Eine moderne Textilfabrik mit einer Produktionslinie, die Stoffe verarbeitet.
Wichtig beim betrieblichen Brandschutz ist eine Verankerung in der Unternehmenskultur: Ist diese nicht gegeben, folgen häufig Probleme. (Quelle: Lalit Kumar / Unsplash)

Planung | Ausführung 2025-07-16T07:22:50.071Z „Brandschutz muss Teil der Unternehmenskultur werden“

Im Gespräch mit Markus Kraft, staatlich anerkannter Sachverständiger und Prüfingenieur für Brandschutz

Der betriebliche Brandschutz in einem Industriebetrieb erfordert eine gut strukturierte Organisation, umfassende Risikoanalysen und ein geschultes Bewusstsein der Mitarbeitenden. Wir haben mit Markus Kraft, staatlich anerkannter Sachverständiger und Prüfingenieur für Brandschutz, über typische Risiken, die Rolle des Brandschutzbeauftragten und organisatorische Herausforderungen im industriellen Umfeld gesprochen.

André Gesellchen: Herr Kraft, Sie sind vor allem als Planer tätig. Heißt das, dass Sie von den Unternehmen in der Nutzungsphase dann oft wenig hören, oder begleiten Sie die Kunden länger?

Markus Kraft: Da muss man ein wenig unterscheiden. Es gibt auf der einen Seite die klassischen Investorenprojekte, bei denen jemand ein Gebäude errichtet und mitunter noch keinen Mieter oder Nutzer hat. Bei diesen Objekten ist es oft so, dass das Thema betrieblicher Brandschutz nur im Zuge der baurechtlichen Abnahmen relevant wird. In der Baugenehmigung steht also, es muss eine Brandschutzordnung erstellt werden, auch wenn diese zu dem Moment nur sehr oberflächlich sein kann, weil eine Nutzung noch nicht feststeht.

Ein anderes Thema sind Projekte, bei denen uns der Betreiber direkt mit konkreten Fragestellungen beauftragt, weil er eine behördlich geforderte Brandschutzordnung vorlegen muss. Dabei ist es so, dass wir sehr tief in das Unternehmen, auf die Organisationsstrukturen und die Risiken schauen, um dann ein objektspezifisches Papier zu erstellen. In ausgewählten Projekten unserer Stammkunden übernehmen wir mitunter die Aufgabe des Brandschutzbeauftragten und sind daher natürlich in den ganzen Prozess eingebunden.

Wie ist aus ihrer Sicht die Akzeptanz des betrieblichen Brandschutzes bei Industrieunternehmen: Wird er eher als unwillkommener Kostenfaktor angesehen oder ernst genommen?

Ich glaube, das ist unterschiedlich: Größere Industrieunternehmen, insbesondere solche mit internationaler Ausrichtung, haben eine ausgeprägte Sicherheitskultur. Brandschutz ist dort fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Bei kleineren und mittleren Betrieben hingegen erleben wir häufig, dass Brandschutz als Pflichtaufgabe wahrgenommen wird. Das sieht man auch daran, dass die Brandschutzbeauftragten das nur in Teilzeit machen oder vielleicht nicht so hoch qualifiziert sind, wie es sinnvoll wäre. Die Herausforderung liegt dann darin, das Bewusstsein für den betrieblichen Brandschutz und die Risiken eines Brandfalls zu verbessern.

Podcast FeuerTrutz On Air

Das Interview mit Markus Kraft ist ein Auszug aus dem Gespräch in der sechsten Folge des Podcasts FeuerTrutz On Air.

Der Podcast ist 2024 gestartet und bietet spannende Einblicke in aktuelle Themen und Herausforderungen der Brandschutzbranche. In Staffel 1 dreht sich alles um den Brandschutz im Industriebau. Die sechste Folge widmet sich dem Thema „Betrieblicher Brandschutz in der Industrie“ und ist auf allen gängigen Streamingplattformen sowie auf unserer Webseite abrufbar.

Im Sommer 2025 startet die zweite Staffel zum Thema Brandschutz im Bestand. Alle Infos rund um den Podcast gibt es hier.

Was genau versteht man unter betrieblich-organisatorischem Brandschutz, und warum ist er in Industrieunternehmen besonders wichtig?

