Hausfasse mit Efeu bewachsen
Abb. 1: Begrünte Fassaden verbessern die Luftqualität und machen Städte lebenswerter. Weniger Beachtung beim üppigen Grün an der Fassade finden jedoch oft die brandschutztechnischen und bauordnungsrechtlichen Belange. (Quelle: Albrecht Fietz auf Pixabay)

Planung | Ausführung

17. November 2022 | Teilen auf:

Bodengebundene Fassadenbegrünungen

Baurecht und Brandschutz am Beispiel NRW

Fassadenbegrünungen erfreuen sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Die brandschutztechnischen und bauordnungsrechtlichen Belange bleiben jedoch häufig unbeachtet.

Fassadenbegrünungen können, gerade in innerstädtischen Bereichen, einen geeignete Maßnahme sein, der Entwicklung von Wärmeinseln entgegenzuwirken, die Feinstaubbelastung zu reduzieren und die Lebensqualität im Ganzen zu verbessern. Deshalb existieren in vielen Städten und Gemeinden Förderprogramme, die den weiteren Ausbau von Fassadenbegrünungen forcieren sollen. In ihnen wird eine bauordnungsrechtlich und brandschutztechnisch konforme Anbringung verlangt. Wie eine solche Ausführung jedoch auszusehen hat, bleibt offen.

Bauordnungsrecht zu bodengebundenen Fassadenbegrünungen

Bodengebundene Fassadenbegrünungen fallen in ihrer Gesamtheit vollständig unter den Anwendungsbereich der Landesbauordnung NRW und müssen folglich im Gesetz genannte Anforderungen erfüllen. Konkludent ergibt sich zunächst, auch wenn dies bei Betrachtung der §§ 61 ff. BauO NRW nicht im Sinne der Bauordnung zu sein scheint, aufgrund des § 60 Abs. 1 BauO NRW eine Baugenehmigungspflicht für bodengebundene Fassadenbegrünungen und resultierend eine Überprüfung, ob die Generalklausel des § 3 Abs. 1 S. 1 BauO NRW weiterhin eingehalten wird.

Die Bepflanzung selbst ist nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 BauO NRW „[…] so auszubilden, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen ausreichend lang begrenzt ist“. Was im Sinne der BauO NRW als „ausreichend“ klassifiziert ist, wird in den darauffolgenden Absätzen und Paragrafen näher definiert. Problematisch ist, dass eine Prüfung der Fassadenbegrünungsbepflanzung aufgrund der Inexistenz von aaRdT hinsichtlich dieser geforderten Qualitäten und Anforderungen formell momentan nicht möglich ist.

Der Abgleich mit bereits geregelten Begrünungen, den Dachbegrünungen, auf der Basis der DIN 4102-4 ermöglicht jedoch eine qualitative Einteilung der Bepflanzung [1]. Der Vergleich mit als harte Bedachung geltenden Materialien lässt regelmäßig gepflegte Bepflanzungen konservativ als „normalentflammbar“ erscheinen. Als Folge wäre eine Anbringung von bodengebundenen Fassadenbegrünungen im Sinne der Begrenzung der Brandausbreitung an Außenwänden der GK 1 bis 3 zulässig. Für Gebäude der GK 4 und 5 sind weiterführende Maßnahmen notwendig, um eine Zulässigkeit zu erreichen.

Schematische Darstellung der begrünungsfreien Bereiche an einem Gebäude
Abb. 2: Schematische Darstellung der begrünungsfreien Bereiche an einem Gebäude der GK 5 (Quelle: Jannis Knopp)

Die Wuchskonstruktion ist als eine ungeregelte Bauart zu klassifizieren, für die ein Anwendbarkeitsnachweis nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 und 2 oder Abs. 3 BauO NRW sowie eine Übereinstimmungserklärung des Anwenders vorliegen müssen. Da eine Wuchskonstruktion mit aBG zum jetzigen Zeitpunkt auf dem deutschen Markt nicht verfügbar ist und die Nutzung eines abP in der Praxis stagniert, scheint eine vBG unausweichlich. Eine bodengebundene Fassadenbegrünung an Außenwänden mit einem WDVS sollte nicht durchgeführt werden. Grund dafür ist, neben der fraglichen Tragfähigkeit und den bei der Wartung und Instandhaltung eines WDVS nötigen Sichtprüfungen, die hervorgerufene Abweichung vom Anwendbarkeitsnachweis des Dämmsystems.

