Die zu betreuenden Personen in Einrichtungen des Gesundheitswesens zeichnen sich durch unterschiedliche Krankheitsbilder und Einschränkungen aus. Dies stellt die Betreiber vor bauliche Herausforderungen bei der Sicherung von Fluchtwegen.
In Deutschland ist die Notwendigkeit von Flucht- und Rettungswegen im jeweiligen Bauordnungsrecht der Bundesländer, dem bundeseinheitlichen Arbeitsstättenrecht sowie in den Unfallverhütungsvorschriften geregelt. Nachfolgend sollen die rechtlichen und organisatorischen Regelungen bezüglich der elektrischen Sicherung von Flucht- und Rettungswegen in den Fokus gerückt werden. Weiterhin werden verschiedene Arten von Sicherungssystemen herstellerunabhängig vorgestellt und im Hinblick auf ihren Einbau, Betrieb und ihre Wartung in einem kurzen Überblick zusammengefasst. Der Beitrag gibt einen praktischen Einblick in 16 Jahre klinischer Erfahrung, u. a. aus der besonders gesicherten Klinik für forensische Psychiatrie (auch Maßregelvollzug genannt) und aus dem Alltag einer Werkfeuerwehr auf einem großen Klinikcampus.
Rechtliche Grundlagen
In Krankenhäusern, Pflegeheimen sowie anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens ist die Hürde aus gesetzlichen Regelungen, Vorschriften und Bauvorgaben, die zu erfüllen sind, zu Recht hoch. Bei Zugängen, die zur Sicherheit in Krisenzeiten und Notfällen gelten, gibt es entsprechend strenge Anforderungen an Sicherheitsstandards und Prüfungsintervalle, die eingehalten und umgesetzt werden müssen.
Diese finden sich zum einen in den Bauordnungen der Bundesländer, die sich an der MBO der Bauministerkonferenz orientieren. Die von mir geschilderten Erfahrungen beruhen aufgrund meiner Arbeitsstätte auf der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO). In dieser wird ein gesetzlicher Rahmen abgesteckt, der bereits viele Auflagen für das jeweilige Bauvorhaben vorgibt. Gerade Einrichtungen des Gesundheitsbereichs erhalten durch bestimmte Sonderregelungen u. a. die Möglichkeit, Bauten an bestimmte Bedingungen anzupassen. Im Maßregelvollzug z. B. gibt es für die Patienten nicht die Möglichkeit, einfach ins Freie zu gelangen. Es muss jedoch sichergestellt sein, sie innerhalb des Gebäudes in einen sicheren Bereich begleiten oder außerhalb des Gebäudes in einem ebenfalls gesicherten Bereich unterbringen zu können, der nicht vom Schadensereignis betroffen ist.
Solche Sonderreglungen müssen jedoch mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt werden; die Möglichkeit der Einrichtung von Sonderregelungen wird in der LBO unter § 38 Sonderbauten beschrieben. Solche oder ähnliche Regelungen gibt es in vielen Landesbauordnungen; dazu sollte man sich jeweils vor der Planung eines Bauvorhabens informieren.
Die wichtigsten Regelungen sind darüber hinaus in der Richtlinie über elektrische Verriegelungssysteme von Türen in Rettungswegen (ELTVR), in aktueller Fassung vom 01.05.1999, geregelt. Darin werden die meisten Bedingungen beschrieben, die eine elektrische Verriegelung erfüllen muss, z. B. dass die Steuerung der elektrischen Verriegelung so beschaffen sein muss, dass sie die Öffnung der Fluchttür nicht verzögert. Somit dienen diese Richtlinien als eine Art Kompass bei der Planung eines neuen elektrischen Verriegelungssystems.
Bei allen Bauten oder Veränderungen im Betrieb muss zudem das Arbeitsstättenrecht berücksichtigt werden. Sollten in einigen Fällen höherwertige Schutzmaßnahmen o. Ä. gefordert werden, sind stets diese umzusetzen.
Auch in Einrichtungen abseits des Maßregelvollzugs, z. B. geschlossenen Stationen, müssen diverse Unfallverhütungsvorschriften beachtet werden. Unter anderem wird in ihnen genau beschrieben, wie ein Fluchtweg ausgeführt sein muss: „Der Unternehmer hat Maßnahmen zu treffen, die es den Versicherten bei unmittelbarer erheblicher Gefahr ermöglichen, sich durch sofortiges Verlassen der Arbeitsstätte in Sicherheit zu bringen" (DGUV Vorschrift 1 § 21 Absatz 2). Das heißt, wenn spezielle Sicherungen für Patienten nötig sind, muss das Personal jederzeit die Möglichkeit haben, mit Sicherheitsschlüssel oder Chipkarte eine sofortige Fluchtmöglichkeit zu schaffen, um so sich selbst und auch die zu betreuenden Personen in Sicherheit zu bringen.
