Im Dachgeschoss eines ehemaligen Fabrikgebäudes in Berlin-Lichtenberg wurden ein ehemaliger Kirchenraum, ein Büro und ein Atelier in zwei Pflegewohngemeinschaften umgebaut, um für Menschen in ambulanter Intensivpflege einen neuen Lebensraum unter dem Dach zu schaffen.
Als im Dachgeschoss mehrere Gewerbeflächen frei wurden, bot sich für das Therapiezentrum Lichtenberg eine Möglichkeit, zwei Pflegewohneinheiten für Intensivpflegepatienten herzustellen und diese mit dem Therapieangebot im Erdgeschoss zu verbinden.
Bauliche Gegebenheiten
Das ehemalige Fabrikgelände der Firma Julius Gast Signalanlagenbau wurde im Jahr 1908 erbaut und ist Teil eines Gewerbehofs inmitten einer Blockrandbebauung in Berlin-Lichtenberg (Abb. 1). Bis 1933 wurden die umliegenden Gebäude gemeinsam mit dem betreffenden freistehenden Gebäude im Hof durch eine Klavierfabrik, eine Möbelfabrik und einen metallverarbeitenden Betrieb genutzt. Die Firma Gast Signalbau übernahm 1933 die Firma alle Produktionsräume, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an verschiedene Produktionsbetriebe vermietet wurden.

Die betreffenden Nutzungseinheiten befinden sich im Dachgeschoss des freistehenden Gebäudes, das in seiner Kubatur an ein „E“ erinnert (Skizze in Abb. 3). Mit der maximalen Längenausdehnung von circa 90 m weist das Gebäude drei Brandabschnitte auf. Der längste Mittelriegel des Gebäudes erstreckt sich auf 46 m und bildet das Herzstück der ersten Pflegewohngemeinschaft. Etwa ein Jahr später wurde eine zweite Nutzungseinheit in gleicher Art umgebaut, die sich südlich an die erste angliedert.
Als ehemaliges Produktionsgebäude weist das Gebäude massive, tragende Außenwände aus Mauerwerk auf, die durch Stahlbetondecken ergänzt werden. Erst im Jahr 2000 wurde der bestehende Dachstuhl ersetzt und als stützenloses Leimbinder-Pfettendach neu errichtet.
Auf einer Fläche von zunächst 780 m² und schließlich weitere 550 m² werden nun 20 pflegebedürftige Menschen in unterschiedlichen Pflegegraden rund um die Uhr betreut und ambulant gepflegt (Abb. 3).

Bauordnungsrechtliche Einstufung nach Bauordnung Berlin und Wohnformen-Richtlinie Berlin
Das Gebäude wird aufgrund seiner Höhe von 17,81 m in die Gebäudeklasse 5 eingestuft. Während die erste Nutzungseinheit bei Nutzungsaufnahme in der Bauordnung als „Gebäude mit Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn die Nutzungseinheiten für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind“ [1], eingestuft wird, bleibt die Bestimmung bei Fertigstellung der zweiten Nutzungseinheit zwar gleich, jedoch ändert sich die Einstufung, da die Nutzungseinheiten „einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als 16 Personen bestimmt sind“ [1].
Als Beurteilungsgrundlage wird die Bauordnung Berlin [1] in Verbindung mit der Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an Wohnformen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung (Wohnformen-Richtlinie Berlin, [2]) für den geregelten Sonderbau herangezogen.