Hinweis: Da es sich bei der nachträglichen Anbringung von Fassadenbegrünungen baurechtlich um eine Bestandserweiterung handelt und diese durch den Gesetzgeber im Rahmen einer einfachgesetzlichen Norm nicht explizit gestattet wird, ist der Bestandsschutz oder das Zurückgreifen auf zum Zeitpunkt der Baugenehmigungserteilung gültige Vorschriften oder Regelungen unzulässig. Die Bauordnung ist in ihrer aktuellen Fassung vollumfänglich anzuwenden.

Um die Anbringung von bodengebundenen Fassadenbegrünungen an Gebäuden der GK 4 und 5 auf der Grundlage der Brandausbreitung nach § 28 BauO NRW zu ermöglichen, sind weiterführende Maßnahmen notwendig. Diese Maßnahmen müssen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW die Anforderungen des § 28 Abs. 1 BauO NRW in gleicher Weise erfüllen. Weiterhin müssen für alle GK zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, die die weiteren allgemeinen Schutzziele neben der Brandausbreitung beachten und somit in der kombinierten Umsetzung die Generalklausel des § 3 Abs. 1 S. 1 BauO NRW erfüllen.

Brandschutz bei bodengebundenen Fassadenbegrünungen

Alle Bestandteile der Bepflanzung sind brennbar und tragen potenziell zur vertikalen und horizontalen Brandausbreitung bei. Besonders beachtenswert ist die Menge an abgestorbenen Pflanzenteilen und Totholz, die durch ihren naturgemäß trockenen Zustand die Trocknungsphase während eines Brandes nicht durchlaufen und daher schneller in Brand geraten als vitale Pflanzenteile. Um die Menge an Totholz möglichst gering zu halten, ist eine Pflegeordnung unter Beachtung der DIN 18919 sinnvoll, in der regelmäßige Wartungs- und Pflegeintervalle festgehalten werden. Die Wuchskonstruktion, als zweiter großer Bestandteil der Begrünung, sollte aus Metall oder anderen nicht brennbaren Werkstoffen bestehen, um ihre Beteiligung am Brandgeschehen auszuschließen.

Mit Efeu überwachsenes Haus, es ist nur noch ein Teil des Daches zu sehen.
Abb. 3: Extrembeispiel einer bodengebundenen Fassadenbegrünung an einem bewohnten Gebäude (Quelle: Jannis Knopp)

Trotz der Reduzierung des Totholzes und somit der Brandlast sind weitere Maßnahmen notwendig, um die allgemeinen Schutzziele des § 14 BauO NRW einzuhalten. Eine wirksame Erreichung dieses Zustands gelingt durch die Schaffung begrünungsfreier Bereiche. Diese bewirken durch die Eingrenzung der brennbaren Fläche die Möglichkeit für wirksame Löscharbeiten, eine Einschränkung der Brandausbreitung sowie eine sichere Personenrettung.

Zunächst sollte ein begrünungsfreier Bereich von 1 m Höhe zum vulnerablen Punkt des Dachanschlusses eingehalten werde, um einen höheren Verteilungsgrad der Rauchgase sowie einen Temperaturabfall dieser zu erreichen und eine Brandweiterleitung auf dort vorliegende trockene, brennbare Materialien zu verhindern. Zusätzlich sollten dabei großflächige Begrünungen vermieden werden. An Gebäuden der GK 1 bis 3 sollte daher die Ausbildung begrünungsfreier Bereiche von 1 m Breite ab einer horizontalen Begrünungsausdehnung von 20 m erfolgen. Die 20 m werden aufgrund der effektiven Mindestreichweiten der Strahlrohre für die Brandbekämpfung nach DIN-EN-Reihe 15182 gewählt. Angesichts der zusätzlich großen Ausdehnung in der Vertikalen bei Gebäuden der GK 4 bzw. 5 sollte die maximale Ausdehnung auf 15 m bzw. 10 m reduziert werden. Somit werden „Brandbekämpfungsabschnitte“ von etwa 200 bis 250 m² erzeugt. Bei großer horizontaler Ausdehnung ist zusätzlich auf die Existenz einer inneren Brandwand zu achten. Der Abstand der Begrünung zu dieser sollte gem. § 30 Abs. 7 BauO NRW 1 m nicht unterschreiten.

