Brandschutz in U-Bahnhöfen ist individueller Brandschutz. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an den baulichen und anlagentechnischen Brandschutz. Der Beitrag geht auf die wesentlichen Punkte ein.
U-Bahnhöfe weisen eine Vielzahl an Charakteristika auf, die aus Sicht des Brandschutzes oft nicht risikominimierend sind. Beispiele für die wichtigsten Elemente sind:
- hohe Personenzahlen/-dichten: i. d. R. > 1.000 Personen, oft großer Anteil ortsunkundiger Personen
- Tiefenlage des Gesamtbauwerks bzw. insbesondere der Bahnsteigebene: Bis zur Oberfläche ist von der Bahnsteigebene in den meisten Fälle noch eine weitere (Verteiler-)Ebene zu queren.
- Offene Bauweise: Um Verkehrsströme innerhalb des Bauwerks im Regeltrieb nicht zu behindern, sind abschnittbildende Maßnahmen an öffentlichen Treppenanlagen üblicherweise nicht erwünscht.
- Spezielle Bestandsbauwerke/nicht veränderbare Grundkonzeption: In älteren Bestandsbauwerken stehen oft ausschließlich die öffentlichen Treppenanlagen als Erschließung für das Gesamtbauwerk zur Verfügung – sowohl als Rettungsweg als auch als Angriffsweg der Feuerwehr.
- Spezielle Knotenpunkte/Gemeinschaftsbauwerke: Übergang zwischen einzelnen Verkehrsträgern, z. B. fließender Übergang zwischen U-Bahn und S-Bahn im Bauwerk mit formal unterschiedlichen Betreibern und Genehmigungsregimen (Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung – BOStrab [1]/EBO [2])
Als positiv sind dagegen oftmals die betrieblichen und organisatorischen Rahmenbedingungen zu sehen: Seitens der Verkehrsunternehmen sind – allein wegen betrieblicher Belange – üblicherweise bereits (technische) Notdienste etabliert; von einer ständig besetzten Betriebsleitstelle kann ebenfalls ausgegangen werden.
Auch in Bezug auf den abwehrenden Brandschutz kann normalerweise eine überdurchschnittlich leistungsfähige Feuerwehr bzw. eine Berufsfeuerwehr als Grundannahme berücksichtigt werden.
Grundsätze der Nachweisführung für U-Bahnhöfe

Aufgrund der nur bedingt konkreten und sehr schutzzielorientierten Vorgaben der BOStrab ist für U-Bahnhöfe immer eine individuelle Nachweisführung unter Zuhilfenahme von Ingenieurmethoden erforderlich.
Kernelement bzw. Grundsatz ist dabei der Nachweis ausreichender Zeiträume für die Selbst- bzw. Fremdrettung im Vergleich zu zuvor definierten Brandszenarien und deren zu erwartender Rauchausbreitung. TRStrab (Technische Regeln für Straßenbahnen) Brandschutz [3] und DIN 5647 [4] enthalten dazu entsprechende Vorgaben. Konkrete Laufweglängen treten – gerade in Bestandsbauwerken – in den Hintergrund.
verfügbare Räumungszeit* ≥ 1,1** × erforderliche Räumungszeit***
* Zeit ab Brandbeginn bis zum Erreichen des Grenzwerts für die raucharme Schicht
** 10 % bzw. mind. 1 Minute Sicherheitsbeiwert nach TRStrab Brandschutz/DIN 5647
*** Zeit ab Brandbeginn, bis alle Personen einen sicheren Bereich bzw. das Freie erreicht haben
Unabhängig von diesen Vorgaben empfiehlt sich aber in jedem Fall eine frühzeitige Abstimmung mit allen Beteiligten, um die Eingangs- bzw. Auslegungsparameter für den U-Bahnhof eindeutig und zweifelsfrei festzulegen und ggf. regionale Sonderfestlegungen/Übereinkünfte mit berücksichtigen zu können.
Das Brandschutzkonzept des U-Bahnhofs ergibt sich dann auf der Basis der erforderlichen Räumungszeit in einem iterativen Paket aus baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Maßnahmen (oder ggf. sogar über Anpassungen der Fahrzeugflotte).
