Die Tonhalle und das Kongresshaus Zürich erstrahlen erneut im Glanz des 19. und 20. Jahrhunderts – gleichzeitig sind Brandschutz, Gebäudetechnik, Erdbebensicherheit und Tragwerk der Gebäude wieder auf dem neuesten Stand. Dies gelang mit kreativen Ideen und unkonventionellen Lösungen, da Standardlösungen kaum umsetzbar waren.
Seit September 2021 sind das Kongresshaus und die Tonhalle in Zürich wieder geöffnet. Das Kongresshaus strahlt mit seinen Ornamenten an Wänden und Decken, Lampen und Dekorationen erneut den verspielten den Charme der 1930er-Jahre aus. Die Tonhalle aus dem Jahr 1895 zeigt nun den Prunk des Fin de siècle, mit Kronleuchtern, rosa Stuckmarmor-Säulen und goldreichen Verzierungen.
Die Verbindung von Alt und Neu war vor der Sanierung nicht mehr erkennbar, denn in den 1980er-Jahren war das Kongresshaus umgebaut worden. Das zweistöckige, verglaste Foyer, das heute wieder Kongresssaal und Tonhalle verbindet und den Blick auf See und Berge öffnet, verschwand hinter dem sogenannten Panoramasaal. Im Parterre wurden die Gartensäle eingebaut, die den Charakter der Eingangshalle des Kongresshauses zerstörten. Zudem wurde in den folgenden Jahren der Unterhalt der Gebäude vernachlässigt; sie mussten dringend saniert werden. Die Stadt Zürich beauftragte 2011 Elisabeth & Martin Boesch Architekten und Diener & Diener Architekten mit einer Teilerneuerung des Kongresshauses. Nach der Zustimmung zu einem Kredit über 65 Mio. € im Jahr 2016 stand der Erneuerung von Kongresshaus und Tonhalle nichts mehr im Wege.

Zielkonflikte zwischen Brandschutz, Denkmalpflege und Nutzung
Seit Beginn der Projektierung vor zehn Jahren war das Unternehmen Basler & Hofmann aus Zürich für die umfassende Brandschutzberatung verantwortlich und leitete bis zum Schluss die Umsetzungsarbeiten. In den historischen Gebäuden wäre es nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich gewesen, den Brandschutz nach den heute geltenden Normen und Vorschriften umzusetzen.
Zudem bestanden folgende Zielkonflikte: Während die Feuerpolizei die aktuellen Sicherheitsstandards einforderte, wollten die Architekten und die Denkmalpflege die ursprüngliche Schönheit der Gebäude wieder zum Leben erwecken und die Bausubstanz möglichst unverändert erhalten. Diesen Zielen standen wiederum die Bedürfnisse der beiden Betreibergesellschaften, der Kongresshaus Zürich AG und der Tonhalle Gesellschaft, gegenüber: Sie können die beiden Häuser nur dann wirtschaftlich betreiben, wenn sie die Säle genügend nutzen und ausreichend Besucher empfangen dürfen.
Terrasse löst Fluchtwegproblem
Schon beim Start des Projekts im Jahr 2011 zeigte sich, dass der Kongresssaal nicht genügend Fluchtwege aufwies. Eine mögliche Lösung konnte eine Terrasse mit einer Treppe in Richtung See sein, die es auch im Originalbau von Haefeli Moser Steiger gegeben hatte. Heute sind die Terrasse und die Treppe wichtige architektonische Elemente, die den Ausblick des Foyers zum See öffnen und damit seinen ursprünglichen Charakter wiederaufleben lassen. Gleichzeitig dienen sie aber auch der effizienten Entfluchtung aus den großen Sälen.
Auch das großzügige Foyer, das Kongresshaus und Tonhalle verbindet, stellte eine Herausforderung dar, denn für die vielfältigen Nutzungsansprüche der Räume musste eine sichere Entfluchtung gewährleistet werden. Bräche beispielsweise in einem Saal ein Brand aus, während das Publikum des anderen Saals im Foyer die Pause genießt, wäre die Flucht erschwert. Dies konnte zum einen gelöst werden, indem Entrauchungsabschnitte gebildet wurden. Zum anderen mussten die Betreiber aber auch Einschränkungen bei gleichzeitiger Nutzung von Foyer, Kongresssaal und Tonhalle akzeptieren.
Risikobeurteilung
Wenn Brandschutzvorschriften nicht eingehalten werden können, muss nachgewiesen werden, dass der Personenschutz trotzdem gewährleistet ist. Dann ist eine Risikobeurteilung nötig. Die Grundlage dafür bilden Entrauchungs- und Entfluchtungsnachweise. Mithilfe von Computersimulationen wurde berechnet, wie der Rauch bei einem Brand die Räume von oben nach unten auffüllen würde und unter welchen Bedingungen die Leute rechtzeitig flüchten können. Auf dieser Basis wurden dann die Entrauchungs- und Entfluchtungsmaßnahmen entwickelt (s. Infokasten).
