Europäische Harmonisierung: Speziell bei der Ausführung technischer Gebäudeausrüstung wird die Umsetzung von Brandschutzkonzepten auf eine harte Probe gestellt. Die bereits angelaufene Umstellung auf neue europäische Verwendbarkeitsnachweise bedeutet auch für Planer und Ausführende im vorbeugenden Brandschutz gravierende Änderungen.
Von Thomas Krause-Czeranka. Das nationale System der bauordnungsrechtlichen Nachweise zur Verwendung und Anwendung von Bauprodukten und Bauarten ist schon ohne die Folgen der europäischen Harmonisierung im Bauproduktenrecht schwer verständlich. Die unterschiedlichen Begriffe und Anforderungen sind verwirrend. Der Übergang von den nationalen Feuerwiderstandsklassifizierungen auf die europäischen Kennzeichnungen stellt viele vor besondere Herausforderungen.
Dass sich hinter dem Begriff EI 90(v edw -h odw , i-o)S 1500 C mod MA multi eine feuerbeständige Entrauchungsklappe nach DIN EN 12101 verbirgt, ist sicher erklärungsbedürftig. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 16.10.2014 und der daraus resultierenden Notwendigkeit, die Musterbauordnung (MBO) in Deutschland zu ändern (siehe Brennpunkt im FeuerTRUTZ Magazin 1/2016), wird das bisherige deutsche System Bauprodukte und Verwendbarkeitsnachweise an das europäische Bauproduktenrecht angepasst.
Die Bauordnungen der Länder (LBOs) unterscheiden zwischen Bauprodukten und Bauarten. Das Zusammenfügen von Bauprodukten zu einer baulichen Anlage oder zu einem Teil einer baulichen Anlage wird als Bauart bezeichnet. Soweit es sich um Bauprodukte handelt, die in Übereinstimmung mit einer bekannt gemachten technischen Regel erstellt werden können, sprechen wir von einem geregelten Bauprodukt . Wenn es jedoch keine technische Regel gibt oder von dieser wesentlich abgewichen wird, handelt es sich um ein nicht geregeltes Bauprodukt . Ähnliches gilt für die Bauarten. Als nationale Verwendbarkeitsnachweise nennen die LBOs für nicht geregelte Bauprodukte :
- allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ)
- allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP)
- Zustimmungen im Einzelfall (ZiE).
Bei den meisten der verwendeten Systeme im vorbeugenden baulichen Brandschutz handelt es sich jedoch um nicht geregelte Bauarten :
- Plattenkonstruktionen, wie z.B. Lüftungsleitungen und Installationskanäle
- leichte Trennwände (die nicht nach DIN 4102-4 erstellt sind)
- Unterdeckenkonstruktionen (die nicht nach DIN 4102-4 erstellt sind)
- Abschottungen an Rohrleitungen, deren Funktion auf der Anordnung einer Rohrummantelung/Streckenisolierung beruht.
Der Nachweis der Verwendbarkeit dieser nicht geregelten Bauarten ergibt sich derzeit aus der Bauregelliste (BRL A Teil 3). Als Verwendbarkeitsnachweis wird für solche Konstruktionen ein abP verlangt. Mit der bevorstehenden Anpassung der MBO an das europäische Marktbehinderungsverbot wird eine deutlichere Abgrenzung der europäisch geregelten Bauprodukte zu den nationalen Bauprodukten und Bauarten erfolgen.
Ein wesentlicher Punkt des aktuell diskutierten Entwurfs zur MBO ist die vorgesehene Neuregelung der Bauarten, die über das Einfügen des § 16a „Bauarten“(MBO-Entwurf) erfasst sind. Er sieht die Einführung allgemeiner Bauartgenehmigungen und vorhabenbezogener Bauartgenehmigungen für nicht geregelte Bauarten vor. Die bisherigen Nachweise für Bauarten (abZ und abP) würden damit ggf. entfallen.
Die am 01.07.2013 in Kraft getretene Bauproduktenverordnung (BauPVO) regelt die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten und die Angabe ihrer Leistungen gemäß den harmonisierten technischen Spezifikationen. An die Stelle der Konformitätserklärung nach der Bauproduktenrichtlinie (BPR) tritt die Leistungserklärung nach Art. 6 BauPVO (Pflicht seit 01.07.2013). Eine harmonisierte technische Spezifikation ist die Grundlage, dass ein Bauprodukt oder ein Bausatz zu einem geregelten Bauprodukt oder Bausatz wird. Solche Bauprodukte/Bausätze werden derzeit in der BRL B Teil 1 aufgeführt bzw. gelistet. Harmonisierte technische Spezifikationen sind:
- eine europäisch harmonisierte Produktnorm oder
- ein europäisches Bewertungsdokument(EAD).
Nach BPR war das bisher eine technische Leitlinie (ETAG).