Risikoanalyse
Für die beiden Nutzungseinheiten wurden Bereichslösungen nach den Anforderungen der Wohnformen-Richtlinie [2] angestrebt. Somit wurden je zwei Bereiche geschaffen, die zwar baulich voneinander getrennt sind, jedoch in Verbindung stehen und gemeinsame Rettungswege aufweisen. Im Brandfall wird sichergestellt, dass die benachbarten Bereiche jeweils alle Betten des brandbelasteten Bereichs aufnehmen können und Rettungswege weiterhin gewährleistet werden.
Für die Evakuierung ist keine Unterstützung des Personals durch die Feuerwehr vorgesehen, da diese bei ihrem Eintreffen vor Ort und im Brandfall mit dem sofortigen Löschangriff beginnt. Als zusätzliche Unterstützung für die Evakuierung wurde der bereits vorhandene Aufzug in Treppenraum 1 in einen Aufzug mit verlängerter Betriebszeit umgewandelt (Abb. 4).
Konzept und Umsetzung der Brandschutzmaßnahmen
Die Berliner Bauordnung in Verbindung mit der Wohnformen-Richtlinie setzt wesentliche Schwerpunkte im Brandschutz:
- die Zuverlässigkeit des Bauwerks: Sicherstellung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen für die Geschossdecke und die Trennwände zwischen den Bereichen,
- die Sicherstellung der baulich horizontalen und vertikalen Rettungswege und der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Umfassungswände,
- die Sicherstellung der Rauchfreiheit im Bereich der vertikalen Rettungswege,
- die Brandfrüherkennung für die Nutzer,
- die organisatorischen Maßnahmen für die Evakuierung durch das Personal.
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Geschossdecke und Trennwände
Die Zuverlässigkeit des Bauwerks wird durch eine feuerbeständige Geschossdecke und im Bestand vorhandene innere Brandabschnittstrennungen im Wesentlichen sichergestellt. Darüber hinaus untergliedert die bauliche Bereichstrennung die Nutzungseinheiten weiter. Dass sich durch die Aufnahme von neun anstelle von acht pflegebedürftigen Personen in Bereich 2 eine Abweichung ergibt, wird durch die Herstellung einer feuerbeständigen Trennwand zwischen Bereich 1 und Bereich 2 kompensiert.
Das bestehende Oberlicht der Trennwand in Höhe von 3,40 m wird ersetzt, als feuerbeständige Trennwand ertüchtigt und an den bestehenden Holzbinder in der Trennwand angeschlossen. Der Öffnungsabschluß in der Trennwand wird mit einer feuerhemmenden, dicht- und selbstschließenden Tür und Freilauftürschließer ausgestattet.
Die Trennwand wird in höherer Qualität hergestellt, als es bauordnungsrechtlich im Dachgeschoss oder nach der Wohnformen-Richtlinie Berlin gefordert ist. Die möglichen Brandszenarien sehen teilweise einen Verbleib der nicht zur Selbstrettung fähigen Personen in Bereich 2 vor. Somit muss unbedingt gewährleistet werden, dass die Bereichslösung über einen angemessenen Zeitraum, 90 Minuten, sichergestellt wird.

Rettungswege
Während der ersten Nutzungseinheit zu jedem Zeitpunkt zwei bauliche Rettungswege zur Verfügung stehen, wurde der zweite Rettungsweg eines vormaligen Büros (in Bereich 3) über einen Interimszeitraum über die erste Nutzungseinheit hergestellt. Nach Fertigstellung der zweiten Nutzungseinheit wird der erste und zweite Rettungsweg des Bereichs 3 je über zwei andere Bereiche sichergestellt (Bereich 1 und 4).
Anlagentechnischer Brandschutz
Durch den anlagentechnischen Brandschutz wird sichergestellt, dass in beiden Nutzungseinheiten eine Brandfrüherkennung vorhanden ist, um im Brandfall eine rechtzeitige Evakuierung des betroffenen Bereichs einzuleiten. Die Aufenthaltsräume und Flure wurden daher mit vernetzten Rauchwarnmeldern ausgestattet, die bei Erkennung von Rauch auslösen und die Rauchwärmeabzüge im Oberlichtband öffnen. Dafür ist eine Sicherheitsstromversorgung unabdingbar. Diese ist auch für weitere sicherheitstechnische Einrichtungen wie die Rauchabzugsanlagen für den Treppenraum 1 und Bereich 1 erforderlich.
Darüber hinaus wird einer der beiden Personenaufzüge in einen Aufzug mit verlängerter Betriebszeit geändert. Dazu war es erforderlich, den Aufzug mit einer Sprinklerpumpenschaltung auszustatten. Die Abnahme der Stromversorgung erfolgt direkt an der Haupteinspeisung [7]. Dabei handelt es sich um eine Sicherheitsenergieversorgung, die zwar über eine separate Leitung verfügt, jedoch dieselbe Energiequelle nutzt. Es handelt sich also nicht um ein duales System.
Diese Funktion dient dazu, eine Evakuierung der pflegebedürftigen Personen im Shuttle Service für 90 Minuten und nur zwischen Erd- und Dachgeschoss und von dort ins Freie zu ermöglichen, wenn die übrigen elektrischen Anlagen durch die Feuerwehr abgeschaltet werden müssen. Darüber hinaus wurde die Zuleitung zwischen dem Hausanschlussraum und dem Steuerschrank der Sprinklerpumpenschaltung mit einem Funktionserhalt von 90 Minuten ausgelegt.
Brandschutzordnung
Für die Nutzungseinheit wurde im Einvernehmen mit der Feuerwehr eine Brandschutzordnung in den Teilen A, B und C aufgestellt. Dabei wurde in besonderem Maß auf die Evakuierung im Brandfall und eine entsprechende Vorgabe des erforderlichen Betreuungspersonals eingegangen.
Die Evakuierung der pflegebedürftigen Personen im Brandfall allein durch das Betreuungspersonal zu sichern ist eine zwingende Voraussetzung, um einen schnellen und wirksamen Löschangriff zu ermöglichen. Dabei hat das betreuende Personal vor Eintreffen der Feuerwehr die pflegebedürftigen Personen in den jeweils anderen gesicherten Bereich zu transportieren. Darüber hinaus schreibt die Brandschutzordnung eine Alarmierung an eine ständig besetzte Stelle vor.