Um den Personenschutz in großen, komplexen Gebäuden zu dimensionieren, werden häufig computerbasierte Entrauchungssimulationen durchgeführt, die gleichzeitig als Sicherheitsnachweis verwendet werden. Doch sie beruhen auf Annahmen und rechnen oft mit vereinfachten Gebäudegeometrien. Um die Resultate der Simulationen und die getroffenen Brandschutzmaßnahmen effektiv zu prüfen und die Sicherheit nachzuweisen, können Heißrauchtests durchgeführt werden. Zu diesem Zweck hat Basler & Hofmann die Versuchsanlage Izar entwickelt. Damit werden in Gebäuden reale Brände nachgestellt, ohne jedoch giftige Emissionen oder Schäden am Bauwerk zu verursachen. Die Anlage ist in der Schweiz und in Europa patentiert.
Das Herz der mobilen Anlage ist ein Gasbrenner, der einen wärmebeständigen, niederschlagsfreien Nebel vergleichbar mit Rauchgasen produziert. Mithilfe der Steuerung können verschiedene Brandverläufe genau nachgebildet werden. Dabei ist die Sicherheit von Personen und Gebäude jederzeit gewährleistet. Die Flammenhöhe ist gering und die erzeugte Wärme kann exakt kontrolliert werden, sodass weder hitzeempfindliche Materialien beschädigt noch Sprinkleranlagen ausgelöst werden. Im Raum installierte Sensoren zeichnen die Temperaturverteilung auf. Die Daten ermöglichen eine detaillierte Auswertung des Tests und einen Vergleich mit der Modellierung.
Noch nie waren in der Schweiz Entfluchtungssimulationen dieser Größenordnung erstellt worden. Deshalb hatte die Brandschutzbehörde der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich (GVZ) zuerst auch Zweifel am Sicherheitsnachweis. Eine Zweitmeinung des englischen Büros Happold bestätigte die Resultate, was die Brandschutzbehörde überzeugen konnte.
Die Entrauchungssimulationen zeigten beispielsweise, dass die Entrauchung in der Großen Tonhalle weniger leistungsstark sein muss, als es die Brandschutzvorschriften vorschreiben. Denn dank der hohen Decke bildet sich im Brandfall eine stabile Rauchschicht weit über dem Balkon, sodass die Personen dort genügend Zeit zur Flucht haben. In der Kleinen Tonhalle hingegen hängt die Decke deutlich tiefer. Die Leute auf dem Balkon würden schnell in toxischen Rauch gehüllt, sodass dort für eine sichere Entfluchtung neben einer effizienten Entrauchung der gezielte Einsatz von lokalen Sprinklern nötig wurde.

Für das Entfluchtungskonzept und auch für die Entfluchtungssimulationen überlegten sich die Betreiber, wie sie die einzelnen Säle nutzen wollten und wie viele Personen in den Räumen maximal Platz haben. Mit diesen Angaben konnte anhand von Modellen geprüft werden, wie viele Personen in welchen Konstellationen pro Raum zulässig sind. Gemeinsam mit den Betreibern wurde schließlich ein Benutzungskatalog mit mehr als 100 Bestuhlungsszenarien erarbeitet, der von den Brandschutzbehörden genehmigt wurde.
Die mechanische Entrauchung in der Großen wie auch in der Kleinen Tonhalle ist ein maßgebender Bestandteil des ganzheitlichen Brandschutzes. Ziel war es dennoch, die denkmalgeschützte Decke möglichst zu erhalten. So wurden bereits bestehende Deckenöffnungen für die Entrauchung genutzt, weshalb sie in der Decke gut versteckt sind. Schwieriger waren die Stahlträger, an denen die Decke am Dach aufgehängt ist. Für das Führen von Entrauchungskanälen um bestehende Stahlträger herum gibt es nämlich keine geprüfte Brandschutzlösung. Zusammen mit dem Produktlieferanten, dem Fachplaner und dem Fachunternehmen für den Kanaleinbau wurden in Absprache mit der Brandschutzbehörde viele spezifische Detailkonstruktionen entwickelt, um derartige Probleme zu lösen. [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 1.2022 des FeuerTrutz Magazins (Februar 2022) erschienen.
Darin werden die Herausforderungen beim Einbau der Entrauchungstechnik in die denkmalgeschützte Decke beschrieben. Außerdem geht der Autor auf den Einsatz von Löschanlagen ein und gibt ein Fazit zum Projekt.
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