Viele Planer sind unsicher, ob für bauliche Anlagen Blitzschutzanlagen erforderlich sind. Ebenso ist vielen unklar, wie eine ordnungsgemäße Blitzschutzanlage geplant und ausgeführt werden muss – und ob mittels einer Risikoanalyse auf den Blitzschutz verzichtet werden kann. Der Beitrag befasst sich mit dem Thema aus öffentlich-rechtlicher Sicht und gibt Tipps zur Planung und Ausführung.
Von Joseph Messerer und Reinhard Schüngel. Die Musterbauordnung (MBO) [1] gibt für bauliche Anlagen in den §§ 3 und 14 allgemeine bzw. brandschutzbezogene Schutzziele vor. Damit diese auch bei direkten und indirekten Blitzeinschlägen in bauliche Anlagen erfüllt werden können, schreibt § 46 MBO ("Blitzschutzanlagen") Folgendes vor: "Bauliche Anlagen, bei denen nach Lage, Bauart oder Nutzung Blitzschlag leicht eintreten oder zu schweren Folgen führen kann, sind mit dauernd wirksamen Blitzschutzanlagen zu versehen."
Das Baurecht fordert somit dauernd wirksame Blitzschutzanlagen für bauliche Anlagen, bei denen:
- Blitzschlag "leicht eintreten" kann – also unabhängig von der Nutzung – und
- Blitzschlag "zu schweren Folgen führen kann" – also unabhängig davon, ob Blitzschlag leicht eintreten kann.
Leicht eintreten kann der Blitzschlag z. B. in hohe Kamine, Kirchtürme, Hochhäuser oder in einzeln in exponierter Lage stehende Gebäude. Schwere Folgen ergeben sich aus der Nutzung einer baulichen Anlage. Dies kann sich zum einen auf schwere Folgen für Personen beziehen, zum anderen auf schwere Folgen, die (für Personen und Sachwerte) aus einer erhöhten Brand- und Explosionsgefahr entstehen.
Schwere Folgen für Personen
Bei dieser Formulierung kann die MBO keine einzelne Person meinen – in diesem Fall würde jede bauliche Anlage Blitzschutzanlagen benötigen. Es muss aus öffentlich-rechtlicher Sicht etwas anderes gemeint sein, z. B. schwere Folgen für viele oder besonders schutzbedürftige Personen innerhalb eines Gebäudes. In erster Linie dürfte der Gesetzgeber also an schwere Folgen für Personen in Sonderbauten gedacht haben.
Sonderbauten für viele oder besonders schutzbedürftige Personen
Ein Blick in diverse Sonderbauverordnungen (SBauVO) bestätigt diese Annahme. In folgenden Verordnungen bzw. Richtlinien werden Blitzschutzanlagen explizit gefordert:
- Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO, § 19): "Gebäude mit Verkaufsstätten müssen Blitzschutzanlagen haben."
- Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO, § 14 (4)): "Versammlungsstätten müssen Blitzschutzanlagen haben, die auch die sicherheitstechnischen Einrichtungen schützen (äußerer und innerer Blitzschutz)."
- Muster-Hochhausrichtlinie (MHHR, § 6.6.2): "Hochhäuser müssen Blitzschutzanlagen haben, die auch die sicherheitstechnische Gebäudeausrüstung schützen (äußerer und innerer Blitzschutz)."
- Muster-Schulbaurichtlinie (MSchulbauR, § 7): "Schulen müssen Blitzschutzanlagen haben."
- Eine alte Muster-Krankenhausbauverordnung verlangte bereits 1976, dass Krankenhäuser Blitzschutzanlagen haben.
Betrachtet man Sonderbauten, für die es keine Sonderbauvorschrift gibt, so lassen sich durchaus vergleichbare Objekte finden, für die Blitzschutzanlagen erforderlich sind. Die Gefährdung eines Kindergartens oder einer Kinderkrippe ist z.B. durchaus mit der einer Schule vergleichbar. Dies ergibt sich auch aus Urteilen, die das Erfordernis von Blitzschutzanlagen für Kindergärten mehrfach bestätigt haben. Des Weiteren sind die Gefährdungen für Personen in Krankenhäusern vergleichbar mit denen für Personen in Alten- oder Pflegeheimen. Gefährdungen für viele Personen sind darüber hinaus grundsätzlich auch zu unterstellen für:
- Gebäude mit mehr als 1.600 m 2 Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen,
- Gebäude mit Räumen, die einzeln für die Nutzung durch mehr als 100 Personen bestimmt sind (es ist durchaus denkbar, dass verantwortliche Planer bereits für Räume mit vielen, aber durchaus weniger als 100 Personen Blitzschutzanlagen für erforderlich halten),
- Einrichtungen zur Unterbringung von Personen,
- Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug und
- Fliegende Bauten.