Beim betrieblichen Brandschutz sprechen wir von Regelungen, Festlegungen und Organisationsstrukturen, die sowohl präventiv als auch im Schadensfall greifen. Dazu gehören klare Vorgaben, wer was macht, sowohl im Rahmen der Brandverhütung als auch bezüglich des Verhaltens im Brandfall. Ziel dieser betrieblichen Brandschutzorganisation ist es dann, den Eintritt eines Schadens zu verhindern, eine wirkungsvolle Alarmierung und Räumung des Gebäudes zu ermöglichen sowie die eigenen Mitarbeiter zu befähigen, Entstehungsbrände zu bekämpfen und die begleitenden Maßnahmen für die Feuerwehr vorzubereiten.

Speziell in der Industrie gibt es sehr unterschiedliche Risiken. Es gibt klassische Beispiele mit sehr großen Brandlastdichten aufgrund von Lagerungen oder aufgrund von brennbaren Materialien oder auch besondere Risiken im Sinne von Anforderungen aus dem Produktionsprozess: Wir hatten z. B. mal eine Anlage, die Zinkpellets hergestellt hat. Darin wird das Zink aufgeschmolzen und durch ein Düsensystem ausgespritzt. Dabei geht man also mit flüssigen, mitunter brennbaren Metallen um. Dann ist eine individuelle Risikoanalyse unverzichtbar.

Können Sie schildern, auf welche Schultern der betriebliche Brandschutz in größeren Industrieunternehmen verteilt ist?

Das ist eine spannende Frage, weil wir sehr oft zu Beginn unserer Arbeit an solchen Projekten mit dem Auftraggeber darüber diskutieren, wer die handelnden Personen im Rahmen der betrieblichen Brandschutzorganisation sind. Die schwierigste Frage, die mitunter zu klären ist: Wer steht über dem ganzen Konstrukt? Wir haben oft den Fall, dass die Immobilie einem Eigentümer gehört, vielleicht einer Fondsgesellschaft in England. Diese hat das Gebäude an einen Betreiber übergeben, der die Betreiberverantwortung hat, aber letztlich nur ein Dienstleister ist. Oder das Gebäude wird von einem Unternehmen genutzt, dass sich aufspaltet in einen Aufsichtsrat, einen Vorstand, eine Geschäftsführung und dann vielleicht noch Abteilungen. Wenn man jetzt fragt, wer hat welche Aufgaben im betrieblichen Brandschutz, stellt man fest, dass diese Frage überhaupt nicht mehr trivial ist.

Wenn Sie vielleicht einfachere Fälle haben, bei denen es wirklich nur den Unternehmer gibt, müssen Sie sich Gedanken machen, welche Aufgaben für den Industriebau im betrieblichen Brandschutz erforderlich sind. Einen Brandschutzbeauftragten braucht man erst ab 5.000 m2 Grundfläche. Werden die nicht überschritten, gibt es erst einmal keine gesetzliche Anforderung. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob eine Person mit gewissem Fachwissen im Brandschutz nicht doch sinnvoll ist.

Außer dem Brandschutzbeauftragten gibt es auch viele andere Beteiligte. Im Fachbuch „Betrieblicher Brandschutz“ beschreiben mein Co-Autor Torben Wüllner und ich diese bewusst als Brandschutzfunktionsstellen, um klarzumachen, dass es um Aufgabenverteilung geht. Ein Beispiel ist der Abteilungsleiter, dem oft die Erstunterweisung der Mitarbeiter im Brandschutz obliegt. Ein weiterer Punkt ist die Frage, wer das Schweißerlaubnischeinverfahren umsetzt oder z. B. auch der Pförtner, der eine Auskunft an die Feuerwehr geben kann. All diese Brandschutzfunktionsstellen müssen tatsächlich ausgearbeitet werden.

Bei Industriebauten ändert sich oft im Lauf der Zeit die Nutzung. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass der organisatorische Brandschutz dauerhaft aktuell bleibt?