Weiter ist eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, wie sie im § 5 ArbSchG gefordert wird. Der Arbeitgeber hat in ihr besondere Gefahren für den Arbeitnehmer herauszustellen und muss diese beim Bau von elektrischen Sicherungsanlagen beachten, um Gefahren vorab auszuschließen oder erkennen zu können.
Auszug verschiedener elektronischer Verriegelungssysteme
An dieser Stelle sollen verschiedene Systemarten vorgestellt werden, die mir aus Einrichtungen bekannt sind und die mich in der Praxis überzeugt haben.
Grundsätzlich wird ein elektrisches Verriegelungssystem als eine Einrichtung beschrieben, die die Betätigung eines elektrischen Betriebsmittels vom Zustand, der Stellung oder der Betätigung eines oder mehrerer anderer Betriebsmittel abhängig macht.
Die Systeme werden in vielen Einrichtungen immer mehr als deutliche Stärkung des Sicherheitsfaktors betrachtet. Jede Einrichtung im Gesundheitswesen kennt Fälle von Entweichungen. Diese werden medial oft stark aufbereitet, sind häufig gefährlich für z. B. demenziell Erkrankte und zudem auch rufschädigend für die betroffenen Betriebe.
Beispiel 1: Tagalarm
Dies ist die einfachste Lösung im Bereich der elektrischen Schließsysteme. Es gibt lediglich einen akustischen Alarm beim Betätigen der Klinke. Zudem kann noch ein Sicherheitshinweis angebracht werden, dass die Tür alarmgesichert ist. Die Akustik sowie der Warnhinweis sollen die Fluchtschwelle erhöhen, damit von einer Entweichung abgesehen wird.
Beispiel 2: Türwächter
Diese Art der Sicherung gleicht der regulären Türoptik, es ist lediglich unter der Klinke ein sogenannter Türwächter angebracht. Die Klinke wird auf diesen aufgesetzt, es wird beim Betätigen der Klinke ein akustisches Signal ausgelöst. Dieses Signal kann zudem auf eine Stationszentrale o. Ä. geschaltet werden, um Personal auf die Betätigung aufmerksam zu machen. Die Anlage kann nur vom Personal und mittels entsprechender Schließtechnik zurückgesetzt werden.

Beispiel 3: Panikbeschlag
Die ist eine Verriegelungsart, die sehr oft in Sporthallen, Festhallen o. ä. Gebäudekomplexen verbaut wird. Aus der Praxis kennt man sie zur Sicherung von Räumlichkeiten mit vielen Personen, um eine schnelle Fluchtmöglichkeit sicherzustellen (Abb. 2).
Diese Art der Sicherungseinrichtung gibt es in zwei unterschiedlichen Varianten. Variante 1 setzt eher auf Abschreckung durch den Tausch der Klinke gegen einen Griff, der über die komplette Tür verläuft. Oft ist zudem noch ein Warnhinweis angebracht. Es besteht die Möglichkeit, einen akustischen Alarm einzufügen. Bei Variante 2 wird ebenfalls die Klinke ersetzt, jedoch ist die Tür noch einmal mit weiteren Warnsystemen gesichert. So löst bei einmaligem Betätigen des Griffs lediglich ein akustischer Alarm aus, die Tür lässt sich jedoch nicht öffnen. Beim zweiten Betätigen öffnet die Tür, oder es bedarf zusätzlich der Eingabe eines Mitarbeiterchips zum Öffnen.
Solche Lösungen werden zumeist in Pflegeheimen verbaut, um Entweichungen bei direkten Ausgängen ins Freie zu verhindern oder den Fluchtstrom zu Türen zu lenken, die in gesicherte Bereiche führen. Solche Lösungen müssen jedoch, wie eingangs erwähnt, geprüft und abgenommen werden.

Beispiel 4: Anlageüberwachte Systeme
Unter diesem Punkt werden verschiedene Lösungen zusammengefasst, denen gemeinsam ist, dass es eine zentrale Überwachungsstelle gibt (z. B. eine Brandmeldeanlage) die die Tür nach Alarmauslösung freigibt. Solche Systeme sind zusätzlich mit Batterien o. Ä. gegen einen Stromausfall gesichert.
