Prüfverfahren und -aufbauten im Brandschutz werden nicht selten anlassbezogen entwickelt. So auch bei dem in den USA als "Steiner Tunnel" bekannten Prüfverfahren für Oberflächenmaterialien.
August 2018. In den frühen 1940er-Jahren haben Brände im Cocoanut Grove Nightclub in Boston, dem La Salle Street Hotel in Chicago und dem Winecoff Hotel in Atlanta über 650 Todesopfer gefordert.
Diese drei Brände hatten einen ähnlichen Verlauf: Die schnelle Ausbreitung des Feuers entlang der Oberflächen der Inneneinrichtung war unkontrollierbar. Es entstand ein dringender Bedarf, den vorbeugenden Brandschutz in solchen Gebäuden zu verbessern und die Materialeigenschaften zu regulieren.
In den 1940er-Jahren kamen die Forschungsbemühungen bei UL (Underwriters Laboratories, Inc.) zu dem Ergebnis, dass ein 8 m langer Tunnel die optimale Testumgebung liefert, um das Brandverhalten und die Rauchentwicklung an Oberflächen von Inneneinrichtungen zu testen. Der Tunnel wurde als "Steiner Tunnel" bekannt, benannt nach dem Chefingenieur von UL, Albert J. Steiner. Sein Nutzen für den Brandschutz basiert auf kostengünstigen, wiederholbaren Prüfmöglichkeiten, bei denen Oberflächenmaterialien von Inneneinrichtungen in realen Einbauten sehr gut abgebildet werden können. Nach wenigen Optimierungen wurde das erste formale Prüfverfahren 1950 als UL Norm 723 standardisiert. Dieses Prüfverfahren wurde 1961 von der American Society for Testing and Materials (heute ASTM) formell übernommen. Die National Fire Protection Association (NFPA) hat das Verfahren 1955 als NFPA No. 255 übernommen. Heute ist das zuvor als UL 723 beschriebene Verfahren auch allgemein als ASTM E84 bekannt.
Aufbau des Prüfstands

Der Tunnelapparat ist so ausgelegt, dass die geprüften Materialien eine freiliegende Fläche mit einer Breite von 45 cm und einer Länge von 720 cm bei einer maximalen Stärke von ca. 10 cm aufweisen müssen. Die Inneneinrichtung ist bei diesem Prüfverfahren an der "Decke" der geschlossenen Tunnelröhre angebracht. Zwei Brennerauslässe im Abstand von 20 cm liefern eine Nennbrennleistung von 5.000 BTU/min. Die Zündquelle an der Unterseite der angebrachten Prüfeinrichtung erzeugt 120 cm hohe Flammen. Die Prüfung dauert etwa zehn Minuten. Ein regulierbarer Einlassluftstrom von 80 m 3 pro Sekunde ermöglicht eine horizontale Flammenausbreitung während der Prüfung.
Testverfahren
Über Beobachtungsfenster notieren Beobachter den Abstand und die Zeit, die die Flammenfront beim Zurücklegen der Tunnelstrecke benötigt. Falls kein Abstand bzw. keine Zeit beobachtet werden kann, wird das Fortschreiten der Flammenfront vom Zeitpunkt des Auftretens oder mindestens alle 30 Sek. aufgezeichnet. Die Prüfung dauert 10 Min. Eine fotoelektrische Lichtzelle auf dem Auslasskanal zeichnet während der Prüfung die Verdunklung durch Rauch auf. Die Indizes für Flammen- und Rauchausbreitung werden mit Referenzmaterialien verglichen.
US-Legislative
UL 723 und ASTM E84 sind Bestandteil vieler rechtlicher Anforderungen in den USA. Oft wird dort ein Flammenausbreitungsindex von 25 und ein Rauchentwicklungsindex von 50 oder weniger für in Schächten eingesetzte Materialien gefordert.
Für Oberflächenmaterialien von Inneneinrichtungen fordert die US-Gesetzgebung entsprechende Klassifizierungen für unterschiedliche Einbausituationen.
Fazit
Das Steiner Tunnel-Prüfverfahren, wie in UL 723 und ASTM E84 beschrieben, ist in den Vereinigten Staaten ein sehr gebräuchliches Verfahren. Diese Prüfung hat sich als nützliches Werkzeug bei der Minimierung von Risiken bei der Flammenausbreitung an Oberflächen von Inneneinrichtungen erwiesen.
Noch immer aktuell
Die Eindämmung der Ausbreitung von Flammen an Oberflächen von Inneneinrichtungen ist heute so aktuell wie vor 70 Jahren. Ein neueres Beispiel dafür ist der Brand im Rhode Island Station Nightclub von 2003, bei dem 100 Menschen starben und weitere 230 verletzt wurden. Dieser verheerende Brand wurde von Pyrotechnik verursacht. Das Feuer breitete sich extrem schnell über die nicht den gesetzlichen Standards entsprechende Inneneinrichtung aus.
Autor
Dwayne Sloan: Director Principal Engineers and Regulatory Services for the Building & Life Safety Technology Division for UL ( germany.ul.com )
Der Artikel ist in Ausgabe 1.2018 des FeuerTRUTZ Magazins (Januar 2018) erschienen.
Hier finden Sie weitere Informationen zum FeuerTRUTZ Magazin Ausgabe 1.2018