FeuerTrutz Magazin 1-2020: Hintergründe zum Nachweis des Glimmverhaltens
Abb. 1: Mineralwolle-Dämmstoff in einer feuerwiderstandsfähigen Trennwand. Das Glimmverhalten nichtbrennbarer Mineralwolle-Dämmstoffe war einer der drei Klagepunkte im EugH-Urteil zu den Bauregellisten. (Bild: Udo Struensee)

Planung | Ausführung 16. March 2020 Hintergründe zum Nachweis des Glimmverhaltens

Das Glimmverhalten von Faserdämmstoffen ist eines der prominenten Themen rund um die Reform des Bauproduktenrechts seit dem EuGH-Urteil vom Oktober 2014. Inzwischen existiert ein europäisches Prüfverfahren, mit dem nach der Prioritätenliste des DIBt der Nachweis geführt werden kann, dass ein Bauprodukt nicht glimmt. Der Beitrag erläutert die Hintergründe zum Nachweis des Glimmverhaltens.

Von Hanno Werning, Maximilian Denkl und Odette Moarcas. Dass bestimmte Baustoffe oder Bauprodukte zum kontinuierlichen Schwelen und/oder Glimmen neigen können, ist seit Langem bekannt. Die Tagespresse berichtet immer wieder über Fälle, bei denen sich durch Schwelen oder Glimmen ein Brand entlang von mit Dämmstoffen gefüllten Fugen innerhalb eines Bauwerks ausbreitet ("Dehnfugenbrände"), aber auch über andere Schwelbrände überwiegend in Dämmschichten.

Besonders bekannt ist ein Fall mit einem Todesopfer aus Karlsruhe im Jahr 2013. Die in den MBO § 14 entsprechenden LBO-Regelungen geforderten "wirksamen Löscharbeiten" sind in diesen Fällen häufig nicht möglich.

DIN EN 16733:2016 definiert:

Schwelen: Verbrennung eines Materials ohne Flammenbildung und mit oder ohne sichtbares Licht. Schwelen ist der Oberbegriff, der das Glimmen einschließt.

Fortschreitendes Schwelen: Selbstständiges Ausbreiten einer exothermischen Oxidation ohne Verbrennung mit Flammenerscheinung; dies kann mit Glimmen einhergehen.

Glimmen: Brennen eines Werkstoffs im festen Aggregatzustand ohne Flamme, jedoch mit Emission von Licht aus dem Verbrennungsbereich.

Der Artikel ist auch in Ausgabe 1.2020 des FeuerTrutz Magazins (Februar 2019) erschienen.

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Sicht der deutschen Bauaufsicht

Aus Sicht der deutschen Bauaufsicht wurde bei der Ermittlung des Brandverhaltens nach DIN 4102-1 [1] für nichtbrennbare und schwerentflammbare Baustoffe hinreichend gezeigt, dass diese nicht schwelen. Dies spiegelt sich in den Formulierungen in der MVV TB 2017/1 [2]:

"Bei baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen, bei denen die Anforderungen nichtbrennbar oder schwerentflammbar gestellt werden, ist sicherzustellen, dass es nicht durch unbemerktes fortschreitendes Glimmen und/oder Schwelen zu einer Brandausbreitung kommen kann. … Die(se) Anforderungen können mit Baustoffen erfüllt werden, die dauerhaft bei Einwirkung eines Brandes nach DIN 4102-1:1998-05, Abschnitt …, die dort angegebenen Kriterien einhalten und nach Abschnitt … klassifiziert sind". Es wird davon ausgegangen, dass glimmende Baustoffe die Klasse A1 nach DIN 4102-1 gar nicht erreichen können. In der für die Klassen A2 und B1 notwendigen Brandschachtprüfung ist ein wesent­licher Aspekt, dass die Beurteilung der Klassifizierungskriterien erst nach dem Ende etwaigen Schwelens oder Glimmens erfolgt. Glimmende Baustoffe würden die mindestens erforderlichen unverbrannten Restlängen nicht unterschreiten.

