Auch für ausführende Unternehmen bedeutet die Holzbauweise neue Herausforderungen. Heiko Seen, geschäftsführender Gesellschafter der HU-Holzunion GmbH, die als Holzbau- und Generalunternehmer nationale und internationale Großprojekte abwickelt, im Interview über seine Erfahrungen mit Holzbauprojekten.
Herr Seen, Ihr Unternehmen hat sich auf die Ausführung von Gebäuden in Holzbauweise spezialisiert. Könnten Sie sich kurz vorstellen und anschließend erläutern, was für Holzbauten Sie schon errichtet haben?
Mein Name ist Heiko Seen und ich bin geschäftsführender Gesellschafter der HU-Holzunion GmbH mit Hauptsitz in Rotenburg an der Wümme. Ich selbst sitze im Verkaufsbüro in der Nähe von Landshut und steuere von dort die Geschäfte des Unternehmens. Ich bin gelernter Zimmerer und habe meinen Dipl.-Ing. (FH) für Holztechnik in Rosenheim erlangt. Viele Jahre habe ich den Holzbaumarkt in Deutschland, aber auch im internationalen Bereich mit bekannten Herstellern aus der Holzwerkstoffindustrie bedient, bis ich 2014 zusammen mit fünf anderen Holzbauunternehmen in Deutschland die Holzunion gegründet habe. Ziel dieses Unternehmens ist es, große Holzbauprojekte gemeinsam zu realisieren und dabei die Holzunion als Bindeglied zwischen den Gesellschaften und Werken zu nutzen.
In den vergangenen neun Jahren konnten wir zahlreiche Gebäude in den GK 4 und 5 realisieren. Es war anfangs nicht unser Ziel, dass wir als „Start-up“ in diesen Bereich des mehrgeschossigen Wohnungsbaus tätig werden, aber aufgrund der Unternehmensausrichtung, große Projekte in Holzbauweise zu akquirieren, sind wir beim mehrgeschossigen Holzbau gelandet. Zu den Projekten zählen Neubauten in reiner Holzbauweise wie das Projekt Lynarstraße in Berlin mit insgesamt sieben Geschossen, davon sechs in reinem Holzbau, aber auch Holzhybridbauweisen wie unser Projekt in Erlangen, wo wir insgesamt elf Gebäude in einer standardisierten Holzhybridbauweise zusammen mit einem unserer Kunden entwickelt und gebaut haben.
Aber auch Sonderbauten wie das TM50 in Nürnberg gehören zu den Projekten, bei denen wir schon früh mit den Anforderungen der GK 4 bzw. 5 im Holzbau konfrontiert wurden. Wir wollen auch die zahlreichen Aufstockungen in Monheim, Dortmund, Essen und derzeit in Düsseldorf in den GK 4 und 5 nicht vergessen, die zwar keine mehrgeschossigen Holzbauten sind, aber mit einer ähnlichen Herausforderung hinsichtlich der Anforderungen an den Brandschutz ausgeführt wurden.
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In welcher Planungsphase werden Sie als ausführendes Unternehmen i. d. R. hinzugezogen, und welche Weichen sind dann bereits gestellt?
Das ist sehr unterschiedlich und reicht von der üblichen Leistungsphase 5 nach HOAI bis zur LP 2/LP 3, bei der wir anfänglich eine Beratungsleistung übernehmen, jedoch am Ende das Ziel steht, das Projekt auch umzusetzen. Leider sind nach der LP 5 viele Fachplanungen schon sehr weit fortgeschritten, und wenn man diese dann als ausführendes Unternehmen zusammenführt, ergeben sich leichte bis gravierende Differenzen zu den Planunterlagen der Architekten bzw. zu einer ausführbaren Konstruktion.
Ein Beispiel ist die übliche Vorgehensweise bei der Planung, in die man richtigerweise frühzeitig einen Brandschutzplaner mit einbezieht, der dann die Machbarkeit mit den örtlichen Behörden und der Feuerwehr prüft, bevor man sich in der Planung auf eine Tragstruktur festlegt. Da der Brandschutzplaner zu diesem Zeitpunkt aber noch keine Statik kennt oder diese noch nicht bekannt ist, kann er in seinen Plänen „nur“ die Rettungswege/Fluchtwege bei der Definition der Bauteile berücksichtigen. Das macht es aber später in der LP 5 jedem ausführenden Unternehmen schwer, die Anforderungen an die unterschiedlichen Bauteile zu erkennen, da tragende Bauteile in den Brandschutzplänen meist nicht gekennzeichnet sind. Dies gehört aus meiner Sicht geändert. Die Brandschutzpläne müssten mit der LP 5 erneut angepasst werden, um auch die tragenden Bauteile entsprechend zu berücksichtigen.
Leider ist es bei vielen Projekten so, dass jeder Fachplaner seine Planung sorgfältig ausführt, aber Koordination und Fortschreibung der unterschiedlichen Fachplanungen nicht oder nicht ausreichend zusammengeführt werden, denn sonst würde man viele solche Abweichungen frühzeitig erkennen. Fehlendes Fachwissen, z. B. über die Rahmenparameter für die Ausführung mit vorgefertigten Holzbauelementen, kann man sich parallel von Unternehmen wie der Holzunion holen – so wäre man ein ganzes Stück weiter.

Gibt es Erfahrungen mit der M-HolzBauRL, die Ihnen zu diesem Stichwort besonders in den Sinn kommen?