Über die Sonderbauten hinaus gibt es aber auch weitere Gebäude (Standardbauten), die u. U. vielen Personen – gerade bei heraufziehenden Gewittern – Schutz gewähren sollen und deshalb Blitzschutzanlagen benötigen, z. B.:
- Schutzhütten (auf Golfplätzen u. Ä.),
- überdachte Bereiche auf Kinderspielplätzen,
- Wartehäuschen für den öffentlichen Personennahverkehr.
Bei derartigen Gebäuden ist es bereits mehrfach zu Personenschäden durch Blitzschlag gekommen, z. B. kamen im Juni 2012 vier Personen in einer Schutzhütte eines Golfplatzes in Waldeck (Nordhessen) ums Leben (s. Abbildung 2) und mehrere Personen wurden in einem Wartehäuschen für den ÖPNV am 1.08.1998 in München verletzt.
Sonderbauten mit erhöhter Brand- oder Explosionsgefahr
Schwere Folgen aus einer erhöhten Brand- oder Explosionsgefahr sind in folgenden Sonderbauten zu erwarten:
- Regallager (abhängig vom möglichen Lagergut),
- bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist, z. B.:
– Holzbearbeitungsbetriebe,
– Lack- und Farbenfabriken,
– Mühlen,
– Munitions- und Zündholzfabriken, Fertigung von pyrotechnischen Gegenständen,
– Petroleum- und Benzinlager,
– Biogasanlagen,
– Gasbehälter,
– Gebäude mit weicher Bedachung,
– Anlagen und Räume, die in § 2 Abs. 4 Nr. 1-19 MBO nicht aufgeführt, deren Art oder Nutzung jedoch mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind, z. B. Anlagen, in denen radioaktive, biologische oder gefährliche chemische Stoffe bearbeitet, gelagert oder verwendet werden.
Blitzschutzanlagen sollen die Brandentstehung an der baulichen Anlage und eine Gefährdung von Personen durch Blitzeinschläge verhindern. Gleichzeitig müssen aber auch die sicherheitstechnischen Einrichtungen und Anlagen in einem Gebäude ihre Aufgaben nach einem Blitzeinschlag weiterhin erfüllen können. Sie müssen also vor den Auswirkungen des Blitzstroms und der -spannung geschützt werden. Dazu sind Maßnahmen gegen Überspannungen und gefährliche Funkenbildung zu treffen (äußerer und innerer Blitzschutz).
Innerer und äußerer Blitzschutz
Innerer Blitzschutz
Für den inneren Blitzschutz sind erforderlich:
- Verbindung der Erdungsanlage mit dem Potentialausgleich und mit dem Schutzleiter (PE- oder PEN-Leiter) der elektrischen Anlage,
- Blitzstromableiter für den Schutz der Stromverteilungen und Leitungsanlagen,
- Überspannungsschutz (Mittel- und/oder Feinschutz) für den Schutz der sicherheitstechnisch erforderlichen Einrichtungen und Anlagen,
- Potentialausgleich (elektrische Verbindung) aller metallenen Installationen innerhalb eines Bauwerkes und aller von außen in das Gebäude eingeführten metallenen Installationen,
- Einhaltung von Trennungsabständen.
Äußerer Blitzschutz
Für den äußeren Blitzschutz sind erforderlich:
- Fangeinrichtungen,
- Ableitungen,
- Erdungs- und ggf. Potentialsteuerungsmaßnahmen,
- Einhaltung von Trennungsabständen.
Arten von Blitzeinschlägen
Bei Blitzeinschlägen sind zwei Arten zu unterscheiden:
Direkter Blitzeinschlag
Der Einschlag erfolgt direkt in die bauliche Anlage. Um die Schutzziele des Baurechts erfüllen zu können, muss die Blitzschutzanlage Folgendes sicherstellen:
- Einfangen des Blitzstroms durch Fangeinrichtungen,
- Ableiten des Blitzstroms,
- Einleiten des Blitzstroms in die Erdungsanlage,
- Schutz vor Schritt- und Berührungsspannungen (direkte Personengefährdung) z. B. unter überdachten Bereichen,
- Schutz der Leitungsanlagen (Energie- und Datenleitungen) gegen Zerstörung,
- Schutz vor Überspannungen bei sicherheitstechnisch erforderlichen Anlagen und Einrichtungen.
