Abb. 1: Um einen optimalen Schutz der Brandschutzbeschichtungen zu erreichen, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Auf die Verwendung dunkler Überzugslacke auf Stahlflächen im Außenbereich und hinter Glasfassaden (die regelmäßig großer Erwärmung über +45 °C ausgesetzt sind), sollte aufgrund der thermischen Aufheizung bestenfalls verzichtet werden. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)

Planung | Ausführung 26. July 2018 Brandschutzbeschichtungen: Verschiedene Möglichkeiten der Anstrichsysteme

Ob Stahl-, Holz- oder Betonbauteile, immer wenn die Optik erhalten bleiben soll und dennoch Brandschutzanforderungen zu erfüllen sind, kommen spezielle Beschichtungssysteme ins Spiel. Der Beitrag beleuchtet die verschiedenen Möglichkeiten der Anstrichsysteme.

Brandschutzbeschichtungen sind Anstrichmaterialien, die sich in ihrer Oberflächenoptik nicht wesentlich von anderen Farbanstrichen unterscheiden. Auch sie werden mit Pinsel, Rolle oder im Airless-Spritzverfahren aufgetragen. Im Brandfall schützen sie nicht nur Stahl-, sondern auch Holzkonstruktionen und Betonbauteile vor dem konstruktiven Versagen, sowie Kabel- und Kabeltrassen vor Entzündung und Funktionsverlust. In Kombination mit einem Brandschutzspachtel kommen sie zudem bei der Erstellung von Wand- und Deckenabschottungen zum Einsatz.

Die Brandschutzwirkung beruht auf einer gegen Wärme isolierenden Schaumschicht (stabiler Kohlenstoffschaum), die sich bei Temperaturen ab 200 °C entwickelt und die beschichteten Bauteile für einen in den Produktzulassungen definierten Zeitraum vor Überhitzung, Entzündung und schließlich vor Verlust ihrer konstruktiven Tragfähigkeit bewahrt. In diesem Zeitfenster können Menschen und materielle Werte aus den mit Brandschutzbeschichtungen ausgestatteten Bauwerken gerettet werden.

Stahl-Brandschutz

Die Beschichtungen werden für den Innen- und Außenbereich, je nach Einsatzort auf Wasser- oder Lösemittelbasis, für offene und geschlossene, korrosionsgeschützte und verzinkte Profile angeboten.

Sie decken nach der DIN 4102 die Feuerwiderstandsklassen von F 30 bis F 90 und nach der DIN EN 13501 von R 15 bis R 180 ab. Im Brandfall schäumt der Dämmschichtbildner auf. Die Feuerwiderstandsklasse wird erreicht, indem dieser Schaum den Wärmedurchgang verzögert. Die Produkte für den Beschichtungsaufbau, bestehend aus Korrosionsschutz (Grundierung), Brandschutzbeschichtung (Dämmschichtbildner) und Deckanstrich, müssen zulassungskonform angewendet werden.

Person in Schutzanzug und Maske bringt eine Brandschutzbeschichtung mit einer Spritzdüse auf einen Stahlträger auf
Abb. 2: Es gibt verschiedene Applikationsmöglichkeiten. Bei der Handverarbeitung mit Pinsel oder Rolle ist eine stark strukturierte Oberfläche zu erwarten. Im Airless-Spritzverfahren dagegen wird unter hohem Druck eine ­feine und luftlose Zerstäubung der Brandschutzbeschichtung erreicht, die als Spritzstrahl mit hoher Geschwindigkeit auf das Werkstück aufgebracht wird und somit eine optimale Oberflächenoptik erzielt werden kann. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)

Applikationsverfahren

Brandschutzbeschichtungen sind technische Anstrichsysteme, die erst im Brandfall ihre Sicherheitskompetenz zeigen und Stahlkonstruktionen vor dem Verlust ihrer Tragfähigkeit schützen. Ihre Schutzfunktion ist in Brandprüfungen in einem Materialprüfamt nachgewiesen worden und durch eine Europäische Technische Bewertung (ETA) und eine allgemeine Bauartengenehmigung (aBG) bestätigt. Anders als bei konventionellen Anstrichen gibt es keine einheitliche Vorgabe für die zu applizierende Schichtdicke. Diese richtet sich vielmehr neben der geforderten Feuerwiderstandsklasse nach Profilart und Profilfaktor (U/A m –1 ) der zu schützenden Stahlkonstruktion (s. Tabelle 1). Das bedeutet, je filigraner die Stahlbauteile und je länger die geforderte Feuerwiderstandsdauer, desto mehr Brandschutz-Beschichtung muss aufgetragen werden. Die in den Europäischen Technischen Bewertungen angegebenen Mindestwerte für die Trockenschichtdicken (TSD) in Abhängigkeit von der geforderten Feuerwiderstandsklasse liegen somit zwischen 150 µm und 7.000 µm. Im Vergleich hierzu haben Autolackierungen gleichbleibend nur eine Dicke von ca. 80 μm.