Es gibt viele positive Erfahrungen, aber natürlich auch weniger gute. Im Wesentlichen hat uns die M-HolzBauRL das Marktsegment für den mehrgeschossigen Holzbau in der GK 4 und 5 eröffnet, was ohne diese Richtline nicht möglich gewesen wäre. Positiv ist anzuführen, dass man sehr viele Projekte damit planen und ausführen kann, wenn man das Grundprinzip der Richtlinie kennt. Auch lassen sich Ansätze von Detailausführungen für z. B. Haustechnikinstallationen entnehmen.
Leider sind diese positiven Aspekte schnell erledigt, wenn man ins Detail geht oder Abweichungen von den Leitdetails bestehen (was im Bau der Standard ist). In unseren Projekten kommen meist Holzrahmenbauwände in der Außenwand und Massivholzbauteile als Innenwände und Decken zum Einsatz. Auch dabei gibt es noch viel Potenzial, die M-HolzBauRL zu erweitern und die Anforderungen mit den entsprechenden Ausführungen sinnvoll zu kombinieren. Ich meine damit, dass man eine tragende Innenwand selten in Holzrahmenbauweise ausführen würde und man dort den Fokus bei den Leitdetails auf Ausführungsvarianten mit Massivholzelementen setzen sollte. Dies schließt allerdings auch Themen wie Elektroinstallationen, Elastomerlager und Verbindungsmittel ein.
Bei Außenwänden ist es genau umgekehrt, und bei ihnen sollte der Fokus auf der Holzrahmenbauvariante liegen, um auch die Nachhaltigkeit in Bezug auf den ressourcenschonenden Einsatz von Holz zu berücksichtigen. Auch dabei wären die Themen Elektroinstallationen, Verbindungsmittel und Schallschutz neben den Anforderungen für den Brandschutz zu berücksichtigen. Das hört sich komplex an und ist es letztlich auch. Es ist wichtig, dass diese Punkte angesprochen und geregelt werden.
Wo sehen Sie den größten Anpassungsbedarf im Hinblick auf die Fortschreibung der Richtlinie?
Das ist ein sehr komplexes Thema, aber ich versuche eine Antwort. Aus unserer Sicht muss die „Diskriminierung“ von unterschiedlichen Bauprodukten/Bauarten entfallen, und es muss eine bauproduktunabhängige Anforderung an das gesamte Bauteil definiert werden, nicht an einzelne Schichten einer Bauart. Dies bedeutet, dass eine Holzrahmenbauwand und eine Holzmassivwand mit außenliegender Dämmebene die gleichen Anforderungen bezogen auf das gesamte Bauteil erfüllen können.
Zusätzlich ist, wie bereits erwähnt, die Detailentwicklung zu regeln. Wenn die Zahl der Holzbauprojekte steigen soll, was wir alle wollen, benötigen wir deutlich mehr Unternehmen, die diese Projekte auch umsetzen können. Jedoch benötigen die Unternehmen die entsprechenden Planungsgrundlagen, damit keine Fehler passieren.

Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass nach der letzten Änderung der Technischen Baubestimmungen die Nachweismöglichkeiten über Prüfzeugnisse für den Holzbau nicht mehr zur Verfügung stehen?
Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um vier von fünf Werken für das K260-Kapselkriterium zertifizieren zu lassen, und können diese Zertifizierung nun wegwerfen, weil man bei der Änderung von der Bauregelliste zur Technischen Baubestimmung dieses Nachweisverfahren gestrichen und keine Alternative geschaffen hat. Ich denke, dies ist zurzeit eine große Lücke in unserem baurechtlichen Nachweisverfahren, und ich bin mir nicht sicher, ob es derzeit überhaupt möglich ist, „baurechtlich konform“ zu produzieren bzw. mit vorgefertigten Bauarten zu montieren. Ich kann Ihnen diese Frage also nicht zu 100 % beantworten, aber das Problem muss kurzfristig gelöst werden. Da ist insbesondere das DIBt gefragt.
Wie wichtig ist die Integration der brandschutztechnischen Planung (z. B. Schottungen, Leitungsführung) in Ihre Werkplanung? Gibt es auch da Veränderungen bzw. Entwicklungen in den vergangenen Jahren?
Diese Entwicklung ist derzeit sehr wichtig, da es zum einen wenige Fachplaner gibt, die diese Planung im Holzbau beherrschen, und zum anderen auch wenige zugelassene Produkte für die entsprechenden Anwendungen. Die Produkte, die in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommen sind, sind super. Die Industrie hat große Fortschritte gemacht, und die Zahl der Produkte für den Holzbau ist deutlich gestiegen.
Herr Seen, Sie haben das letzte Wort.
Auch wenn ich ein überzeugter Holzbauer bin und wir vieles im "reinen" Holzbau umsetzen können, müssen wir gemeinsam mit der Industrie, mit Planern und der Politik größer denken und den Wohnungsbau auch mithilfe anderer Baustoffe und Standardisierungen wirtschaftlicher machen. Nur so wird es uns gelingen, Nachhaltigkeit im Sinne des Klimaschutzes und Wirtschaftlichkeit für den Endverbraucher bezahlbar zu machen. Der Holzbau hat ein großes Potenzial, und wir können mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz viel erreichen, aber wir dürfen auch keine Angst davor haben, dieses Wissen mit anderen zu teilen.
Das Interview ist im FeuerTrutz Dossier "Brandschutz in Holzbauten" (März 2023) erschienen. Das komplette Dossier ist kostenlos als Download erhältlich.