Ein modernes Gebäude mit einer äußeren Stahlkonstruktion, das vollständig von grünen Kletterpflanzen überwachsen ist.
Abb. 1: Beispiel für eine realisierte Grünfassade. Bodengebundener Bewuchs an Kletterhilfen (Swiss Re Bürogebäude München) (Quelle: Bundesverband GebäudeGrün)

Forschung 2024-10-08T15:39:56.150Z Begrünte Fassaden aus brandschutztechnischer Sicht

Begrünte Fassaden liegen im Trend. Die Brandausbreitung entlang der Fassade ist grundsätzlich weltweit eines der kritischsten Brandszenarien, und Pflanzen sind zusätzliche brennbare Materialien. Der Einfluss begrünter Fassaden auf die Brandweiterleitung entlang der Fassade ist folglich nicht zu vernachlässigen.

Begrünte Fassaden werden immer populärer. Gründe sind u. a., dass begrünte Fassaden in urbanen Räumen die Luftqualität und die thermische Leistung des Gebäudes verbessern, den Wärme-Inseleffekt verringern und Lärm durch Absorption reduzieren sollen [1, 2]. Der Begriff begrünte Fassaden ist ein Überbegriff für sehr unterschiedliche konstruktive Ausführungen von Fassadenbegrünungen. Abbildung 2 zeigt die verschiedenen Arten von Fassadenbegrünungen.

Das Bild zeigt fünf Formen von Fassadenbegrünungen.
Abb. 2: Ausbildungsformen von Fassadenbegrünungen. 1) Direktbewuchs mit Selbstklimmern, bodengebunden, 2) leitbarer Bewuchs an Kletterhilfen, bodengebunden, 3) Pflanzgefäße, horizontale Vegetationsflächen, wandgebunden, 4) modulares System (Living Wall), vertikale Vegetationsflächen, wandgebunden, 5) flächiges System (Living Wall), vertikale Vegetationsflächen, wandgebunden (Quelle: basierend auf Bildquelle [5])

Prinzipiell zu unterscheiden sind eine direkte bodengebundene Begrünung an der Außenwand mit Kletterpflanzen, eine indirekte bodengebundene Begrünung mit von der Außenwand abgesetzten Kletterhilfen und begrünte Wandsysteme mit Bepflanzung in Gefäßen oder an flächigen vertikalen Vegetationsflächen (Living Wall). Auch Mischformen sind möglich [3, 4, 5]. Für bodengebundene Begrünungen an Kletterhilfen haben sich je nach Dickenwuchs (Wüchsigkeit) Wandabstände von 50 bis 200 mm zur Kletterhilfe etabliert [4, 5].

Ein ausreichender Abstand ist neben der Wüchsigkeit der Pflanze auch aufgrund der sonst möglichen Überhitzung der Gerüstkletterpflanze durch die Außenwand notwendig [5]. Wandgebundene Begrünungssysteme (ohne Bodenanschluss) zeichnen sich durch integrierte Bewässerungssysteme, beliebige Begrünungsgrößen und einfache Austauschbarkeit der Pflanzen aus. Sie ermöglichen eine vorkultivierte Begrünung der Fassade ab Fertigstellung des Gebäudes mit Modul oder Regalsystemen [3, 5]. Eine wandgebundene Begrünung in Form einer „Living Wall“ ist ein komplettes vorgehängtes, hinterlüftetes Fassadensystem. Es besteht aus Hinterlüftung, Unterkonstruktion, Tragstruktur, Trägerplatten, Dämmung, Substrat, Vlies, Bewässerungssystem und der Pflanze selbst. Die Systeme unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller erheblich. Die Verwendung von Kletterpflanzen zur Fassadenbegrünung weist viele regionaleBesonderheiten auf [3, 4, 5]. Das Auswahl an Kletterpflanzen in der DACH-Region umfasst ca. 150 Arten und Sorten [3]. Das Spektrum der für wandgebundene Begrünungssysteme geeigneten Pflanzenarten ist wesentlich umfangreicher. Für die DACH-Region werden in [4] ca. 100 Arten und Sorten aufgeführt. Zu unterscheiden sind Stauden, Gräser und Klettergehölze [3].