Angesichts der großen Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs sollte Grundsatz bzw. übergeordnetes Ziel des Brandschutzkonzepts die Erzeugung eines langfristig (auch im Brandfall) möglichst resilienten Gesamtsystems „U-Bahnhof“ bzw. „U-Bahn“ sein, sodass auch bei Beeinträchtigung oder Ausfall von Teilkomponenten weiterhin die für das Gesamtsystem relevante Sicherheitsfunktion – wenn auch ggf. eingeschränkt – erfüllt werden kann.
Anzusetzende Personenzahlen und Ermittlung der erforderlichen Räumungszeit
![Diagramm des Evakuierungsprozesses in einem Zug bei einem Brandereignis, das die verschiedenen Phasen von der Branddetektion bis zur Fremdrettung zeigt. (Quelle: (nach TRStrab Brandschutz [9])) Diagramm des Evakuierungsprozesses in einem Zug bei einem Brandereignis, das die verschiedenen Phasen von der Branddetektion bis zur Fremdrettung zeigt.](/dist/images/loader/loader-2.png)
Die Ermittlung der erforderlichen Räumungszeit bzw. Selbstrettungszeit kann sowohl mit makroskopischen (Handrechen-)Verfahren (z. B. NFPA-130) als auch mittels mikroskopischer Verfahren (z. B. ASERI oder PedGO) erfolgen. DIN 5647 sieht beispielsweise ab einer Tiefenlage von mehr als 15 Metern die Verwendung von mikroskopischen Verfahren vor.
Die für einen U-Bahnhof anzusetzende Personenzahl ergibt sich nach TRStrab Brandschutz/DIN 5647 je Bahnsteig bzw. Gleis aus dem Fassungsvermögen des größten U-Bahnzugs sowie 30 Prozent dieses Werts als Wartende auf dem Bahnsteig.
Zu beachten ist dabei, dass die Ansätze nach TRStrab Brandschutz/DIN 5647 ausschließlich Personen in der Bahnsteigebene in den Fokus nehmen und dass sonstige Flächen wie eine etwaige Verteilerebene in Bezug auf die anzusetzenden Personenzahlen außer Betracht bleiben. Dies erscheint insofern schlüssig, als aus Sicht der TRStrab Brandschutz/DIN 5647 dort die größte Zahl an Personen mit dem längsten Weg zur Oberfläche zu erwarten ist.
Sind oberhalb der Bahnsteigebene ggf. weitere Ebenen vorhanden, die nicht als reine Verkehrsflächen ausgestaltet sind, sondern von ihrer Nutzung her zum Verweilen einladen, sind ggf. für eine globale Betrachtung der Räumungszeit entsprechende Personenzahlen, z. B. 0,5 Personen pro m2 in Anlehnung an die bzw. als Rückrechnung gem. der Muster-Verkaufsstättenverordnung § 14 Abs. 3 [5] zu berücksichtigen. Dies ist im Einzelfall mit der technischen Aufsichtsbehörde abzustimmen. In diesem Fall erscheint dann auch der Einsatz von mikroskopischen Verfahren zur Räumungszeitberechnung erforderlich bzw. geboten.
Weitere auf die ermittelten Werte zu addierenden Zeitspannen wie Fahr-, Detektions- und Reaktionszeit ergeben sich aus den jeweils zu betrachtenden Szenarien.
Lesetipp: Mehr zum Thema im Brandschutzatlas
Autor Thilo A. Hoffmann widmet sich dem Artikelthema ausführlich in einem Kapitel des Brandschutzatlas: Dabei geht es um die brandschutztechnischen Anforderungen von Bahnhöfen (Kapitel 8.10.1) und U-Bahnhöfen (Kapitel 8.10.2) in Teil 8.10 Verkehrsgebäude.
Mögliche Brandszenarien und Brandsimulation
Für U-Bahnhöfe werden im Allgemeinen zwei grundsätzliche Brandszenarien unterschieden, für die die zeitliche Entwicklung der raucharmen Schichten auf Bahnsteigebene mittels Brandsimulation zu untersuchen bzw. nachzuweisen ist – daraus ergibt sich dann die verfügbare Räumungszeit.