Man muss dort bei den verantwortlichen Stellen das Bewusstsein schaffen, dass es um einen kontinuierlichen Prozess geht. Die Brandschutzordnung wird nicht einmal erarbeitet und ist dann ein starres Dokument. Anders ist es beim Brandschutzkonzept: Das ist eine Bauvorlage, die einmal erstellt und dann nur im Zuge von großen Umbaumaßnahmen angepasst und neu genehmigt wird. Die Brandschutzordnung ist hingegen ein Papier für das Unternehmen. Sie kann jederzeit angepasst und geändert werden, und davon muss auch Gebrauch gemacht machen.

Man muss sich immer wieder mit diesem Thema beschäftigen, und es macht Sinn, eine Sensibilisierung bei den Führungskräften auch mit Blick auf deren Haftungsrisiken zu erreichen. Denn es müssen letztlich personelle Ressourcen geschaffen werden, und daran möchten Betriebe oft sparen.

Wenn es einen Brandschutzbeauftragten im Betrieb gibt: Was sind konkret seine wichtigsten Aufgaben?

Das Aufgabengebiet kann sehr stark variieren. Grundsätzlich ist nirgendwo gesetzlich geregelt, was der Brandschutzbeauftragte alles zu tun hat. In den meisten Unternehmen ist der Brandschutzbeauftragte keine 24-Stunden-Stelle, sondern ein Mitarbeiter mit normalen Arbeitszeiten: Darum verbietet es sich eigentlich schon automatisch, ihm Aufgaben für den Schadensfall mitzugeben. Man muss damit rechnen, dass bei einem Brand um 20 Uhr kein Brandschutzbeauftragter im Betrieb ist. Die Aufgaben müssen dann von anderen Funktionsstellen aufgefangen werden.

Ich mache gern Werbung dafür, den Brandschutzbeauftragten wie einen internen „Fachberater Brandschutz“ zu verstehen. Wichtig ist, dass alle Abteilungen, Führungskräfte und Mitarbeiter wissen, dass er der Ansprechpartner für Brandschutzthemen ist. Er kann Ratschläge geben oder auch darauf hinweisen, dass weitergehende Maßnahmen erforderlich sind. Insbesondere bei großen Industrieunternehmen, in denen immer wieder umgebaut und umorganisiert wird, muss der Brandschutzbeauftragte in diese Prozesse eingebunden werden und die Möglichkeit haben, im Zweifelsfall einen externen Sachverständigen vorzuschlagen, der sich komplexer Fragen annimmt.

Hinzu kommen außerdem Themen wie die Unterweisung der Mitarbeiter. Ob dies „stemmbar“ ist, hängt von der Größe des Unternehmens ab. Gewisse Tätigkeiten in der Dokumentation sind auch ein zentraler Bestandteil des Aufgabenbereichs. Werden Mängel gefunden, ist es Aufgabe des Brandschutzbeauftragten, diese in Berichten zu dokumentieren und an die entsprechende Stelle zur Abarbeitung zu melden.

Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten organisatorischen Fehler im Industriebau?

Ganz klar übergeordnet ist die Frage: Wird Brandschutz in der Unternehmenskultur gelebt? Wenn das nicht der Fall ist, finden Sie oft eine ganze Reihe von Problemen. Das fängt an mit unsachgemäßer Lagerung, aber auch das Zustellen von Rettungswegen und fehlende Wartung von sicherheitstechnischen Anlagen gehören dazu. Auch bei Änderungen von Produktionsabläufen oder Umbaumaßnahmen, die ohne brandschutztechnische Begleitung umgesetzt werden, entstehen Probleme. Auch meiner Sicht ist das Kernproblem im Industriebau also oft eine fehlende Sensibilisierung für die Auswirkungen eines Brandfalls.

Wenn Sie den Entscheidern im Industriebau einen zusammenfassenden Rat zum betrieblichen Brandschutz geben dürften, welcher wäre das?

Brandschutz muss Teil der Unternehmenskultur werden und darf nicht als rein formale Pflicht betrachtet werden. Dazu gehört eine Brandschutzordnung, vielleicht ein Brandschutzbeauftragter, und auch Schulungen sind wichtig. Nur so lassen sich am Ende Produktionsausfälle vermeiden, die bekanntermaßen viel kritischer sind als der Brand selbst.

Herr Kraft, vielen Dank für das Gespräch!

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zuletzt editiert am 17. Juli 2025