Holzfaserdämmstoff mit unterschiedlichen Flammschutzmitteln aus nachwachsenden Roh- und Reststoffe
Abb. 1: Holzfaserdämmstoff mit unterschiedlichen NawaRo-Flammschutzmitteln (Quelle: TU Dresden)

Forschung 3. December 2021 Flammschutzmittel auf der Basis nachwachsender Roh- und Reststoffe

Das Institut für Pflanzen- und Holzchemie (IPHC) und die Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik (HFT) an der TU Dresden arbeiten seit einigen Jahren an der Entwicklung bzw. Bewertung und Applikation von Flammschutzmitteln auf der Basis nachwachsender Roh- und Reststoffe. Damit kommen die Forscherinnen und Forscher dem zunehmenden Wunsch nach ganzheitlichen Materialien nach.

Konventionelle Flammschutzmittel (FSM) sind aufgrund ihrer Wirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit umstritten. Deren Einsatz wird außerdem zunehmend gesetzlich limitiert. Vor allem bei der Verwendung ökologischer Bau- und Dämmstoffe wächst zudem der Wunsch nach der Nutzung ganzheitlich nachhaltiger Materialien.

Ausgehend von mittels Phosphat-Carbamatisierung modifizierter Stärke wurden und werden an der Technischen Universität (TU) Dresden weitere nachwachsende Roh- und Reststoffe (NawaRo) im Hinblick auf ihre Eignung als FSM untersucht [1], [2].

Herstellung stärkebasierter Flammschutzmittel mittels Extrudertechnologie
Abb. 2: Herstellung stärkebasierter Flammschutzmittel mittels Extrudertechnologie (Quelle: Jäckering Mühlen- und Nährmittelwerke GmbH)

Synthese in verschiedenen Maßstäben

Die Herstellung der Flammschutzmittel erfolgt durch Phosphatierung der jeweiligen Ausgangsstoffe bei Temperaturen oberhalb von 140 °C in geschmolzenem Harnstoff.

Dabei variiert das molare Verhältnis zwischen Ausgangsstoffen, Phosphatierungsmitteln und Harnstoff. Die Synthesen werden am IPHC im Ofen oder mittels Laborkneter der Firma Werner & Pfleiderer in verschiedenen Maßstäben durchgeführt. Die Phosphat-Carbamatisierung von Stärke konnte bereits erfolgreich in den technischen Maßstab übertragen werden [3].

In Zusammenarbeit mit der Jäckering Mühlen- und Nährmittelwerke GmbH wurde mittels Extruder (siehe Abb. 2) etwa eine Tonne stärkebasiertes Flammschutzmittel hergestellt, getestet und in Holzfaserdämmstoffplatten appliziert. Parallel zu Stärke wurden u.a. Weizenprotein (Weipro) und Ablaugen der Zellstoffherstellung als Ausgangsstoffe für FSM untersucht [4], [5].

Eine weitere aussichtsreiche Entwicklung wird mit der Modifizierung von Extraktstoffen verfolgt. Nach der erfolgreichen Modifizierung von Tannin als Modellsubstanz wurde die Eignung von Rindenextrakten und nativer Rinde untersucht [6]. Mit der direkten Verwendung von Eichenrinde, die einen Extraktstoffgehalt von etwa 25 % aufweist, kann ein in der Holzindustrie anfallender Reststoff stofflich verwertet und damit ein relativ kostengünstiges Flammschutzmittel hergestellt werden [7]. Das rindenbasierte FSM wurde sowohl mittels Kneter (IPHC und Häffner GmbH & Co. KG) als auch, in Kooperation mit der papiertechnischen Stiftung PTS, an einem Laborextruder hergestellt.

Grafik: Thermogravimetrische Analyse von Flammschutzmitteln
Abb. 3: Thermogravimetrische Analyse von Flammschutzmitteln (Quelle: TU Dresden)

Charakterisierung der Flammschutzmittel

Die Charakterisierung der Flammschutzmittel erfolgte mittels Thermogravimetrischer Analyse an einem STA 449 F5 Jupiter (Netzsch GmbH). Als Vergleichsprobe diente ein konventionelles Flammschutzmittel auf der Basis anorganischer Salze. In Abb. 3 sind die Ergebnisse ausgewählter Messungen dargestellt. Gezeigt wird der temperaturabhängige Masseverlust der Flammschutzmittel-Proben.

Die Masse der NawaRo-FSM verringert sich zunächst schneller als die der konventionellen Probe. Bei Temperaturen oberhalb von 400 °C kehrt sich dieser Trend um, der Abbau des konventionellen FSM ist bei 450 °C abgeschlossen. Während das stärkebasierte FSM bei Temperaturen oberhalb von 600 °C stark abgebaut wird, verringerte sich die Masse der FSM auf der Basis von Weipro und Eichenrinde nur langsam.

Beide Proben weisen auch oberhalb von 700 °C noch Restmassen von etwa 30 % auf, was auf eine langanhaltende Flammschutzwirkung schließen lässt.

Weiterhin wurden Phosphat- und Stickstoffgehalte der FSM-Proben bestimmt. Bei Phosphatgehalten von über 20 % und N-Gehalten von etwa 8 % ist von einer guten Wirkung der Flammschutzmittel in Dämmstoffen auszugehen.