Indirekter Blitzeinschlag
Der Einschlag erfolgt in einem Radius bis zu ca. 1.000 m um das Gebäude. Bei solchen "Naheinschlägen" muss die Blitzschutzanlage den Schutz vor Überspannungen in sicherheitstechnischen Einrichtungen und Anlagen und den Schutz vor Isolationsfehlern durch zu hohe Überspannungen innerhalb von Leitungsanlagen sicherstellen.
Gefahren des Blitzstroms

Daraus folgt, dass durch direkte und indirekte Blitzeinschläge außer der Gefährdung von Personen und einer möglichen Brandentstehung auch elektrische und vor allem elektronische Einrichtungen und Anlagen beschädigt werden können. Sind Letztere sicherheitstechnisch erforderlich, um die Schutzziele der Bauordnung zu erfüllen, müssen sie auch nach einem Blitzeinschlag – ob nun direkt oder indirekt – funktionsfähig bleiben. Deshalb bestehen im Baurecht auch die indirekten Forderungen nach Blitzschutzanlagen: Es kann nicht akzeptiert werden, dass ein Blitzschlag die Brandmelde- und Löschanlage zerstört, bevor es zur Brandentstehung kommt.
Die Tabelle zeigt eine Übersicht sicherheitstechnischer Einrichtungen und Anlagen, die in Muster-Sonderbauverordnungen und -Richtlinien verlangt werden. Diese Einrichtungen und Anlagen sind nicht nur in Sonderbauten blitzschutztechnisch zu schützen, sondern auch, wenn sie in Standardbauten als Kompensationsmaßnahmen für Abweichungen von der jeweiligen Landesbauordnung erforderlich sind. Im Infokasten ist aufgeführt, welche Einrichtungen für den äußeren bzw. inneren Blitzschutz notwendig sind.

Planungsgrundlagen für Blitzschutzanlagen
Für die richtige Planung und Ausführung von Blitzschutzanlagen steht die Normenreihe DIN EN 62305 bzw. VDE 0185-305 "Blitzschutz" zur Verfügung. Sie regelt in Teil 1 allgemeine Grundsätze, in Teil 3 den Schutz von baulichen Anlagen und Personen und in Teil 4 den Schutz von elektrischen und elektronischen Systemen in baulichen Anlagen. Diese Teile stellen allgemein anerkannte Regeln der Technik dar.
Blitzschutz-Risikoanalyse für Gebäude
Gemäß VDE 0185-305-2 bzw. DIN EN 62305-2 "Risiko-Management" [2] sollen durch eine Risikoanalyse die erforderlichen Blitzschutzmaßnahmen ermittelt werden können. Dieser Teil der Reihe stellt aber keine anerkannte Regel der Technik dar, da dazu wissenschaftlich keine einhellige Meinung besteht. Zudem ist diese Norm nur einem sehr kleinen Teil der mit Blitzschutz befassten Firmen bzw. Handwerker bekannt. Da sie auch aufgrund dessen selten angewendet wird, liegt noch keine Bewährung in der Praxis vor. Mit dieser Norm wird jedoch gegenüber dem Bauherrn oder dem Entwurfsverfasser oft der Eindruck vermittelt, dass die Forderungen des Baurechts nach Blitzschutzanlagen durch die Risikoanalyse überflüssig werden.
Mittlerweile sind es nicht mehr nur die Bauherren, die eine Risikoanalyse verlangen, sondern zunehmend auch untere Bauaufsichtsbehörden, die sie vom Bauherrn fordern. Letztere wissen offensichtlich häufig nicht, zu welchen Ergebnissen (Risiken) eine solche Risikoanalyse führen kann. Vor dieser Vorgehensweise kann nur eindringlich gewarnt werden. Sie könnte schnell zum Risiko für den Bauherrn, Entwurfsverfasser, Fachplaner oder die ausführende Firma werden, wenn aufgrund der Risikoanalyse auf eine Blitzschutzanlage verzichtet wird, obwohl sie nach dem Baurecht nach wie vor erforderlich ist.

