Brandschutz auf Großbaustellen ist ein kritischer Aspekt, der oft unterschätzt wird, jedoch entscheidend für die Sicherheit von Arbeitern, Bauwerk und Umgebung ist. Auf Baustellen, insbesondere bei größeren Projekten, besteht aufgrund der komplexen Strukturen sowie der Vielzahl an Materialien und beteiligten Akteuren ein erhebliches Brandrisiko. Zahlreiche entzündliche Materialien, elektrische Installationen und offene Flammen sind potenzielle Gefahrenquellen, die einen Brand auslösen können. Die Redaktion sprach mit Angelo Tonn, der als Sachverständiger im Bereich Brandschutz bei der TÜV Rheinland Industrie Service GmbH derzeit den Umbau der B-Ebene am Frankfurter Hauptbahnhof als Brandschutzkoordinator betreut.
Herr Tonn, würden Sie sich kurz vorstellen und schildern, wie Sie zum Brandschutz gekommen sind?
Ich arbeite derzeit beim TÜV Rheinland Industrieservice GmbH und bin dort mittlerweile im vierten Jahr tätig. Eingestiegen bin ich 2020 mit Beginn des Projekts der Brandschutzkoordination beim Umbau der B-Ebene am Hauptbahnhof Frankfurt und habe dieses auch mit aufgebaut. Die Dienstleistung an sich gab es dort vorher noch nicht. Zu mir selbst: Ich habe in Münster Bauingenieurwesen studiert und parallel meinen Fachplaner Brandschutz gemacht. Anschließend war ich bei einem größeren Chemieunternehmen in der Projektausführung bzw. im Projektgeschäft tätig und bin nach zwei Jahren zum TÜV Rheinland gewechselt. Seit 2020 bin ich dort als Sachverständiger für Brandschutz beschäftigt.
Welche Qualifikation war für diesen Auftrag notwendig?
Gesucht wurde ein Brandschutzbeauftragter nach DGUV mit einigen Zusatzqualifikationen wie möglichst einer Grundausbildung bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dies war erst einmal sehr abstrakt, aber im späteren Verlauf wurde klar, weshalb so gezielt gesucht wurde: Die Feuerwehr benötigt jemanden vor Ort, der die Abläufe widerspiegelt und aus Feuerwehrsicht die Augen offenhält. Es handelt sich um eine Großbaustelle mit einer sehr großen Fläche. Für dieses Projekt dort können u. a. nicht täglich oder wöchentlich die Feuerwehrpläne aktualisiert werden. Auch das Einzugsgebiet der Feuerwehr ist groß; sie kann daher nicht wöchentlich vorbeikommen und sich alles anschauen.
Wenn Sie das Aufgabengebiet schildern, würden Sie es Brandschutzkoordinator nennen?
Ich glaube, es ist eher ein Sonderfall, auch speziell mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr. Aber für diese Großbaustellen kann der Arbeitsbereich schon als Bandschutzkoordinator bezeichnet werden. Nach der Baustellenverordnung ist ein SiGeKo (Sicherheits- und Gesundheitskoordinator) gefordert, aber Brandschutz wird dadurch nicht abgedeckt, weshalb wir das übernehmen. Beauftragt wurden wir dann vom Bauherrn.
Wie grenzen sich die Aufgaben zur Fachbauleitung Brandschutz ab?
Die Fachbauleitung obliegt dem Brandschutzkonzeptersteller. Er sammelt später alle Dokumente und prüft diese stichprobenhaft. Zudem prüft er die Verwendbarkeitsnachweise und gleicht ab, ob diese vor Ort dem geplanten Stand entsprechen. Wir hingegen schauen uns den Stand auf der Baustelle an: Wir prüfen die Baustelle nach dem bauzeitlichen Brandschutzkonzept und weisen auf Mängel hin. Letztlich haben wir die Aufgaben eines Brandschutzbeauftragten während des Baustellenbetriebs. Ein Austausch mit der Fachbauleitung findet natürlich statt, aber mittlerweile wäre dies zur Bauzeit nicht unbedingt notwendig. Für die Fachbauleitung ist der Endzustand wichtig. Wir sehen täglich alle Zwischenstände auf der Baustelle, die wiederum für sie nicht relevant sind.
Aufgaben Brandschutzkoordinator
Aufgaben Brandschutzkoordinator
Aufgrund der Besonderheiten der Sanierung im Bestand und vor dem Hintergrund der bauordnungsrechtlichen Schutzziele wurden in Abstimmung mit der Feuerwehr die Aufgaben des Brandschutzkoordinators wie folgt definiert:
- Mitwirkung an der Erstellung der Brandschutzordnung
- Beratung bei Brandschutzfragen
- Ansprechpartner für die Feuerwehr
- Zusammenarbeit mit dem BSB des HBF & SiGeKo der Baustelle
- Einweisung der Nachunternehmer
- Einweisung und Ausbildung der Brandschutzhelfer
- Tägliche Begehung der Baustelle, Schwerpunkte: Einhaltung Baustellen-Brandschutzkonzept, Rettungswege, Zugänglichkeiten, Peripherie der Feuerwehr, Schottungen, Lagerflächen, Berichte mit Meldung über Verstöße
- Anwesenheit bzw. Organisation einer Alarmierungskette für den Ereignisfall, Schwerpunkte: Einweisung der Feuerwehr, Lageerkundung, Organisation von Erstmaßnahmen, Alarmierung
- Organisation der regelmäßigen Prüfung von Sicherheitseinrichtungen
- Organisation der regelmäßigen Aktualisierung der Pläne (Flucht- und Rettungspläne, Feuerwehrpläne, Laufkarten)
- Ersatzmaßnahmen bei Defekten z. B. BMA/Sprinkler
- Erlaubnisscheinsystem bei Abschaltung BMA und Durchführung von Heißarbeiten
- Ersatzmaßnahmen für Abweichungen von dem Baustellen-Brandschutzkonzept
Sind Sie für das Projekt jeden Tag vor Ort?