Haus mit baurechtlich richtig begrünter Fassade, alle Fenster und Tüten sind frei von Efeu.
Abb. 4: Positivbeispiel einer bodengebundenen Fassadenbegrünung (Quelle: Jannis Knopp)

Weitere neuralgische Punkte sind Öffnungen in der Außenwand. So ist im Sinne der Nutzbarkeit um Türen, Fenster, Freisitze wie Balkone oder Loggien sowie andere Öffnungen ein umlaufender Freischnitt von 0,2 m einzuhalten (s. Abb. 5). Der horizontale Abstand zu Öffnungen gilt im Sinne des Brandschutzes als unkritisch, da in Brandversuchen der Magistratsabteilung 39 in Wien keine horizontale Brandausbreitung durch die Bepflanzungen erkennbar war [2]. Über Fenstern und Freisitzen der GK 4 und 5 sollte der Freischnitt hingegen auf 1 m vergrößert werden, um eine ausreichende Begrenzung der Brandausbreitung im Sinne des § 28 BauO NRW hervorzurufen (s. Abb. 2). Handelt es sich bei Fenstern und/oder Freisitzen um Rettungsfenster bzw. fest definierte Anleiterpunkte der Feuerwehr, ist eine Begrünung darüber sowie darunter unzulässig, um erschwerten Rettungen im Einsatzfall vorzubeugen. Wegen des hohen zusätzlichen Pflegeaufwands bei der Nutzung von Brandriegeln wird von deren Verwendung abgeraten. Generell nicht erlaubt ist es nach § 33 Abs. 1 BauO NRW, dass eine Begrünung beide Rettungswege gleichzeitig tangiert. Um eine vollständige bauordnungsrechtliche Konformität nach § 3 Abs 1 BauO NRW zu erlangen, sind weitere, besonders die aktive Gefahrenabwehr betreffende Punkte zu beachten.

Schematische Darstellung der begrünungsfreien Bereiche an einem Gebäude
Abb. 5: Schematische Darstellung der begrünungsfreien Bereiche an einem Gebäude der GK 2 (Quelle: Jannis Knopp)

Vor Rettungsfenstern sollten keine Beete ausgebildet werden, um einen sicheren Stand für die tragbaren Leitern der Feuerwehr zu ermöglichen. Weiterhin ist es unzulässig, dass eine Fassadenbegrünung respektive dern Beet Feuerwehraufstellflächen und/oder Zu- und Durchfahrten für die Feuerwehr tangiert. Liegt ein Beet in deren Nähe, sind vorbeugende Maßnahmen wie der Einsatz einer Rhizomsperre notwendig, um ein Eingreifen der Bepflanzung in sie zu verhindern.

Fazit: Bodengebundene Fassadenbegrünungen nach BauO NRW

Durch die aufgeführten Maßnahmen wird eine bauordnungsrechtlich konforme Realisierung von bodengebundenen Fassadenbegrünungen auf der Basis des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 BauO NRW möglich. Eine Baugenehmigung für die Fassadenbegrünung sowie den ggf. notwendigen Anwendbarkeitsnachweis für die Wuchskonstruktion bleibt der Bauherr schuldig, solange kein gegenläufiger Erlass veröffentlicht wird.

Quellen

[1] DIN 4102-4:2016-05 „Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen – Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und  Sonderbauteile“

[2] DANZINGER, Kurt; POMPER, Stephan; WERNER, Dieter. Fachbeitrag – Brandverhalten bei Fassadenbegrünungen. Neue Erkenntnisse zum Brandverhalten von Fassadenbegrünungen. Der österreichische Brandschutzkatalog 2019, S. 42–46

Der Artikel ist in Ausgabe 5.2022 des FeuerTrutz Magazins (Oktober 2022) erschienen.

zuletzt editiert am 18.11.2022