Während die TRStrab Brandschutz ausschließlich den Fahrzeugbrand im Blick hat, berücksichtigt die DIN 5647 noch den sogenannten „Ersatzbrand“, mit dem auch Brandrisiken erfassbar bzw. sichtbar gemacht werden sollen, die sich nicht zwingend im unmittelbaren Verantwortungsbereich des Verkehrsunternehmens befinden müssen – z. B. der Brand von Gepäck von wartenden Fahrgästen.
Inwieweit und mit welcher Lokalisation ein Ersatzbrand anzusetzen ist, ist (im Einzelfall) mit der technischen Aufsichtsbehörde abzustimmen.
Fahrzeugbrand
Das Standardszenario des Fahrzeugbrands nach TRStrab Brandschutz bzw. DIN 5647 ist die Entstehung eines Brandes beim Abfahren eines U-Bahnzugs im vorhergehenden U-Bahnhof. Das Fahrzeug erreicht dann brennend den zu untersuchenden U-Bahnhof und bleibt dort stehen (vgl. auch die Abb. 3: „Zeitstrahl“ aus der TRStrab Brandschutz). Sofern für die eingesetzten Fahrzeuge kein individueller Bemessungsbrand/keine entsprechende Brandverlaufskurve vorliegt/ermittelt wurde, stehen aus der TRStrab Brandschutz/der DIN 5647 entsprechende Kurven zur Verfügung. (Vom Vorliegen individueller Fahrzeugbemessungsbrände ist aufgrund des großen Aufwands i. d. R. nicht auszugehen.)
Ersatzbrand
Der Ersatzbrand weist gegenüber dem Fahrzeugbrand i. d. R. eine deutlich schnellere Wärmefreisetzungsrate auf, ist dafür aber auch üblicherweise in der maximalen Wärmefreisetzungsrate z. B. auf 1 MW begrenzt. DIN 5647 bietet dazu diverse Ansätze.
Sind die Brandszenarien definiert, kann darüber die zeitliche Entwicklung der raucharmen Schichten berechnet/dargestellt werden – etwa vorhandene Maßnahmen des anlagentechnischen Brandschutzes wie eine maschinelle Rauchabzugsanlage können dabei als begünstigende Faktoren mit angesetzt werden. Neben der Bestimmung der Höhe der raucharmen Schicht (Höhe 2,5 m bzw. mind. 2,0 m im Bestand) sowie der zu erwartenden Erkennungsweiten für die Selbstrettung ist bei der Brandsimulation auch die weitere zeitliche Entwicklung der raucharmen Schicht interessant. Für die Fremdrettungsphase bis zur 30. Minute ab Brandbeginn sollte die raucharme Schicht eine Höhe von 1,5 m nicht unterschreiten. Kennwerte für ausreichende Erkennungsweiten in der raucharmen Schicht können DIN 5647 entnommen werden (für die Fremdrettungsphase siehe auch AGBF-Empfehlung [6] „Sichtweiten in unterirdischen Bahnstationen während der Fremdrettung“). [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 1.2025 des FeuerTrutz Magazins (Januar 2025) erschienen. Darin beschreiben die Autoren außerdem detailliert verschiedene Maßnahmen des baulichen und anlagentechnichen Brandschutzes, die in U-Bahnhöfen eingesetzt werden.
[1] Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung – BOStrab), Fassung vom 11. Dezember 1987, zuletzt am geändert 1. Oktober 2019
[2] Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO), Fassung vom 8.Mai 1967 (BGBl. 1967 II S. 1563), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 5. April 2019 (BGBl. I S. 479)
[3] Technische Regeln für Straßenbahnen – Brandschutz in unterirdischen Betriebsanlagen (TRStrab Brandschutz), Anlage zur BOStrab, Fassung vom 24.06.2014
[4] DIN 5647:2023-10: Städtische Schienenbahnen (Urban Rail) –Anforderungen an Bauwerke
[5] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten (Muster-Verkaufsstättenverordnung – MVKVO), Fassung vom September 1995, zuletzt geändert im Juli 2014
[6] Sichtweiten in unterirdischen Bahnstationen während der Fremdrettung. Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbandes (AGBF), 2016-02
[7] Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), Fassung 2024/1 vom 28. August 2024
[8] Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie – MLAR), Fassung vom 10.02.2015, zuletzt geändert im September 2020