Brandschutztechnische Bewertbarkeit der verschiedenen begrünten Fassadentypen

Wie im Abschnitt zuvor erwähnt sind „Living Walls“ komplexe Fassadensysteme, die sich von Hersteller zu Hersteller erheblich unterscheiden. Die herstellerspezifischen Systeme lassen sich nur mittels großmaßstäblicher Brandversuche am jeweiligen Gesamtsystem produktspezifisch zielführend untersuchen [6]. Anders verhält sich dies bei Kletterpflanzen an Rankhilfen. Diese können brandschutztechnisch allgemeingültig untersucht und daraufhin bewertet werden. Aus diesen Untersuchungen ergeben sich Prinzipien für einen brandschutztechnisch sicheren Betrieb [6].

Stand der Forschung

Zum Brandverhalten begrünter Fassaden und der daraus folgenden Brandweiterleitung über die Fassaden stehen zum aktuellen Zeitpunkt international nur wenige Erkenntnisse zur Verfügung. Eine genaue Übersicht zum Stand der Forschung über das Brandverhalten von begrünten Fassaden kann [6] und [7] entnommen werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mittel- bzw. großmaßstäbliche Brandversuche an begrünten Fassaden bis dato vor allem in Österreich und Deutschland durchgeführt wurden. Diese Untersuchungen fanden jedoch vorwiegend an genormten Fassadenbrandprüfständen statt, die ursprünglich für einen anderen Anwendungsfall konzipiert wurden und nicht den Einwirkungen realer Brandereignisse entsprechen [6]. Die aktuelle Herausforderung für begrünte Fassaden besteht folglich darin, Ergebnisse skalierter Prüfverfahren, beispielsweise nach [8] oder [9], in Verbindung mit Bewertungskriterien, die ebenfalls für andere Baustoffe konzipiert wurden, direkt in die Realität zu überführen bzw. darauf aufbauende Maßnahmen abzuleiten. Dieses Vorgehen kann zu unrealistischen Ergebnissen führen und birgt ohne gesamtheitliche Betrachtung Risiken [6].

Brandverhalten der Pflanzen

Eine Grafik, die die Wärmefreisetzungsrate verschiedener Pflanzenarten über die Zeit in Minuten zeigt.
Abb. 3: Vergleich der Wärmefreisetzungsraten von Actinidia deliciosa, Euonymus fortunei und Hedera helix im Sommer und im Winter (Quelle: [7])

Im Rahmen des Forschungsvorhabens FireSafeGreen [10] wurde in einem ersten Teil das Brandverhalten von begrünten Fassaden untersucht. Im Fokus stand dabei die Entflammbarkeit begrünter Fassaden, die im Rahmen von 43 kalorimetrischen Brandversuchen im mittleren Maßstab mit der Prüfmethode Single Burning Item (SBI) [11] bewertet wurde. Schwerpunkt der Untersuchung waren insgesamt 25 Kletterpflanzenarten. Der Haupteinflussfaktor auf das Brandverhalten von Pflanzen ist der Feuchtigkeitsgehalt der Pflanze [7]. Ein Vergleich der Wärmefreisetzungsrate von vitalen Pflanzen (normaler Feuchtigkeitsgehalt) zeigt ein ähnliches Verhalten, vgl. Abbildung 3.

Ein Diagramm, das die Wärmefreisetzungsrate verschiedener Materialien wie Sperrholz, Spanplatte und Efeu darstellt.
Abb. 4: Wärmefreisetzungsrate eines 42 Tage getrockneten, eines vitalen jungen und eines vitalen alten Efeus im Vergleich zu einer 9 mm dicken Span- und einer 13 mm dicken Sperrholzplatte (Quelle: [7])

Im Verlauf der Beanspruchung kommt es zu kurzen Spitzen der Wärmefreisetzungsrate. Diese Spitzen sind die aus vorherigen Untersuchungen bekannten „Strohfeuer“. Sie entstehen, wenn Teile der Pflanzen durch die Brandeinwirkung austrocknen und sich dann schlagartig entzünden. Die Pflanzenart selbst hat keinen signifikanten Einfluss auf das Brandverhalten.