Die Brandschutzbeschichtung wird profilfolgend aufgetragen. Da sie wie ein Anstrich behandelt wird, kann sie im Streich-, Roll- oder im Airless-Spritzverfahren aufgebracht werden. Entsprechend der gewählten oder auch konstruktiv vorgegebenen Applikationstechnik gibt es nicht unerhebliche Unterschiede in der Struktur der Oberfläche des fertigen Systemanstrichs.

Die Beschichtungsmaßnahmen der Stahlbauteile sind je nach Wahl des Brandschutzbeschichtungssystem sowohl auf der Baustelle als auch in der Werkstatt möglich. Letzteres erfordert aber erhöhte Aufmerksamkeit, sollte kein 2K-Beschichtungssystem zum Einsatz gekommen sein, beim Transport und bei der Montage der beschichteten Bauteile.

Die Deckschicht, ein 1K- oder 2K-Überzugslack, wird erst nach dem Durchtrocknen der Brandschutzbeschichtung aufgebracht. Sie schützt den Dämmschichtbildner und ist in sämtlichen RAL-, DB-, NCS-Farbtönen oder nach individuellem Farbmuster lieferbar. Für die abschließende Beurteilung der zulassungskonformen Ausführung einer Brandschutzbeschichtung sind das Einhalten der vorgeschriebenen TSD und die in Zulassung und technischen Merkblättern des Herstellers enthaltenen Verarbeitungsvorgaben wichtig, insbesondere die Einhaltung der Trocknungszeiten.

Tabelle: Querschnittsformen (Profilart) und jeweils errechneter U/A-Wert (Profilfaktor)
Tabelle 1: Um die erforderliche Auftragsmenge zu berechnen ist die Querschnittsform (Profilart) maßgeblich. Der U/A-Wert (Profilfaktor) errechnet sich aus dem beflammbaren Umfang des Bauteils. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)

Holz-Brandschutz

Holzbauteile sind hinsichtlich ihres Brandverhaltens nicht klassifiziert, und es kann deshalb im Zusammenhang mit ihnen auch nicht von Feuerwiderstandsklassen gesprochen werden. Es bleibt aber durch die Applikation einer Brandschutzbeschichtung die Möglichkeit der Aufwertung von einem normal- zum schwerentflammbaren Baustoff – B1.

Applikationsverfahren

Grundsätzlich und insbesondere vor Beginn der Arbeiten ist der Untergrund auf Eignung zu prüfen. Die zu beschichtenden Flächen müssen frei von Staub, Schmutz, Fett, Wachs, Trennschichten, Leimen, Kalk und Öl sein. Gegebenenfalls muss der Untergrund angeschliffen und mit Grundierungen vorbehandelt werden.

Altbeschichtungen müssen restlos entfernt werden und bei stark saugenden Untergründen sollte anschließend, um ein zu tiefes Eindringen der Brandschutzbeschichtung in die Holzbauteile zu vermeiden, eine Vorbehandlung mit der entsprechenden Grundierung erfolgen. Trennmittel führen bei nicht ausreichend abgeschliffenen Untergründen eventuell zur Bildung sogenannter "Ochsenaugen", die Brandschutzbeschichtung läuft vom Untergrund kreisförmig ab.

Bei allen Hölzern ist eine geeignete Musterfläche vor den Beschichtungsmaßnahmen anzulegen. Auch auf Holzbauteile können die Brandschutzbeschichtungen mit verschiedenen Applikationsverfahren mit dem Pinsel, mit der Rolle oder im Airless- Spritzverfahren aufgetragen werden.

Beton-Brandschutz

Bei der Sanierung von Gebäuden ergeben sich bekanntermaßen immer wieder Überraschungen. Insbesondere, wenn es sich um öffentlich zugängliche Bauten handelt, für die nach Bauordnung nun eine Aufrüstung im Sinne des vorbeugenden baulichen Brandschutzes gefordert wird.

