Drehleiter an einem Haus
Teil der Entscheidung im vorliegenden Fall: Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2000 sei die Errichtung von Gebäuden, deren zweiter Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr führt und bei denen die Oberkante der Brüstungen anleiterbarer Stellen mehr als acht Meter über der Geländeoberfläche liegt, nur zulässig, wenn die erforderlichen Rettungsgeräte von der Feuerwehr vorgehalten werden. (Quelle: Andrea Schmitt auf Pixabay)

Recht 11. October 2022 Ablehnung einer Baugenehmigung:
2. Rettungsweg fehlte

VG Minden, Urteil vom 28. Januar 2022 – 1 K 4844/18 –, juris

Für die Aufteilung von einer in zwei Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus wurde eine Baugenehmigung beantragt. Diese wurde abgelehnt, weil keine Aufstellfläche für die Feuerwehr in den Bauvorlagen dargestellt war, um ein Anleitern mit einem Hubrettungsfahrzeug zu ermöglichen. Gegen die Entscheidung wurde mit Verweis auf den Bestandsschutz des Gebäudes Klage erhoben.

Der Sachverhalt

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten eine Baugenehmigung für den Umbau des 3. OG eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten. Beabsichtigt war die Aufteilung einer Wohnung in zwei Wohnungen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, weil keine Aufstellfläche für die Feuerwehr in den Bauvorlagen dargestellt war. Da die Oberkante der Brüstung der Fenster mehr als 8 m über dem Gelände liege, sei eine Aufstellfläche für die Feuerwehr erforderlich, um ein Anleitern mit einem Hubrettungsfahrzeug zu ermöglichen.

Die Klägerin erhob gegen die Ablehnung der Baugenehmigung Klage. Grundsätzlich genieße das Wohngebäude weiterhin Bestandsschutz. Das 1965 genehmigte und von der Änderung nicht betroffene Brandschutzkonzept bleibe unberührt. Der Beklagten sei ein Änderungsverlangen gemäß § 59 Abs. 2 BauO NRW verwehrt. Der zweite Rettungsweg sei über die dreiteilige Schiebeleiter gesichert.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Gemäß § 90 Abs. 4 BauO NRW 2018 sei der Bauantrag nach der BauO NRW 2000 zu bescheiden. Wegen entgegenstehender brandschutzrechtlicher Mängel habe die Klägerin keinen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung.

Bei der Wohnungsaufteilung handele es sich um eine wesentliche Änderung. Aufgrund der Aufteilung würden sich brandschutzrechtliche Fragen neu stellen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW 2000 sei die Errichtung von Gebäuden, deren zweiter Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr führt und bei denen die Oberkante der Brüstungen anleiterbarer Stellen mehr als 8 m über der Geländeoberfläche liegt, nur zulässig, wenn die erforderlichen Rettungsgeräte von der Feuerwehr vorgehalten werden. Es müsse außerdem mindestens eine Außenwand mit anleiterbaren Stellen über eine für Feuerwehrfahrzeuge befahrbare Fläche erreichbar sein, die ein Aufstellen von Hubrettungsfahrzeugen ermöglicht. Der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr müsse vergleichbar zuverlässig sein wie eine zweite notwendige Treppe. An der anzuleiternden Stelle müsse tatsächlich auch eine effiziente und zeitnahe Rettung mit entsprechendem Rettungsgerät zu erwarten sein. Bei der danach anzustellenden Prognose habe die Einsatzpraxis der örtlichen Feuerwehr maßgebliche Bedeutung. Die für wirksame Löscharbeiten und Rettungsmaßnahmen unerlässlichen standarisierten Abläufe müssten sich an den örtlichen Gegebenheiten orientierten. Nur so lasse sich beurteilen, ob wirksame Rettungsmaßnahmen über eine mit Rettungsgerät erreichbare Stelle gewährleistet erscheinen.

Bis 1984 habe dem Bauordnungsrecht die Annahme zugrunde gelegen, dass der zweite Rettungsweg bei Gebäuden mit bis zu fünf Vollgeschossen über Haken-, Steck- und Schiebeleitern ausreichend gesichert sei. Weil tatsächlich jedoch häufig eine ausreichende Rettungsmöglichkeit fehlte, sei seit der BauO NRW 1984 vorgesehen, dass der zweite Rettungsweg über tragbare Leitern nur bei Gebäuden gesichert werden könne, bei denen die Brüstungsoberkante der zum Anleitern bestimmten Stellen nicht mehr als 8 m über der Geländeoberfläche liege. Auch die dreiteilige Schiebeleiter zähle zu den tragbaren Leitern.

Die Personenrettung über die Schiebeleiter sei jedoch mit Risiken behaftet, aufgrund deren sie bei einer Brüstungshöhe von mehr als 8 m nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen könne. Eine besondere bauliche Situation, die ausnahmsweise den Einsatz der Schiebeleiter rechtfertigen würde, liege hier nicht vor. Die Anleiterstellen im 3. OG des Gebäudes seien für Hubrettungsfahrzeuge für die Vorder- und Rückseite des Gebäudes ohne Weiteres zugänglich. Der örtlichen Feuerwehr zufolge sei ein Einsatz der Schiebeleiter im 3. OG bedenklich, da aufgrund der Wohnungsaufteilung in Zukunft sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite des Gebäudes angeleitert werden müsse. Der Einsatz von zwei Schiebeleitern sei bereits aus personellen Gründen nicht möglich.