Glimmverhalten in DIN 4102-1-Klassen impliziert

Das bedeutet: Selbst, wenn ein Baustoff in der Brandschachtprüfung länger nachglimmt, aber schließlich selbst verlöscht und nach Ende aller Verbrennungsphänomene die Klassifizierungskriterien für die Einstufung in die Klasse A2 oder B1 eingehalten sind, gilt sein Schwel- und Glimmverhalten als für nichtbrennbare bzw. schwerentflammbare Baustoffe unbedenklich und hinnehmbar. Die langjährige nationale Verknüpfung zwischen den bauaufsichtlichen Anforderungen nichtbrennbar und schwerentflammbar mit den Baustoffklassen A1 und A2 bzw. B1 nach DIN 4102-1 begründet jedenfalls das bestehende nationale Sicherheitsniveau in Deutschland, das gemäß den Erwägungsgründen der BauPVO, insbesondere Erwägungsgrund 47, im Zuständigkeitsbereich des Mitgliedstaats liegt und beibehalten werden darf.

Euroklassen des Brandverhaltens

Schon seit Langem wurden in der Bauregelliste (BRL) A, Teil 1, Anlage 0.2.2 die möglichen europäischen Klassifizierungen des Brandverhaltens von Bauprodukten nach (DIN) EN 13501-1 [3] den bauaufsichtlichen Anforderungen zugeordnet. Zugleich erging jedoch über eine Fußnote in der Zuordnungstabelle der Hinweis: "In den europäischen Prüf- und Klassifizierregeln ist das Glimmverhalten von Baustoffen nicht erfasst. Für Verwendungen, in denen das Glimmverhalten erforderlich ist, ist das Glimmverhalten nach nationalen Regeln nachzuweisen."

Dieser Hinweis basiert auf der Tatsache, dass die für die Klassifizierung A2 bis D nach EN 13501-1 notwendige SBI-Prüfung nach einer bestimmten Prüfzeit beendet wird. Ob der geprüfte Baustoff nachglimmt oder schwelt, beeinflusst die Klassifizierung nicht. In der BRL B Teil 1 wurde deswegen für bestimmte Bauprodukte im Anwendungsbereich von harmonisierten europäischen Normen für Bauprodukte gefordert, dass das "… Glimmverhalten von Baustoffen, die nach DIN EN 13501-1 in die Klasse A2, B oder C eingestuft werden [also Baustoffe, die den bauaufsichtlichen Anforderungen "nichtbrennbar" und "schwerentflammbar" zugeordnet sind, und deren Klassifizierung ein SBI-Test zugrunde liegt], … zusätzlich durch Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nachzuweisen" ist.

EuGH-Urteil

Der europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.10.2014 diese pauschale Forderung nach einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für die Verwendbarkeit der betroffenen Produkte, konkret bei Wärmedämmstoffen aus Mineralwolle (EN 13162), für unzulässig erklärt. Als Konsequenz aus dem EUGH-Urteil wurden die entsprechenden Passagen der BRL bis 2016 gestrichen. Seitdem wird versucht, Anforderungen an die Bauwerke zu formulieren, nicht an einzelne Bauprodukte. Dies zeigt sich exemplarisch schon an der Überarbeitung der ehemaligen Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB).

In der Ankündigung der M-LTB 2014/09 hieß es noch: "… Baustoffe, die nach den Landesbauordnungen die Anforderung schwerentflammbar oder nichtbrennbar erfüllen müssen, dürfen nicht glimmen und/oder schwelen." Für die endgültige Fassung der M-LTB 2014/09 wurde die Regelung von unmittelbar baustoffbezogen auf bauwerksbezogen geändert: "Bei baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen, bei denen die Anforderungen nichtbrennbar oder schwerentflammbar gestellt werden, ist sicherzustellen, dass es nicht durch unbemerktes fortschreitendes Glimmen und/oder Schwelen zu einer Brandausbreitung … kommen kann." Diese Formulierung ist weitgehend identisch mit der MVV TB 2017/1.

Nachweismöglichkeiten

Die (unveränderte) Forderung ist bei der Planung des Bauwerks zu berücksichtigen. Das Schutzziel, dass es nicht durch unbemerktes fortschreitendes Glimmen und/oder Schwelen zu einer Brandausbreitung kommen kann, lässt sich durch (mindestens) zwei ­verschiedene Möglichkeiten erreichen:

  • Mit konstruktiven Maßnahmen, z.B. durch Unterteilung in hinreichend kleine Bereiche, in denen unbemerktes fortschreitendes Schwelen auftreten kann, mittels bekanntermaßen nicht schwelgefährdeter Baustoffe, die eine Brandausbreitung in den nächsten (kleinen) Bereich verhindern.
  • Es werden Produkte verwendet, die nachweislich kein fortschreitendes Schwelen zeigen.