Ein dem Autor aus der Praxis bekanntes System sichert so z. B. eine therapeutische Wohngruppe ab, die lediglich tagsüber durch Personal zeitweise betreut wird. Die Bewohner verfügen über einen Schlüssel, um selbstständig die Station zu verlassen. Dies ist jedoch nur zu einer Seite des Gebäudes hin möglich: Im anderen Trakt sind Verwaltungseinrichtungen untergebracht. Der Zugang zu diesem Trakt ist durch eine elektrische Anlage gesichert, die lediglich im Alarmfall öffnet. Im Tagesgeschäft kann sie mit einem Schlüssel des Personals geöffnet werden und hat zusätzlich eine Alarmsicherung, die bei zu langer Öffnung durch Schlüsselfreigabe einen Alarm auslöst (Abb. 3).
Einbau, Wartung und Betrieb
Drei wichtige Punkte muss jedes elektrische Schließsystem stets erfüllen. Es muss zum einen garantiert sein, dass die Tür jederzeit sofort auf Befehl öffnet (wie z. B. über eine Brandmeldeanlage). Zweitens müssen Betriebsleuchten eindeutig den Schließzustand signalisieren. Drittens muss der Notfalltaster für jede Person zugänglich sein; dies schließt insbesondere Rollstuhlfahrer und Kinder ein.
Vor Einbau und Inbetriebnahme der Anlage müssen weitere notwendige Maßnahmen beachtet werden. Dies beginnt bereits beim Hersteller der Anlage, der nachweisen muss, dass er die Schließanlage verbauen darf. Zudem muss ein Sachkundiger die Tür abnehmen und den korrekten Einbau bestätigen. Eine Nachweispflicht, dass der Sachkundige die Anlage prüfen darf, versteht sich dabei von selbst.
Für den Betreiber bestehen weitere Prüfpflichten. Dazu zählen monatliche Prüfungen der elektrischen Schließsysteme auf Funktionalität und Manipulation. Vor allem im Maßregelvollzug kommt es erfahrungsgemäß immer wieder zu Versuchen, die Türschließung durch Verstopfen des Zylinders, des Schließblechs o. Ä. zu manipulieren. Bei allen Wartungen und Prüfungen sind die Herstellerangaben zu beachten. Eine einfache Funktionskontrolle kann vom eigenen Personal durchgeführt werden, z. B. im Zuge einer Brandschutzbegehung, oder vom Haustechniker. Einmal pro Jahr muss eine Wartung durch sachkundiges Personal erfolgen.
Ein weiterer kritischer Blick sollte dann der Tür selbst gelten: Gibt es unzulässige An- oder Aufbauten, die die Funktionsweise der Sicherheitseinrichtung beeinträchtigen? Es dürfen nur vom Hersteller genehmigte Veränderungen vorgenommen werden. Kabelführungen auf dem Türblatt, der Austausch des Schlosses gegen selbstschließende Zylinder oder auch das Anbringen von Hinweisschildern direkt auf dem Türblatt können gestattet sein, wenn dies mit dem Antragsteller der Zulassung und dem Hersteller abgeklärt ist.
Jegliche Eingriffe in Flucht- und Rettungswegeinrichtungen sind stets kritisch zu betrachten, vor allem im Hinblick darauf, dass alle Einrichtungen regelmäßig gewartet und kontrolliert werden müssen. Sollten Wartungspflichten nicht erfüllt oder stets aufgeschoben werden, kann dies erhebliche Konsequenzen haben. Im Haftungsrecht trifft den Betreiber im Fall der Verletzung der Verkehrssicherheitspflicht in vollem Umfang die Schuld für entstandene Schäden, Verletzungen etc. Eine Gewährleistung des Herstellers erlischt ebenfalls bei Aufschieben bzw. Nichterfüllung der Wartungspflichten. Auch Sanktionen durch die Baubehörde sind nicht ausgeschlossen. Da es jedoch um das Wohl von Patienten, Bewohnern und Mitarbeitern geht, sollten Verstöße gegen die Wartungspflicht in sinnvoller Weise geahndet werden.
Fazit
Wie einst Alexander Graham Bell schon sagte: „Vorbereitung ist vor allem der Schlüssel zum Erfolg.“ So verhält es sich auch in Bezug auf elektrische Sicherungssysteme. Es gibt viele Angebote am Markt, zudem viele Krankheitsbilder und Einschränkungen, die unterschiedlichste Maßnahmen erfordern. Der Einbau solcher Systeme sollte gut bedacht und vorbereitet sein, es sollte vorab sichergestellt sein, das z. B. eigene Kräfte bestimmte Wartungen und Prüfungen durchführen können. So spart man sich oftmals teure Wartungsverträge.
[1] § 1906 BGB bis 31.12.2022: Genehmigung des Betreuungsgerichtsbei freiheitsentziehender Unterbringung und beifreiheitsentziehenden Maßnahmen. https://dejure.org/gesetze/BGB_bis_31.12.2022/1906.html
[2] Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) in derFassung vom 5. März 2010. www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/jlr-BauOBW2010V12IVZ