Zukünftig wird konkreter unterschieden zwischen europäischen und nationalen Bauprodukten sowie Bauarten . Letztere sind ein rein nationales Konstrukt. Die nationalen Regelungen für Bauarten treffen deren Anwendung und zielen damit auf den Errichter bzw. Anwender ab. Damit unterscheiden sie sich wesentlich von den Bauprodukten. […]
Den vollständigen Artikel finden Sie im FeuerTRUTZ Spezial Band 7: Brandschutz in der Isolierung (erschienen im April 2016). Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Reihe FeuerTRUTZ Spezial.
Der Regelgeber setzt voraus, dass sich die am Bau Beteiligten mit den entsprechenden Regelungen bezüglich der Verwendung und Anwendung auskennen, also z.B. auch, dass bei dem Einbau einer Kabelabschottung auf der Grundlage einer ETA/ETB eine Übereinstimmungserklärung und Kennzeichnung gemäß der Liste der technischen Baubestimmungen (LTB) II erforderlich ist. Die ETA/ETB regelt diese zusätzlichen nationalen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung nicht. Die Regelwerke, wie BRL und LTB, sind auch heute noch vielen der am Bau Beteiligten nicht bekannt. Die Umstellung vom System der nationalen Kennzeichnungen der Feuerwiderstandsklassifizierungen zum europäischen System ist auch bei Bauprodukten, die bereits europäisch harmonisiert sind (z.B. Brandschutzklappen), noch nicht bei allen angekommen.
Höhere Anforderungen an Planer und Anwender
Leider ist bei den nun anstehenden Änderungen nicht zu erwarten, dass sich die geschilderte Situation entscheidend verbessern wird. Insbesondere den Planer erwartet in Zukunft eine erhöhte Verantwortung bei der Ausschreibung CE-gekennzeichneter Bauprodukte. […]
CE bedeutet nicht, dass ein Bauprodukt in Deutschland verwendet werden darf!
Grundsätzlich gilt zu beachten, dass die CE-Kennzeichnung eines Bauproduktes allein nicht ausreicht, um es in Deutschland verwenden zu dürfen (s. Infokasten 2). Um eine CE-Kennzeichnung zu erlangen, reicht es für Hersteller aus, nur mindestens eine Leistung, bezogen auf die in einer harmonisierten Produktnorm angegebenen wesentlichen Merkmale, zu erklären. Alle weiteren wesentlichen Merkmale , für die der Hersteller keine Leistung erklären will oder kann, werden auf der Leistungserklärung mit NPD (No Performance Determined) erklärt.
Der Planer muss die gesetzlichen Anforderungen ausschreiben – und auch die, die von der Produktnorm eventuell nicht erfasst werden! Und das Bauprodukt muss diese Anforderungen erfüllen. Bereits bei der Feuerwiderstandsklassifizierung (eine erklärte Leistung in Bezug auf das wesentliche Merkmal Brandschutz) sind genügend Fallstricke enthalten. Und das nicht nur bei den zu Beginn dieses Artikels erwähnten Entrauchungsklappen (s. Infokasten).
Diese wichtigen Angaben findet man in den Anlagen zur BRL A Teil 1, die die Zuordnung der nationalen bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu den jeweiligen europäischen Klassifizierungen verschiedenster Bauteile zeigen – eine Art Übersetzungstabelle von bauordnungsrechtlichen Anforderungen in europäische Klassifizierung.[…]
Infokasten: Beispiel für nationale Anforderungen, die in der Ausschreibung beachtet werden müssen
Auch bei der Ausschreibung, Planung und Verwendung von (europäischen) Rohrabschottungen muss die geforderte Leistung des Abschottungssystems genau betrachtet und abgestimmt werden. So wird z.B. bei Rohrabschottungen mit der bauordnungsrechtlichen Anforderung feuerbeständig zwischen
- EI 90-U/U und
- EI 90-C/U
unterschieden.
Die Bezeichnungen U/U, C/U bzw. U/C weisen dabei auf die Anordnung der durchgeführten Brandprüfung (Rohrendkonfiguration) hin und bedeuten:
- U/U [uncapped/uncapped]
Rohrende offen innerhalb des Prüfofens und offen außerhalb des Prüfofens - C/U [capped/uncapped]
Rohrende geschlossen innerhalb des Prüfofens und offen außerhalb des Prüfofens - U/C [uncapped/capped]
Rohrende offen innerhalb des Prüfofens und geschlossen außerhalb des Prüfofens
Die Anforderungen EI 90-U/U gilt dabei für Abschottungen brennbarer Rohre oder für Rohre mit einem Schmelzpunkt < 1.000 °C; für Trinkwasser-, Heiz- und Kälteleitungen mit Durchmessern ≤ 110 mm ist auch die Klasse EI 90-U/C zulässig. Die Anforderung EI 90-C/U gilt für Abschottungen von Rohrleitungen aus nichtbrennbaren Rohren mit einem Schmelzpunkt ≥ 1.000 °C; Ausführung der Rohrleitung ohne Anschlüsse brennbarer Rohre.
Autor
Dipl.-Ing. Thomas Krause-Czeranka: Verlagsleitung FeuerTRUTZ Network GmbH; Ingenieurbüro Krause-Czeranka Brandschutz & Consulting, Unna