Die Autoren haben in den letzten Monaten eine Vielzahl von Risikoanalysen nach VDE 0185-305-2 durchgeführt. Dabei stellte sich in fast allen Fällen heraus, dass für die betroffenen Gebäude ohne geeignete Blitzschutzmaßnahmen ein unzulässiges Risiko besteht (Gefahren für Personen und Brandentstehung). Verwundert waren die Autoren jedoch, dass eine äußere Blitzschutzanlage – selbst eine Blitzschutzanlage entsprechend der Schutzklasse 1 – meist keine nennenswerte Reduzierung des Risikos mit sich brachte. Die Anschaffung eines Feuerlöschers hingegen senkte das berechnete Risiko in vielen Fällen deutlich.

Energie- und Datenleitungen im Gebäude mit Blitzstrom- und Überspannungsableitern auszurüsten, minimiert das Risiko am stärksten (s. Abbildungen 4 a und 4 b). Zweifelsohne schützen sie Leitungsanlagen (jede Art von Leitungen, Verteiler u. Ä.), sicherheitstechnische Einrichtungen und elektronische Geräte. Wenn jedoch die äußere Blitzschutzanlage fehlt und der Blitz in das Gebäude einschlägt, sucht sich der Blitzstrom einen unkontrollierten Weg durch das Gebäude zum nächsten elektrisch leitenden Gegenstand und von dort ins Erdreich. Dabei wird er so gut wie alles auf seinem Weg beschädigen oder zerstören, unabhängig davon, ob das Gebäude mit Blitzstrom- und Überspannungsableitern ausgestattet ist.
Es geht in diesem Beitrag nicht um Kritik an der verwendeten Software. Diese macht die Anwendung der Norm nur einfacher, übersichtlicher und transparenter. Es geht ausschließlich um die Norm selbst und um Fehlinterpretationen der Ergebnisse von Risikoanalysen, denn die Anwendung führt in vielen Fällen zu falschen Lösungen bzw. Ergebnissen.
Es scheint, dass die Risikoanalyse den inneren Blitzschutz zulasten des äußeren Blitzschutzes bevorzugt, ohne die dadurch entstehenden Risiken hinreichend zu bewerten. Die Risikoanalyse kann jedoch als Entscheidungshilfe für den Bauherrn angewendet werden, wenn aus baurechtlicher Sicht keine Blitzschutzmaßnahmen erforderlich sind.
Eine weitere – einfachere – Möglichkeit und Hilfestellung zum Thema Blitzschutz bietet die VdS-Richtlinie 2010 "Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz" [3]. Die Festlegungen der Versicherer berücksichtigen neben den Erfahrungen und Erkenntnissen der Schadenverhütung auch die gesetzlichen Grundlagen und behördlichen Vorschriften. Sie beinhalten u. a. eine Auflistung bzw. Klassifizierung von Gebäuden, für die aus Sicht der Versicherungswirtschaft Blitzschutzmaßnahmen ausgeführt werden sollten. Ebenso wird dort aufgezeigt, nach welcher Blitzschutzklasse (Güte des Blitzschutzsystems) die Blitzschutzanlage geplant und errichtet werden sollte.
Fazit
Durch die Risikoanalyse nach DIN VDE 0185-305-2 werden die Bestimmungen des Baurechts über Blitzschutzanlagen nicht hinfällig. Die Anwendung der Norm kann in vielen Fällen zu einer Fehleinschätzung, zu einer Fehlplanung und im Ergebnis zu einem fehlerhaften Blitzschutz führen. Die Schutzziele der Bauordnung werden dann nicht erfüllt.
Bei Gebäuden, für die das Baurecht keine Blitzschutzanlagen vorschreibt, kann eine Risikoanalyse eine zusätzliche Entscheidungshilfe für den Bauherrn darstellen. Für den Fall, dass einer der am Bau Beteiligten der Auffassung ist, dass seine bauliche Anlage zwar unter die Bestimmungen des § 46 MBO fällt, auf eine Blitzschutzanlage aber dennoch verzichtet werden kann, sollte der Weg über die untere Bauaufsichtsbehörde für eine Abweichung vom Baurecht gewählt werden.
Quellen / Literatur
[1] Musterbauordnung (MBO), Fassung November 2002, zuletzt geändert durch Beschluss der Bauministerkonferenz vom 13.05.2016
[2] DIN EN 62305-2:2013-02; VDE 0185-305-2:2013-02 "Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management"
[3] VdS-Richtlinie 2010 "Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz"
Der Artikel ist in Ausgabe 3.2017 des FeuerTrutz Magazins (Mai 2017) erschienen.
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