Fazit
Die Berliner Bauordnung in Verbindung mit der Wohnformen-Richtlinie bietet eine Möglichkeit, Pflegewohneinheiten für pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen in Gebäudebereichen herzustellen, die zunächst nicht für diese spezifische Nutzung geeignet erscheinen. Wesentliche und unbedingte Voraussetzungen dafür sind die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Bauteile, die Schaffung von Bereichen oder Zellen, die die Aufnahme von allen Betten aus dem jeweils anderen Bereich sicherstellen, die Freihaltung der Rettungswege und die Vernetzung der Rauchwarnmelder untereinander.
Dass das Bauordnungsrecht damit auf den demografischen Wandel reagieren und neue Lebensräume für eine Lebensführung in Verbindung mit einer ambulanten Pflegeversorgung ermöglichen möchte, ist anerkennenswert. Die VDI-Richtlinie 6017 [7] sowie die DIN CEN TS 81-76 [8] bieten dafür eine Grundlage zu diesem Thema.
Jeder Mensch, der schon einmal für einen gewissen Zeitraum mobilitätseingeschränkt oder auf fremde Hilfe angewiesen war, weiß um die Hindernisse, die sich im Alltag stellen. Umso wichtiger ist es, eine Handlungsempfehlung an die Seite gestellt zu bekommen, die auch die Evakuierung dieser Zielgruppe im Brandfall weiter beschreibt, damit die Evakuierung dieser Zielgruppe vertikal und horizontal möglich ist. Zweifellos muss darüber hinaus ein Gebäude immer individuell in seinen Eigenheiten und auf die Eignung der möglichen Nutzung als Pflegewohngemeinschaft ganzheitlich untersucht werden. Nur so können ambulante Einrichtungen in bestehenden Gebäuden geschaffen werden, die für diese Zielgruppe eine besondere Lebensqualität bieten.
Quellen
[1] Bauordnung für Berlin; Stand: 29. September 2005, zuletzt geändert durch das 5. Gesetz vom 14. Mai 2020, in Kraft getreten am 20. Mai 2020
[2] Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VVTB Bln) vom 10. Juli 2020 und 17. Januar 2022
[3] Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (Betriebs-Verordnung - BetrVO) vom 10. Oktober, geändert durch Verordnung vom 10. Mai 2019
[4] Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie – MLAR), Stand 10. Februar 2015
[5] Richtlinien über Flächen für die Feuerwehr, Fassung Februar 2007, geändert Oktober 2009
[6] DIN 4102-4, 2016-05: „Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen; Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile“
[7] VDI-Richtlinie 6017, 08-2014: „Aufzüge, Steuerung für den Brandfall“
[8] DIN CEN TS 81-76: „Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen – Teil 76: Personenaufzüge für die Evakuierung von Personen mit Behinderungen; Deutsche Fassung CEN/TS 81-76:2011
Der Artikel ist in Ausgabe 5.2022 des FeuerTrutz Magazins (Oktober 2022) erschienen.