den Rauchschürzen zusammensetzt.
NRA: Als natürliche Rauchabzugsanlage wird eine RWA bezeichnet, wenn ihre Funktion auf dem thermischen Auftriebsprinzip beruht (z. B. bei Lichtkuppeln, Jalousien).
NRWG Das natürliche Rauchabzugsgerät wird in der Gebäudeaußenhülle eingesetzt (z. B. Lichtkuppeln im Dach, Fenster in der Wand).
MRA: Als maschinelle Rauchabzugsanlage wird eine RWA bezeichnet, wenn ihre Funktion mit motorischem Antrieb erfolgt (z. B. Ventilatoren).
RDA: Eine Rauch-Differenzdruckanlage hält den zu schützenden Raum (z. B. Sicherheitstreppenraum) durch einen kontrolliert aufgebauten Überdruck rauchfrei.
RWG: Ein Rauch- und Wärmeabzugsgerät ist das Element incl. der Öffnungssysteme, das die Öffnung in Dach oder Wand zum Ableiten von Rauch nach aussen freigibt.
WA: Als Wärmeabzug bezeichnet man eine Wand- oder Dachfläche, die bei einer bestimmten Temperatur selbsttätig eine Öffnung freigibt (z. B.durch Abschmelzen von thermoplastischen Dachlichtelementen), aus der dann Brandhitze nach aussen entweichen kann.

Weitere umfassende und produktneutrale Informationen können abgerufen werden unter www.fvlr.de

Autor: Dipl.-Ing. Thomas Hegger, Geschäftsführer des Fachverbandes Tageslicht und Rauchschutz e.V., Detmold Obmann DIN 18232 und ISO 21927 (Entrauchung), Mitarbeit in zahlreichen weiteren Normungs- und Richtlinienausschüssen zu den Themen Rauchschutz, Brandschutz und Ingenieurmethoden im Brandschutz

Der Artikel ist in gekürzter Form im FeuerTRUTZ Spezial Band 1 - Entrauchung (September 2010) erschienen.
Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Reihe FeuerTRUTZ Spezial.

zuletzt editiert am 27. April 2021