Ja, das ist auch tatsächlich erforderlich, weil viele Akteure zu berücksichtigen sind. Baustelle bedeutet, dass jeden Tag etwas passiert, es wird entweder etwas abgerissen oder neu gebaut. Daher müssen wir auf der Baustelle sein. Der Bereich, der am meisten herausfordert, ist dabei die Trennung von Baustelle und öffentlichem Bereich. Wir sind zu dritt als Team unterwegs und haben uns die Tage aufgeteilt, sodass wir immer vor Ort sein können.
In welcher Leistungsphase wurden Sie hinzugezogen?
Wir haben den Auftrag kurz vor Projektstart erhalten, also in der Ausführungsphase (Leistungsphase 8). Vor Ort musste ich mich dann erst einmal einarbeiten und alles verstehen, aber ich denke, dass ich zum richtigen Zeitpunkt hinzugezogen wurde.
Welche Kompetenzen sind für Ihre Aufgaben wichtig?
Man sollte fundierte Grundkenntnisse im Arbeitsbereich eines Brandschutzbeauftragten mitbringen, denn eine Großbaustelle ist schon sehr komplex. Man kann entweder zu einem Schott gehen, das mit Mineralwolle ausgestopft ist, aber keine Kennzeichnung hat, und sagen, dass es nicht zulässig ist, oder fragt nach dem Schutzziel wie z. B. der „Rauchübertragung“: Wenn dort eine Mineralwolle dicht gestopft drin ist, ist das Schutzziel erfüllt. Wir müssen ja von einem provisorischen Zustand ausgehen, nicht von einem Dauerzustand. Es muss auch unterschieden werden, ob es z. B. für sechs Wochen oder ein Jahr halten muss; dies sollte mitbewertet werden.
Denken Sie, für Ihre Position ist zwingend ein Hintergrund in der Brandschutzfachplanung nötig, oder reicht der Brandschutzbeauftragte?
Kenntnisse in der Planung helfen natürlich dabei, die Abläufe und Hintergründe besser zu verstehen. Aber ein Kollege ist direkt als Brandschutzbeauftragter eingestiegen und unterstützt mich auch sehr gut.
Welche Herausforderungen treffen Sie bei der täglichen Arbeit an?
Auf einer Baustelle passiert täglich sehr viel. Es kommen viele Beteiligte auf einen zu, die Bauüberwachung hat teils brandschutztechnische Fragen, es wird gearbeitet. All diese Aspekte auf der Baustelle und die Einflüsse, die von außen hinzukommen, sind eine Herausforderung. Auch die Feuerwehr hat Fragen und möchte auf dem aktuellen Stand gehalten werden – das alles zu koordinieren macht das Aufgabenfeld interessant.
Die brandschutzkritischsten Arbeiten sind sicherlich Schweißarbeiten, aber gibt es noch andere Dinge, die ein besonderes Augenmerk erfordern?
Tatsächlich ja, die Logistik: Eine riesige Fahrtreppe kommt beispielsweise nicht einfach durch eine 1,20 m breite Tür, die sich gerade in einer Trennwand befindet. Es gibt also Situationen, in denen man diese Trennwand für einen Zeitraum X öffnen muss. Das bedeutet für mich, dass ich mich mit dem Brandschutzbeauftragten des Bahnhofs (öffentlicher Bereich) austauschen und absprechen muss. Wir sind für die Baustelle und er ist für den Normalbetrieb zuständig. Wenn eine Öffnung zwischen Baustelle und öffentlichem Bereich hergestellt wird, muss z. B. eine Sicherheitswache für diesen Zeitraum anwesend sein, die dann meldet, wenn etwas passiert. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, muss die Trennwand wieder fachgerecht verschlossen werden. Aufmerksamkeit erfordern auch Bereiche mit Schadstoffsanierungen. Diese müssen gesperrt werden, und dabei gilt unser erster Gedanke natürlich den Fluchtwegen: Funktionieren die noch, oder müssen wir sie temporär umleiten?
Wie schätzen Sie grundsätzlich die Kommunikation mit den Gewerken ein?
Das meiste bekommt man mit, wenn man selbst vor Ort ist und sich das alles anschaut. Mit den meisten Firmen haben wir mittlerweile ein gutes Verhältnis, viele kommen auf uns zu und umgekehrt. Das ist eine harmonische Kommunikation in diesem Bereich.
Wenn Sie das Projekt Großbaustelle als Ganzes betrachten: Gibt es Verbesserungsvorschläge Ihrerseits?
Das ist schwierig zu sagen. An der Kommunikation kann man immer arbeiten. Es gibt natürlich die eine oder andere Situation, in der man eher einmal den Hörer für ein persönliches Gespräch in die Hand nehmen sollte, anstatt eine E-Mail zu schreiben, das kommt schon vor.
Danke für das Gespräch!
Das Interview ist in Ausgabe 5.2024 des FeuerTrutz Magazins (Oktober 2024) erschienen.