Applikationen der FSM und Prüfung der Dämmstoffe

Im Rahmen von ZIM- und FNR-Projekten mit verschiedenen Partnern wurden unterschiedliche NawaRo-Flammschutzmittel weiterentwickelt sowie an verschiedenen Dämmstoffen appliziert und getestet.

FSM auf der Basis von Stärke und Weipro lösen sich gut in Wasser und können daher feucht appliziert werden, was eine relativ homogene Verteilung in holzbasierten Dämmstoffen (siehe Abb. 1) und eine sehr hohe Wiederfindungsrate (bis zu 100 %) ermöglicht. Von diesen Flammschutzmitteln standen teilweise mehr als 100 kg zur Verfügung, die Applikation an Holzfaserdämmstoffplatten konnte im technischen Maßstab im GUTEX Holzfaserplattenwerk realisiert werden.

Bei Zugabe von 10 % FSM erfüllen die Platten (wie bei Verwendung konventioneller FSM) die Anforderung „normal entflammbar“ nach DIN 13501-1 [8]. Mit einer Steigerung der Einsatzmenge konnte im Rahmen des FNR-Projekts NawaRo Dämmstoffe (FKZ 22005816) die Anforderung „schwer entflammbar“ (C-s1-d0) erreicht werden.

Optimierung der Applikation erforderlich

Die Applikation der rindenbasierten FSM an Zeitungsaltpapier erfolgte nach Mahlung im trockenen Zustand in einem Trommelmischer (Drais FSP 80). Am Lehrstuhl HFT durchgeführte Versuche mittels Kleinbrennertest nach DIN EN ISO 11925 [9] zeigten, dass mit Zugabe von 10 % rindenbasiertem FSM die Anforderung „normal entflammbar“ sicher erreicht werden kann. Während der Durchführung von Industrieversuchen bei der Dämmstatt GmbH ergab sich aufgrund der nicht optimalen Applikation eine sehr inhomogene Verteilung des FSM im Altpapierdämmstoff. Darauf weisen die stark schwankenden Wiederfindungsraten (30–80 %) hin. Um die homogene Verteilung und damit die Flammschutzwirkung zu verbessern, ist eine Optimierung der Applikation erforderlich.

Fazit

An der TU Dresden wurden in den letzten Jahren mehrere nachwachsende Roh- und  Reststoffe modifiziert und erfolgreich auf ihre Eignung als FSM sowie Applikationsmöglichkeiten an Dämmstoffen getestet. Für den Einsatz von NawaRo-FSM ergeben sich zahlreiche weitere Möglichkeiten, so z.B. in der Elektronik, in Lacken oder Kunststoffen.

Literatur / Quellen

[1] Heinze, D. Klemm, E. Unger, und F. Pieschel „New starch phosphate carbamides of high swelling ability: synthesis and characterization“, Starch-Stärke, Bd. 55, Nr. 2, S. 55–60, 2003

[2] L. Passauer, S. Fischer, H. Bender, S. Tech, und A. Wagenführ „Flammschutzmittel aufweisend stickstoff- und phosphorhaltige Polysaccharidderivate sowie deren Verwendung zur Verbesserung der Flammschutzeigenschaften von Holz und Holzverbundwerkstoffen“, WO2013135890, 2013

[3] S. Gebke, K. Thümmler, R. Sonnier, S. Tech, A. Wagenführ, und S. Fischer „Flame Retardancy of Wood Fiber Materials Using Phosphorus-Modified Wheat Starch“, Molecules, Bd. 25, Nr. 2, S. 335, 2020

[4] S. Gebke, K. Thümmler, R. Sonnier, S. Tech, A. Wagenführ, und S. Fischer „Suitability and Modification of Different Renewable Materials as Feedstock for Sustainable Flame Retardants“, Molecules, Bd. 25, Nr. 21, 5122, 2020, doi: 10.3390/molecules25215122

[5] A. Jahn, K. Thümmler, S. Gebke, M. Kahl, I. Aubel, S. Fischer, M. Bertau „Utilization of Hemicelluloses as Example for Holistic Recovery of Agricultural Residues“, Chem. Ing. Tech., Bd. 92, Nr. 11, S. 1764–1771, 2020, doi: https://doi.org/10.1002/cite.202000080.

[6] S. Fischer, K. Thümmler, S. Gebke, H. Unbehaun, A. Wagenführ, und H. Delenk „Flammschutzmittel und Verfahren zur Herstellung des Flammsch utzmittels sowie dessen Verwendung.“, EP 3540027, 2020

[7] L. Hofmann, H. Delenk, H. Unbehaun, A. Feldner, A. Mensch, und K. Thümmler „Rindenbasierte Flammschutzmittel für Zellulosedämmstoffe“, Holztechnologie, Bd. 61, Nr. 3, S. 5–10, 2020

[8] DIN EN 13501-1 Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten

[9] DIN EN ISO 11925-2 Prüfungen zum Brandverhalten – Entzündbarkeit von Produkten bei direkter Flammeneinwirkung – Teil 2: Einzelflammentest

Danksagung der Autor*innen: Die diesem Beitrag zugrundeliegenden Arbeiten wurden im Rahmen verschiedener Vorhaben aus Mitteln des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) und der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) gefördert. Die Autor*innen danken für die gewährte finanzielle Unterstützung.

Der Artikel ist in Ausgabe 5.2021 des FeuerTrutz Magazins (Oktober 2021) erschienen.
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zuletzt editiert am 06.12.2021