Pünktlich zum 125-jährigen Bestehen hat die Firma Roche im September 2022 in Basel ein zweites Bürohochhaus eingeweiht. Bau 2 bildet gemeinsam mit Bau 1 (auch Roche Türme oder Roche Towers genannt) den neuen Mittelpunkt des Konzernhauptsitzes. Mit der Gebäudehöhe stiegen jedoch auch die Anforderungen an den Brandschutz.
Bau 2 wurde durchgängig mit BIM-Methoden geplant, samt Erstellung eines digitalen Zwillings. Nach Inbetriebnahme wird dieser u.a. für "Predictive Maintenance", also die vorausschauende Wartung, weiter genutzt. Auch in Sachen Nachhaltigkeit setzt Bau 2 Maßstäbe und gehört zu den weltweit nachhaltigsten und energieeffizientesten Bürogebäuden. Die Fassade reagiert aktiv auf ihre Umwelt mit intelligenten, sonnenstandabhängigen Jalousien, geheizt wird mit Abwärme, gekühlt mit Grundwasser, die LED-Beleuchtung ist durchgängig mit Smart-Lighting-Funktion ausgestattet, über 850 Baustoffe wurden auf mögliche Schadstoffe untersucht, und ein Materialpass dokumentiert die Recyclingfähigkeit.
Mit einer Gesamthöhe von 205 m ist Bau 2 dann der höchste Turm der Schweiz, und somit bestehen auch hohe Anforderungen an den Brandschutz. Jede Person muss sich darauf verlassen können, dass das betretene oder genutzte Gebäude im Brandfall nicht zur Gefahr oder tödlichen Falle wird.
Allgemeines zu Rauchschutz-Druckanlagen (RDA)
Eine auf die gebäudespezifischen Anforderungen hin geplante Rauchschutz-Druckanlage (RDA) soll Gebäudenutzern und Feuerwehr sichere Flucht- bzw. Rettungswege bieten und das Haftungsrisiko für Eigentümer sowie Betreiber minimieren. Das gilt insbesondere für Büro- und Wohnhochhäuser, in denen sehr viele Menschen arbeiten und leben.
Eine RDA hält, je nach Gebäudeart und -nutzung, die baurechtlich vorgeschriebenen und zu schützenden Flucht- und Rettungswege inklusive der angebundenen Vorräume durch kontrollierten Überdruck rauchfrei. Dabei durchströmen die RDA-Systeme die Flucht- und Rettungsbereiche mit Frischluft und verhindern so das Eindringen von Rauch und toxischen Brandgasen. Bei geschlossenen Türen sorgt die RDA für einen kontinuierlichen Überdruck, sodass beim Öffnen der Tür eine sofortige Durchströmung der Bereiche erfolgt. Der Überdruck im Flucht- und Rettungsbereich wird ständig mit dem atmosphärischen Druck verglichen und nachgeregelt. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Fluchttüren ins Treppenhaus jederzeit ohne großen Kraftaufwand per Hand zu öffnen und zu schließen sind. Bei geöffneten Fluchttüren muss die Luft aus dem Treppenhaus mit ausreichender Geschwindigkeit in die Nutzungseinheit der Brandetage strömen, sodass keine Rauchgase ins Treppenhaus gelangen können. Beim Öffnen und Schließen der Türen muss der Überdruck innerhalb weniger Sekunden wiederhergestellt sein. Diese Anforderungen erfüllen i.d.R. nur aktiv geregelte RDA-Systeme.
Bei Gebäuden mit mehr als 60 m Höhe oder bei niedrigeren mit einer komplexen Geometrie müssen die Umwelteinflüsse mit in die technische Umsetzung der RDA einbezogen werden. Auch Außentemperaturen und Jahreszeiten spielen bei der Regelung eine große Rolle.

Ausgangslage Bau 2
Bei dem Bau 2 handelt es sich um einen sehr komplexen Baukörper mit einer Gesamthöhe von 205 m und insgesamt zwei Treppenräumen sowie einem Feuerwehraufzug, die im Brandfall entraucht werden müssen. Somit stand schon in der Planungsphase fest, dass nur ein aktiv geregeltes RDA-System den erhöhten Erfordernissen gerecht werden konnte.
Grundlage der Ausschreibung war eine Konzeptstudie des Gebäudes mit sehr hohem Detailierungsgrad unter Berücksichtigung aller möglichen Eventualitäten und Einhaltung des definierten Schutzziels. Ein Kernpunkt der Studie war die Redundanz aller aktiven Regelkomponenten.
Lösungskonzept

Die Grundlage des RDA-Konzepts sind voll aktiv regelnde Systeme. So sind z.B. die an der Druckregelung beteiligten Klappen motorisch in Sekundenschnelle verstellbar und können innerhalb kürzester Zeit auf Druckveränderungen reagieren. Damit können auch Volumenströme von bis zu 75.000 m³/h regelungstechnisch beherrscht werden.
In diesem Projekt (Bau 2) wurde auf die ursprünglich geforderte, kostspielige, redundante Ausführung aller Komponenten verzichtet und stattdessen die erforderliche Funktionssicherheit durch ständige, umfangreiche und automatisierte Selbsttests aller Anlagenfunktionen erreicht. Damit ist die notwendige hohe Verfügbarkeit der Anlage gewährleistet. Die Überwachung der RDA sowie Steuerung und Protokollierung der automatischen Funktionstests erfolgen durch einen eigenen Server im Gebäude.
Die individuell entwickelten 20 RDA-Steuerzentralen durchliefen einen mehrstufigen Genehmigungsprozess der Projektsteuerung und wurden bereits im Produktionswerk vorkonfiguriert, um die notwendigen internen Sicherheitstests zu bestehen. Alle RDA-Steuerzentralen sind im Gebäude über einen ringförmig aufgebauten LON-Bus miteinander verbunden. Diese Ringstruktur sowie die implementierten „Watchdogs“ sind ein Baustein der geforderten Ausfallsicherheit.
Die komplexen Anforderungen an die Regelung der RDA machten einen Tausch der bislang bewährten Konfigurationssoftware im laufenden Projekt notwendig. Die verwendete Software bietet neben der übersichtlicheren Darstellung sowohl Zugriff auf das selbstentwickelte Tool zur vereinfachten Änderung der Regelungsvariablen als auch den Remote-Zugriff auf das gesamte Netzwerk der RDA-Anlage vor Ort.

Dieser Remote-Zugriff ermöglichte es den Projektingenieuren, den Partner vor Ort während der mehrmonatigen Inbetriebnahme jederzeit live auf dem Netzwerk zu unterstützen und Konfigurationsänderungen oder Softwareupdates aus der Ferne zu installieren. Dank dieses regen Informationsaustauschs konnten neue Herausforderungen schnell gelöst und der straffe Zeitplan konnte eingehalten werden.
Zweiter Baustein des Sicherheitskonzepts ist der automatische Selbsttest der Anlage, der täglich über die Visualisierung ausgelöst werden kann. Dabei werden in Funktionsketten nacheinander die Feldgeräte wie Differenzdrucksensoren, Frequenzumformer, Klappen sowie die gesamte Anlage auf ihre Funktion geprüft. Das Testergebnis wird protokolliert und für sechs Monate gespeichert, sodass das Facility Management jederzeit Zugriff darauf hat. Echtzeitinformationen von aktuellen Druckwerten in den einzelnen Etagen der Treppenhäuser und Feuerwehraufzüge sowie Temperaturanzeigen runden die Visualisierung und das RDA-Konzept ab.
Der Artikel ist in Ausgabe 1.2023 des FeuerTrutz Magazins (Februar 2023) erschienen.