Zu Belangen des vorbeugenden Brandschutzes werden Bauherren und Planende immer häufiger an das "Amt für vorbeugenden Brandschutz" verwiesen. Fragt man bei Architekten nach, so ist der weitaus größte Teil fest davon überzeugt, dass die abschließende Beurteilung bauordnungsrechtlicher Brandschutzfragen nicht beim zuständigen Bauordnungsamt, sondern bei den Brandschutzdienststellen liegt.
In der Serie "Mythen des Brandschutzes" betrachten die Autoren im Wechsel unterschiedliche Aspekte, um vorhandene rechtliche Möglichkeiten und Zuständigkeiten richtig auszulegen, zu interpretieren und Verständnis für die jeweils andere Haltung zu wecken. Dieser Beitrag befasst sich mit der Zuständigkeit beteiligter Stellen.

Ein Beispiel: Nachdem der Bauantrag zum Umbau einer Kirche zu Wohnzwecken (s. Abb. 1) eingereicht und in Abstimmung mit Bauaufsicht und Feuerwehr mehrfach angepasst worden war, erhielt der Bauherr von der Bauaufsicht statt der erwarteten Genehmigung eine Mail, wonach dem Brandschutzkonzept "aus Sicht des vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutzes […] nicht zugestimmt würde", inklusive einer ca. zweiseitigen Aufzählung, in der sowohl weitergehende Anforderungen als auch Anpassungen an den nicht antragsgegenständlichen Bestand aufgelistet wurden.
Dem Bauherrn wurden drei Möglichkeiten eingeräumt:
- sich schriftlich zu äußern,
- die Genehmigungsfähigkeit durch Umplanung herbeizuführen oder
- den Bauantrag zurückzuziehen,
"da wir andernfalls gehalten sind, den Antrag abzulehnen".
Der Bauherr nutze die Möglichkeit, sich schriftlich zu äußern, zumal (in Niedersachsen seit dem 17.11.2020) Anpassungsverlangen nicht zulässig seien, wenn Wohnraum geschaffen werde.
Ohne Würdigung der ebenfalls vorgetragenen Sachargumente wurde dem Bauherrn mitgeteilt, dass seine Antworten nichts an der bestehenden Einschätzung änderten und der Bauantrag daher zeitnah abgelehnt werde. Den [also allen] Bedenken der Feuerwehr könne gefolgt werden, Anleiterproben würden nicht durchgeführt, der Bestandsschutz werde entfallen etc. Vor die Wahl gestellt, den kompletten Bauantrag zurückzuerhalten, sagte der Bauherr noch am selben Tag zu, den Bauantrag selbst so zu ändern, dass er den Wünschen der Feuerwehr entspreche.
Außerhalb des dafür vorgesehenen Verfahrens verzichtete der Bauherr damit – wie schon viele Bauwillige vor ihm – auf jedes Recht des Widerspruchs, da durch eigene Beantragung Bauanträge nach § 39 (2) VwVfG nur noch „antragsgemäß“ genehmigt werden. Selbst übertriebenste Anforderungen entziehen sich so seit Jahren erfolgreich sowohl einer sachlichen als auch einer gerichtlichen Klärung. Näheres zum auflagenfreien bzw. Bypass-Verfahren siehe [1].
Eine Gegenüberstellung der gutachterlichen Äußerungen der Brandschutzdienststelle mit der geforderten Anpassung ergab, dass diese ohne erkennbare Ermessensentscheidung 1:1 (Copy and Paste) übernommen wurden, und es stellt sich wieder einmal die grundsätzliche Frage: Wer prüft hier eigentlich wen? Auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchem Maßstab?
Im übertragenen Wirkungskreis
Die Prüfung von Bauanträgen ist Ländersache und wird über das (hier niedersächsische) Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) geregelt. Gemäß § 4 NKomVG erfüllen Kommunen diese Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis, nach Weisung der Fachaufsichtsbehörden [2].
