Branche | Markt 12. May 2023 "Daten sind Baustoffe"

Weitblicker #2: Stefan Truthän und Arvid Nestler, hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH

Stefan Truthän (links) ist Geschäftsführer, progressiver Motor, Visionär von hhpberlin und Mitglied der Berliner Feuerwehr. Arvid Nestler ist Experte für Geodaten und Digitalisierung bei hhpberlin und ehrenamtlicher Helfer beim THW.

Wie Beton werden Daten fürs Bauen und vor allem für die nachhaltige Nutzung benötigt. Auch bei ihnen kommt es auf die richtige Mischung an. Je nach Kontext müssen Art, Umfang, Verwaltung und Verarbeitung relevanter Daten sinnvoll und nachhaltig geplant, abgestimmt und gesteuert werden. Dies erfordert eine grundlegend neue Sicht auf die Rolle von IT in der Wertschöpfungskette. Dafür brauchen wir Mut und Neugier, aber auch mehr Tempo und Konsequenz. Denn noch finden beispielsweise BIM oder GIS ihren Weg zu schleppend in unsere Arbeitsabläufe.

Ist der Brandschutz oder – weitergedacht – die gesamte Sicherheit eines Gebäudes oder eines Stadtquartiers eigentlich noch gegeben, wenn sich eine fundamentale Eigenschaft als nicht verfügbar oder unwirksam herausstellt? In der Zeit analoger Brandschutznachweise muss man diese Frage vermutlich verneinen, da diese häufig nicht über die Lebensdauer eines Gebäudes angepasst werden. Führt man allerdings einen ständigen Abgleich zwischen tatsächlichem Zustand, potenziellen Risiken und notwendigen Anpassungen durch, kann proaktiv statt reaktiv gehandelt werden, indem etwa das Brandschutzkonzept – als Teil des gesamten Sicherheitskonzepts des Gebäudes – kontinuierlich an die aktuellen Nutzungsgegebenheiten angepasst wird. Ein Abgleich im Betrieb mit den zu erfüllenden Schutzzielen wäre einfacher nachweisbar.

Ein solcher ständiger Abgleich, vor allem aber auch das gefahrlose Testen und Simulieren von verschiedensten Nutzungs- oder Gefahrenszenarien, kann mithilfe von Digitalen Zwillingen erfolgen, deren Verbreitung und Akzeptanz schnell wachsen. Füttert man Digitale Gebäudezwillinge mit BIM-, GIS- und Sensor-Daten, erlauben verlässliche Informationen zu Design, Layout und Zustand von Systemen, historische und Echtzeitaussagen zu Nutzungsverhalten, Klimaeinflüssen oder Mobilitätsfaktoren eine ganzheitliche Einschätzung, belastbare Schlussfolgerungen und proaktives Handeln.

Aber wie können aus Erfahrungen, Gelerntem, Dos und Don’ts bei Einzelprojekten Vorbilder für allgemeine Planungs-, Genehmigungs- und Betriebsprozesse werden? Sollte unser Ziel nicht sein, leistungsbasierende Standards zu entwickeln, die Flexibilität bei Planung und Nutzung erlauben? Sollten wir nicht viel konsequenter auf Modularität und Anpassungsfähigkeit statt auf starre Regeln setzen? Wäre es nicht an der Zeit, neben den unverzichtbaren Schutzzielen auch Resilienz und Nachhaltigkeit von Gebäuden zum Gradmesser unserer Arbeit zu machen? Kurz gesagt, wie wäre es mit einer agilen Bauordnung, die wir gemeinsam mithilfe von Technologie, Wissenshunger und Ingenieursexpertise gestalten und so den sicheren Betrieb von Gebäuden nachhaltig ermöglichen?

Was ist die Reihe "Weitblicker"?

In der Reihe "Weitblicker" kommen eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem vorbeugenden Brandschutz zu Wort und schildern die eigene Vision für die Branche. Die Statements erscheinen in jeder Ausgabe des FeuerTrutz Magazins und online.

zuletzt editiert am 12.05.2023