Ferner sei zu beachten, dass es im Brandfall in der Regel auf jede Minute ankomme. Die Personenrettung über Schiebeleitern sei aber zeitintensiver als die Rettung über ein Hubrettungsfahrzeug. Der Brandschutzsachverständige der Klägerin habe zwar die Ansicht geäußert, das Personenrisiko für die Bewohner würde im Fall der Wohnungsaufteilung sinken,  da aus kleineren Wohneinheiten weniger Personen gerettet werden müssten. Dem sei entgegenzuhalten, dass  unter Umständen der erste Rettungsweg nicht begehbar sei, sodass innerhalb relativ kurzer Zeit zahlreiche Personen aus mehreren Wohnungen über das Rettungsgerät gerettet werden müssten.

Der Gesetzesbegründung zur BauO NRW 2018 ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber von der seit 1984 maßgeblichen Prämisse abrücken wollte. Dass der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr grundsätzlich über Hubrettungsfahrzeuge zu gewährleisten sei, ergebe sich außerdem auch aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018, der ab einer Brüstungshöhe von 8 m ausdrücklich Zufahrten für die Feuerwehr vorsehe.

Die Klägerin könne auch nicht beanspruchen, die Aufstellfläche im öffentlichen Straßenraum herzustellen, wie sie mit ihrem Hilfsantrag geltend gemacht habe. Die erforderliche Aufstellfläche könne ohne Weiteres auf dem Vorhabengrundstück errichtet werden. Aufgrund der geringen Straßenbreite von rd. 6 m seien ansonsten die Beseitigung von öffentlichen Stellplätzen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und die Anordnung eines absoluten Halteverbots erforderlich. Unabhängig von einem fehlenden Anspruch darauf habe die Klägerin keinen entsprechenden Antrag gestellt. Eine Beschilderung reiche für die Sicherung der Aufstellfläche in diesem Bereich auch nicht aus. Vielmehr sei ein Abpollern der Fläche erforderlich. Eine solche Maßnahme sei von dem straßenrechtlichen Anliegergebrauch nicht gedeckt. Vielmehr handele es sich um eine genehmigungspflichtige Sondernutzung gemäß § 18 StrWG NRW. Auch darauf habe die Klägerin allerdings keinen Anspruch.

Die Folgen

Bemerkenswert ist zunächst, dass das Gericht die beantragte Aufteilung der Wohnung als genehmigungspflichtige bauliche Änderung betrachtet, die den Bestandsschutz zwar nicht insgesamt, aber jedenfalls in Bezug auf die genehmigte Rettungswegsituation erlöschen lässt. Diese Aussage korrespondiert mit der spiegelbildlichen Feststellung, dass sich die Frage des Bestandsschutzes nur im Zusammenhang mit den jeweils in Rede stehenden Einzelanforderungen stellt, sodass der Eigentümer auch nur insofern den Nachweis zu erbringen hat, dass Bestandsschutz besteht (vgl. etwa VGH München, Beschluss vom 14.06.2016 – 19 B 14.01.04.2009 –, juris).

Sodann stellt das Gericht die These auf, dass die Anforderungen in Bezug auf die Personenrettung und die Durchführung von Löscharbeiten in einer Weise erfüllt werden müssen, dass die Voraussetzungen „möglichst optimal“ gegeben sind. Dem Gesetz lässt sich dafür kein Anhaltspunkt entnehmen. Die Annahme einer Art „Optimierungsgebot“ lässt sich danach allenfalls bei nicht geregelten Sonderbauten und den dafür geltenden Vorschriften entnehmen (vgl. etwa  OVG Münster, Urteil vom 21.09.2012 – 2 A 182/11 – juris  – Nagelplattenbinder –). Außer der Gleichstellung von notwendiger Treppe und Rettungsgerät der Feuerwehr in den bauordnungsrechtlichen Vorschriften zum zweiten Rettungsweg findet sich im Gesetz im Übrigen auch kein Beleg dafür, dass die Rettung über das Rettungsgerät „vergleichbar sicher wie über eine notwendige Treppe“ sein muss.

Ob man die Entscheidung als Beginn des Abgesangs auf die dreiteilige Schiebeleiter begreifen kann, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Auch insofern wird zwischen Neubau und genehmigtem Bestand zu differenzieren sein. Wegen der Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums als Aufstellfläche für die Feuerwehr wird auf den Beschluss des VG München vom 28.03.2022 (2 ZB 21.2098 –, juris, besprochen in Ausgabe 03.2022, S. 48) verwiesen.

Der Artikel ist in Ausgabe 4.2022 des FeuerTrutz Magazins  (August 2022) erschienen.

zuletzt editiert am 11.10.2022