Fragen an die Fachaufsichtsbehörde
Zur Klärung der tatsächlichen Zuständigkeit ergingen, anhand 24 ausgewerteter und dokumentierter Fälle, in denen Brandschutzdienststellen über das dort beschriebene Bypass- bzw. 1:1-Verfahren oftmals abschließend über Belange des vorbeugenden Brandschutzes befanden, Anfragen an die Fachaufsicht, hier das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) [3]. Das MU äußerte sich wie folgt:
" Es ist nicht Aufgabe der Brandschutzprüferinnen und Brandschutzprüfer bzw. der für die Brandverhütungsschau bestellten Beschäftigten der Berufsfeuerwehren (Brandschutzdienststellen), für Bauaufsichtsbehörden, die nicht ausreichend mit geeigneten Fachkräften besetzt sind, die Beurteilung der bauordnungsrechtlichen Brandschutzfragen zu übernehmen ".
"Die Stellungnahmen der Brandschutzdienststellen im Baugenehmigungsverfahren sind gutachterliche Äußerungen einer sachverständigen Stelle. Über die Berücksichtigung von Anregungen und Bedenken der Brandschutzdienststellen und über vorgeschlagene Bedingungen oder Auflagen für die Baugenehmigung entscheiden daher die Bauaufsichtsbehörden. Diese tragen auch die Verantwortung dafür, dass für Bedingungen und Auflagen eine hinreichende Rechtsgrundlage vorhanden ist " . [4]
Diese Klarstellung hat jedoch einen blinden Fleck, da eine zunehmende Zahl von Sachbearbeitern der unteren Bauaufsicht das (kaum zu widerlegende) Argument vorträgt, dass sie bauordnungsrechtliche Brandschutzfragen nicht prüfen können, und uns daher auch weiterhin an die vermeintlich zuständige Brandschutzdienststelle verweisen, um sich dort zu „einigen“ [1].
Zum Instrument der Bedenken
Eine Möglichkeit dazu bietet der unbestimmte Rechtsbegriff der Bedenken. So darf z.B. der zweite Rettungsweg über Geräte der Feuerwehr führen, wenn nach § 33 (3) MBO bei Sonderbauten (in Niedersachsen ab zehn Personen), keine Bedenken bestehen. Anhand eigener Schutzziele entstehen hierbei nicht selten Anforderungen, die weit über das Baurecht (also das Recht zu bauen) hinausgehen, und „das Bauamt geht da mit“ (s. Abb. 2). Ob die dabei zugrunde gelegten Prämissen einer kritischen Überprüfung nach rechts- bzw. naturwissenschaftlichen Kriterien standhalten, darf bezweifelt werden [1].

Anfragen an die ARGEBAU

So ergingen zum Thema Rettungsraten anhand eines Referenzprojekts (s. Abb. 3) zwei Anfragen an die Bauministerkonferenz (ARGEBAU) [5], [6]. Die Antworten waren aufschlussreich:
„Die Schwelle von 100 Personen in Verbindung mit der Bestimmung des § 33 Abs. 3 Satz 2 MBO führt im Umkehrschluss zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich bei Gebäuden mit Räumen für bis zu 100 Personen die Führung des zweiten Rettungsweges über Rettungsgeräte der Feuerwehr zulässig ist“ [7].
„Die Grundanforderung des § 14 MBO – dass im Brandfall die Rettung von Menschen möglich sein muss – ist in der Tat nicht so verstehen, dass die erfolgreiche Rettung auch in jedem Einzelfall ‚garantiert‘ sein muss. Die genannte Grundanforderung der MBO stellt ab auf die Beschaffenheit einer baulichen Anlage, nicht auf die Erfolgsgarantie für eine Handlung (hier einer Rettungsaktion). [...] Festzustellen ist aber, dass diese Ermessensausübung Sache der Bauaufsichtsbehörde und nicht der Brandschutzdienststelle ist“ [8].