Eine Pflanzenwand, die in Flammen steht, mit intensiven Rauchschwaden.

Bei allen Versuchen trat mit vitalen, gepflegten Pflanzen eine horizontale Brandausbreitung in nur sehr geringem Umfang und nach Abschalten des Brenners ein Selbstverlöschen auf. Auch ein direkter Vergleich zwischen jungen und alten Pflanzen sowie der Vergleich des jahreszeitlichen Einflusses von Sommer und Winter ergaben keinen signifikanten Unterschied bei vitalen, gepflegten Pflanzen [7].

Ein entscheidender Unterschied ergab sich bei getrockneten Pflanzen. Bei ihnen trat zu Beginn eine abrupte Wärmefreisetzung auf. Abgestorbene Pflanzen sowie ungepflegte Pflanzen mit einem großen Anteil an Totholz sind folglich der kritischste Fall.

Abbildung 5 stellt die Wärmefreisetzungsrate eines 42 Tage getrockneten, eines vitalen jungen und eines vitalen alten Efeus (Hedera helix) im Vergleich zu einer 9 dicken mm Span- und einer 13 mm dicken Sperrholzplatte dar [7].

Pflege und Wartung einer begrünten Fassade sind daher der wichtigste Faktor für die Aufrechterhaltung der Brandsicherheit. Totholz in Form von abgestorbenem Laub, Ästen oder Vogelnestern ist regelmäßig zu entfernen. Außerdem ist stetig zu prüfen, ob die Pflanzen noch vital sind und einen normalen Feuchtigkeitsgehalt aufweisen. Zusätzlich sind die Pflanzen regelmäßig zurückzuschneiden. Unkontrolliertes Wachstum kann zu viel Totholz führen – vor allem bei lichtfliehenden Pflanzen [7]. [...]

Weiterlesen? Der vollständige Artikel von Dr. Ing. Thomas Engel (erschienen in Ausgabe 4.2024 des FeuerTrutz Magazins) ist als kostenloser Download verfügbar. Darin geht es um den Einfluss begrünter Fassaden auf die Brandweiterleitung entlang der Fassade, die Kombination von Holz- und Grünfassaden sowie Ergebnisse aus Großbrandversuchen.

Den Download erhalten Sie gegen eine Anmeldung zum Newsletter. Wenn Sie den Newsletter bereits abonniert haben, müssen Sie nur Ihre E-Mail Adresse eingeben und Sie werden automatisch zum Download weitergeleitet.

Quellen

[1] Alexandri, E.; Jones, P. (2008) Temperature decreases in anurban canyon due to green walls and green roofs in diverseclimates. In: Building and Environment 43:480–493. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2006.10.055

[2] Perini, K.; Ottelé, M.; et al. (2011) Vertical greening systems and the effect on air flow and temperature on the building envelope. In: Building and Environment 46:2287–2294. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2011.05.009

[3] Köhler, M.; Ansel, W. (2012) Handbuch Bauwerksbegrünung. Planung – Konstruktion – Ausführung. Köln: Rudolf Müller

[4] Mahabadi, M.; Althaus, C.; et al. (2018) Fassadenbegrünungsrichtlinien – Richtlinien für die Planung, Bau und Instandhaltungvon Fassadenbegrünungen. Hg. v. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. – FLL

[5] Pfoser, N. (2018) Vertikale Begrünung. Bauweisen und Planungsgrundlagen zur Begrünung von Wänden und Fassaden mit oder ohne natürlichen Boden-/Bodenwasseranschluss. Stuttgart (Hohenheim): Ulmer (Fachbibliothek grün)

[6] Engel, T. (2023) Brandschutz für biogene Fassaden –Experimentelle Untersuchungen als Grundlage brandschutztechnischer Prinzipien, Dissertation, Technische Universität München https://mediatum.ub.tum.de/?id=1715368