Zu a) fehlt es an anerkannt funktionierenden Methoden, es existiert keine Konkretisierung. Ein Nachweis, dass das Schutzziel erfüllt wird, fällt entsprechend schwer.

Zu b) führten die "Prioritätenliste" des DIBt sowie Mitteilungen der Obersten Bauaufsichtsbehörden an, dass der Nachweis über einen Prüfbericht nach (DIN) EN 16733 – mit dem Ergebnis "die Prüfung wurde bestanden: das Produkt zeigt keine Neigung zum kontinuierlichen Schwelen" – erfolgen kann. Wird ein entsprechender Prüfbericht vorgelegt, sollten die Verwender der Baustoffe vom Hersteller auch eine zivilrechtliche Bestätigung fordern, dass die gelieferten Produkte mit den getesteten Produkten übereinstimmen.

Die zwischenzeitlich vorgeschlagene Lösung über eine "Weiter-Nutzung" von ehemaligen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (deren Aussage über das "Nicht-Glimmen" auf Brandschachtprüfungen der Produkte basierte) als Basis einer "technischen Dokumentation" im Sinne von MVV TB D 3 soll nicht mehr genutzt werden. Alternativ ist auch der Nachweis über eine Europäische Technische Bewertung (ETA) mit Merkmal "Glimmverhalten" und Leistungsangabe wie zuvor möglich; aufgrund des langwierigen Weges bis zu einer solchen ETA hat diese Lösung jedoch wohl kaum praktische Relevanz.

Im bis September 2019 zur europäischen Notifizierung vorgestellten Entwurf einer Neufassung der MVV TB wurde die bauwerksbezogene Formulierung in A 2.1.2.1 zwar beibehalten.

Im überarbeiteten Anhang 4 zur neuen MVV TB wird aber für Bauprodukte aus dem Anwendungsbereich mehrerer konkreter harmonisierter Normen die Leistungsangabe gefordert, dass – wenn diese Produkte nichtbrennbar oder schwerentflammbar sein müssen – sie nicht glimmen dürfen. Während die Benennung konkreter Produkte sehr positiv ist, ist es bedauerlich, dass die konstruktive Lösungsmöglichkeit dadurch ausgeschlossen ist. Ob die Änderung wie angekündigt in Kraft tritt, bleibt abzuwarten. […]

Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 1.2020 des FeuerTrutz Magazins (Februar 2020) erschienen. Dort wird außerdem das europäische Prüfverfahren erläutert und anhand von Fotos die Prüfung des Schwel- und Glimmverhaltens am Beispiel eines Baustoffs für Schallabsorber gezeigt. Der Beitrag behandelt weiterhin die Entwicklung auf europäischer Ebene und die Folgen für Planer und Verwender.

Autoren

Dipl.-Ing. (FH) Hanno Werning: Technischer Angestellter Technische Hochschule Rosenheim, Fakultät für Holztechnik und Bau, Mitarbeiter in NA 005-52-04 AA "Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Klassifizierung (Katalog)" und NA 005-09-10 AA "Gips und Gipsprodukte" sowie EN/TC 241/WG 3 "Board products". Freiberufliche Nebentätigkeit als Planer und Berater zum Brandschutz im Innenausbau, Referent, Fachautor

Dr. Odette Moarcas : Prüfstellenleiterin Brand – Baustoffe und stv. Prüfstellenleiterin Geschäftsbereich Baustoffe & Halbzeuge bei der ift Rosenheim GmbH

B.Eng. Maximilian Denkl:
Laboringenieur bei der ift Rosenheim GmbH, zuvor Student im Studiengang "Holzbau und Ausbau" an der Technischen Hochschule Rosenheim

Literatur

[1] DIN 4102-1 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 1

[2] MVV-TB 2017/1

[3] DIN EN 13501-1 Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten – Teil 1

[4] DIN EN 16733 Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Bestimmung der Neigung eines Bauprodukts zum kontinuierlichen Schwelen

zuletzt editiert am 27.04.2021