Diese Einschätzung entspricht damit auch dem Rd.-Erl. des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres (MI) vom 07.03.2014: „Die Prüfung der Eignung des zweiten Rettungsweges über Rettungsgeräte der Feuerwehr obliegt der unteren Bauaufsichtsbehörde“. „Die Brandschutzprüferinnen, Brandschutzprüfer und Abteilungen Vorbeugender Brandschutz der Berufsfeuerwehren (Brandschutzdienststellen) sollten nur in schwierigen [Einzel-]Fragen [Sonderbauten] ... Stellungnahmen erstellen“ [9].
Kernkompetenz der Brandschutzdienststellen
Wie in Abbildung 4 dargestellt, untergliedert sich die Zuständigkeit im Bauantragsverfahren in Belange des vorbeugenden Brandschutzes und Belange des bekämpfenden Brandschutzes, Letztere unstrittig Kernkompetenz der Feuerwehr.

Die Aufgaben des „Vorbeugenden Brandschutzes“ bei den Brandschutzdienststellen werden im BrandschG Teil 3 spezifiziert und umfassen folgende Aufgaben:
- Brandschutzerziehung,
- Brandsicherheitswache und
- Brandverhütungsschauen,
also durchgängig Aufgaben nach Erteilung einer Baugenehmigung.
Doch ungeachtet derartiger Klarstellungen stellen sich immer wieder Brandschutzdienststellen auf die Stufe von Brandschutzprüfingenieuren und erheben Anforderungen, die weit über das Baurecht hinausgehen, und „das Bauamt geht da mit“. Damit entscheiden sie de facto über Belange des vorbeugenden Brandschutzes – ohne Qualifikation eines Prüfingenieurs, ohne Bindung an die Verhältnismäßigkeit, ohne Würdigung des Bestandes und ohne je in Haftung genommen werden zu können. Natürlich gibt es auch Brandschutzdienststellen, die sich dem Positionspapier der Feuerwehr verpflichtet fühlen und sich als helfende Instanz verstehen - von diesen können wir alle lernen.
Architekt*innen und Brandschutzfachplanende stehen in dieser Gemengelage meist auf verlorenem Posten, zumal wenn deren Stellungnahmen "nicht akzeptiert werden" (Zitat) und sie für die unkritische Übernahme von Wünschen der Behörden auch noch zur Haftung gezogen werden können. Bei dieser "Haftungsverschiebung" ist größte Umsicht geboten, siehe BGH-Entscheidung [11]. [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 2.2022 des FeuerTrutz Magazins (März 2022) erschienen. Darin geht es außerdem um die Klärung von Standardfragen und die Autoren geben eine ausführliche Zusammenfassung mit Ausblick.
Quellen
[1] „Außentreppen vs. Rettungsgeräte der Feuerwehr alszweiter Rettungsweg“ DAB 07/2019 Abraham/RATill Fischer, *)
[2] Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG),vom 17.12.2010
[3] Anfrage/Fachaufsichtsbeschwerde der AG Brandschutz im Dialog an das MU, insbesondere vom 09.11.2019 und vom 18.01.2020, **)
[4] Antwort des MU vom 24.02.2020, siehe **)
[5] Anfragen an die ARGEBAU vom 21.02.2016 und vom 09.10.2016 ***)
[6] Anfragen an die ARGEBAU vom 21.02.2016 und vom 09.10.2016 ***)
[7] Antwort der ARGEBAU vom 06.06.2016 und vom 21.03.2016, ***)
[8] Antwort der ARGEBAU vom 06.06.2016 und vom 21.03.2016, ***)
[9] Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres (MI) vom 07.03.2014, ***)
[10] Siehe dazu Maurer, § 7 Rn. 23, § 24 Rn. 21 ff., 30; Schweickhardt/Vondung, Rn. 185 f. und 358 f.
[11] BGH setzt Maßstab: Unwirtschaftliche Brandschutzplanung führt zu Schadensersatz – Entscheidung vom15.11.2012-ZU *)
*) siehe www.brandschutz-im-dialog.com/veroeffentlichungen/ **) siehe www.brandschutz-im-dialog.com/anfragen-an-die-politik/ ***) siehe www.brandschutz-im-dialog.com/anfragen-an-die-bauministerkonferenz/