Eine unzureichende Armierung führt bei Betondecken zu einem nicht ausreichenden Feuerwiderstand und damit zu einer notwendigen Aufrüstung.

Die Trockenschichtdicken der Brandschutzbeschichtungen liegen, je nach benötigter Feuerwiderstandsdauer, zwischen 0,4 mm und 3,5 mm, sind daher statisch kaum belastend und raumsparend.

Innenansicht der Kammgarnspinnerei in Augsburg mit grauer Betondecke vor der Applikation der Brandschutzbeschichtung
Abb. 3a: Die Kammgarnspinnerei in Augsburg vor der Applikation der Brandschutzbeschichtung. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)
Innenansicht der Kammgarnspinnerei in Augsburg mit weißer und glatter Decke nach der Applikation der Brandschutzbeschichtung
Abb. 3b: Die Kammgarnspinnerei in Augsburg nach der Applikation der Brandschutzbeschichtung. Die verwendete Beton-Brandschutzbeschichtung ergibt eine glatte, weiße Oberfläche und kann die Lichtausbeute zudem optimieren. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)

Brandschutz für Kabel

Kabeltrassen, aber auch Rohr- und Lüftungsleitungen in Gebäuden mit hohem Installationsgrad stellen erhebliche brandtechnische Risiken dar.

Grafische Darstellung einer Kabeltrasse in einer Wand im Querschnitt
Abb. 4: Die Verwendung von Brandschutzgewebe schützt u. a. Kabeltrassen. Das Glasfilamentgewebe (A2, Gesamtdicke ca. 1 mm) ist beidseitig mit der die Dämmschicht bildenden Brandschutzbeschichtung versehen. Als Ummantelung von Kabeln dient es der Trag- und Halterungskonstruktion sowie als Raumabschluss. (Quelle: Rudolf Hensel GmbH)

Um Fluchtwege im Brandfall offen zu halten und damit ein Zeitfenster für die Rettung von Menschenleben zu gewährleisten, müssen Leitungen entweder in feuerwiderstandsfähigen Installationskanälen verlegt oder mit einer Brandschutzbeschichtung bzw. mit einem Brandschutzgewebe versehen werden.

Ebenso ist sicherzustellen, dass sie durch Wände und Decken in Form von Abschottungen nach DIN 4102 Teile 9/11 oder EN 13501-2 geführt werden. Entsprechende Anforderungen sind in den Landesbauordnungen und in den Richtlinien über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (LAR/RbALei) festgelegt. Hinweis: Kabel gelten nicht als Baustoffe, sondern als elektrische Betriebsmittel.

Brandschutz für Abschottungen

Der Einbau von Abschottungen in Wänden und Decken von öffentlichen Gebäuden und Gewerbebauten verhindert, dass sich im Brandfall Flammen und besonders giftige Rauchgase von Raum zu Raum oder über die Geschosse ausbreiten können. Eine Abschottung kann als Hartschott aus einem Brandschutzmörtel oder als Weichschott, das den Vorteil der flexibleren Nachbelegung im Anschluss hat, ausgeführt werden. Ein Weichschott besteht aus den Komponenten:


  • Mineralfaserplatten (Baustoffklasse A1, EN 13501-1, nicht brennbar)
  • Brandschutzbeschichtung und Brandschutzspachtel.

Ein Weichschott bietet sich zudem für größere Kabelschotts an. Darin befinden sich die mit Brandschutzbeschichtung versehenen Kabel auf Kabelpritschen. Die Zwickel zwischen den Kabeln werden mit Spachtelmasse fugenlos verschlossen, ebenso die Flächen zwischen den Pritschen und den Schotträndern.

Autor

Till Waterstradt: Vertriebsleiter und Prokurist; seit 1999 bei der ­Rudolf Hensel GmbH im Vertrieb und der ­Projektkoordination D/A/CH und NL

Dieser Beitrag basiert auf den Inhalten des BRANDSCHUTZ Pocket: Beschichtungen. Das BRANDSCHUTZ Pocket kann kostenlos als pdf heruntergeladen werden.

Der Artikel ist unter dem Titel "Sicher beschichtet" in Ausgabe 4.2018 des FeuerTrutz Magazins (Juli 2018) erschienen.

zuletzt editiert am 26.04.2022