[7] Engel, T.; Werther, N. (2024) Fire Safety for Green Façades:Part 1: Basics, State-of-the-Art Research and ExperimentalInvestigation of Plant Flammability. Fire Technology https://doi.org/10.1007/s10694-024-01566-0

[8] NORM B 3800-5:2013. Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 5: Brandverhalten von Fassaden – Anforderungen, Prüfungen und Beurteilungen

[9] DIN 4102-20:2017-10. Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 20: Ergänzender Nachweis für die Beurteilungdes Brandverhaltens von Außenwandbekleidungen

[10] Forschungsvorhaben FireSafeGreen, Homepage http://www.firesafegreen.de

[11] EN 13823:2020-09. Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Thermische Beanspruchung durch einen einzelnen brennenden Gegenstand für Bauprodukte mit Ausnahmevon Bodenbelägen

[12] Engel, T. (2023). Brandverhalten von Grünfassaden. OIB aktuell – Das Fachmagazin für Baurecht und Technik, Heft 2.2023 – Herausgeber: Österreichisches Institut für Bautechnik,S. 14–18[13] MHolzBauRL, vom Oktober 2020 (21.06.2021): Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteileund Außenwandbekleidungen in Holzbauweise

[14] Engel, T., Werther, N. (2023) Structural Means for Fire-Safe Wooden Façade Design. Fire Technology 59:117–151. https://doi.org/10.1007/s10694-021-01174-2

[15] Kahler, J. (2024) Untersuchung der brandschutztechnischen Anwendbarkeit von begrünten Fassaden an mehrgeschossigen Gebäuden bis zur Hochhausgrenze

[16] Engel, T. (2024) Fire Safety for Green Façades: Part 2: Full-Scale Façade Fire Tests and Means for Fire-Safe Green Façade Design for Climbing Plants on Trellises. Fire Technology [Manuscript in preparation]

[17] DIN 18919 (2016) Vegetationstechnik im Landschaftsbau –Instandhaltungsleistungen für die Entwicklung und Unterhaltung von Vegetation (Entwicklungs- und Unterhaltungspflege); DIN 18919:2016-12; Dezember 2016

[18] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (2018) Fassadenbegrünungsrichtlinien – Richtlinien für die Planung, Bau und Instandhaltung von Fassadenbegrünungen

Kostenloser Download

Durch Anklicken des Buttons „Anmelden und Herunterladen“ erklären Sie sich mit der Zusendung des Newsletters als Gegenleistung für den Erhalt des kostenfreien Fachinformations-Downloads einverstanden. Ihre Einwilligung umfasst zudem die Analyse des Newsletters durch individuelle Messung und Auswertung für die interessenbasierte Gestaltung künftiger Newsletter. Ihre Einwilligung gilt bis zu Ihrer Abmeldung von dem Newsletter, die über den im Newsletter befindlichen Link jederzeit mit Wirkung für die Zukunft möglich ist. Ausführliche Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung

Unser kostenloser Newsletter FeuerTrutz Brandaktuell informiert Sie alle zwei Wochen über Neuigkeiten aus der Brandschutzbranche und Fachthemen im vorbeugenden Brandschutz, über die Fachmedienangebote der Rudolf Müller Mediengruppe sowie Produkte unserer Werbekunden.

Wenn Sie den Newsletter bereits abonniert haben, werden Sie nach Eingabe Ihrer E-Mail-Adresse automatisch zum Download weitergeleitet.

Alle mit * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Ihre Anmeldung zum Newsletter ist fast abgeschlossen. 

Um Ihre E-Mail-Adresse vor unbefugter Eintragung zu schützen, erhalten Sie in den nächsten Minuten eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Wenn Sie diesen anklicken, ist Ihre Anmeldung abgeschlossen.

Der Download startet automatisch. Sollte er nicht korrekt ausgeführt werden, prüfen Sie bitte Ihre Browser-Einstellungen.

Jetzt herunterladen