Abb. 1: Gebäude G38 Wohnen/KiTa (Quelle: www.casparsessler.com)

Planung | Ausführung 31. May 2023 Brandschutzkonzept: Wohnen und Kita in Holzbauweise

In Bremen entstehen zwei Gebäude in Holzbauweise. Der Holzanteil beträgt bei beiden Gebäuden ca. 70%, Holzoberflächen bleiben sichtbar, ein hoher Anteil an Naturbaustoffen konnte realisiert werden. Anhand dieses Praxisbeispiels soll gezeigt werden, wie diese Ziele umgesetzt werden konnten und welchen Herausforderungen sich die Architekten stellen mussten.

Auf den Baufeld "Ellener Feld" in Bremen entsteht ein neues Quartier. Der Bauherr, die Bremer Heimstiftung, hat sich zum Ziel gesetzt, dort Gebäude unterschiedlicher Art und Weise zu schaffen, die einen großen Holzanteil und einen hohen Anteil an Naturbaustoffen besitzen. Auf den Einsatz fossiler Dämmstoffe soll außerdem verzichtet werden. Auf Baufeld 5 entstehen zwei Gebäude, ein fünfgeschossiges und ein zweigeschossiges Gebäude in Holzbauweise, die eine Kindertagesstätte und Wohnungen beherbergen.

Kostenloser Download: Themendossier "Brandschutz im Holzbau"

Das Dossier behandelt den Brandschutz im Holzbau aus verschiedenen Sichtweisen: Es zeigt aktuelle Forschungsergebnisse sowie den Stand der Normung und stellt Projekte aus der Praxis vor.

Das Themendossier "Brandschutz im Holzbau" ist kostenlos als Download erhältlich.

Bauordnungsrechtliche Einordnung

Kita Außenansicht
Abb. 2: Gebäude G49, KiTa (Quelle: www.casparsessler.com)

Aufgrund der Nutzung als Kindertagesstätte werden beide Gebäude als Sonderbauten eingestuft.

Bei dem kleinen Gebäude, G49 (Abb. 2), handelt es sich um ein Gebäude der Gebäudeklasse 3, bei dem großen Gebäude, G38 (Abb. 1), um ein Gebäude der Gebäudeklasse 4.

Für Holzbauten der Gebäudeklasse 4 wurde 2019 zur Erstellung des Brandschutznachweises [8] noch die Muster- Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR) [3] angewendet.

Holzanteil, Holzsichtigkeit

Holzträger und Holzstützen
Abb. 3: Sichtbare Holzträger und Holzstützen, Gebäude G38, KiTa (Quelle: ZRS Architekten Ingenieure)

Gewünscht ist der Einsatz von möglichst vielen Holzbauteilen, die auch als solche sichtbar sind. In beiden Gebäuden bleiben Tragwerk und Decken holzsichtig (Abb. 3 und 4).

Die Treppenräume und der Aufzugskern sind in Massivholzbauweise errichtet, Treppenraumwände bleiben holzsichtig und erhalten in der KiTa eine Akustikdecke aus Holzpaneelen. Die interne Erschließung der zweigeschossigen KiTa erfolgt über Holztreppen. In G49 wird die Brandabschlusswand in Holzrahmenbauweise erstellt. Die Außenwände beider Gebäude sind als Holzrahmenbauweise mit hinterlüfteter Holzbekleidung geplant. Einzig die Bodenplatte und die Treppenläufe wurden als Stahlbetonbauteile ausgeführt. Die Decken des großen Gebäudes sind als Hybridbauteil, als Holz-Beton-Verbunddecken ausgeführt. Dabei bilden massive Brettsperrholzelemente die untere Lage, oberseitig wurde eine 10 cm starke Ortbetonschicht realisiert.

Tragwerk aus Holz und holzsichtig

Wohnung mit sichtbaren Holzdecken
Abb. 4: Holzsichtige Decken, Gebäude G38, Wohnungen (Quelle: www.casparsessler.com)

Um bei dem Tragwerk auf die geforderte brandschutzwirksame Bekleidung verzichten zu können, wird das Tragwerk vom Tragwerksplaner auf 60 Minuten Abbrand berechnet. Tragende und aussteifende Wände sind mit der sich dann bildenden Kohleschicht genauso ausreichend lange standsicher wie ein bekleidetes Bauteil.

Schon in den frühen Leistungsphasen muss diese Vorgehensweise abgestimmt werden, da dann Querschnitte der Stützen und Unterzüge festgelegt werden. Die Verbindungen der Bauteile untereinander und mit anderen Bauteilen müssen richtig geplant werden. Alle Anschlüsse werden in einer Detailplanung des Tragwerksplaners berechnet und detailliert dargestellt. Diese statischen Details werden in die Architektenplanung integriert und mit den anderen Fachplanern abgestimmt. Schnittstellen sind dabei insbesondere Rauchdichtigkeit und Regeldurchbrüche für die Installation der Technischen Gewerke. Problematisch sind sehr oft nicht ausreichende Planungszeiten des Tragwerksplaners in den frühen Leistungsphasen bzw. eine gänzlich fehlende Detailplanung des Tragwerksplaners und die fehlende Integration der Technik.

Decken, Holz-Beton-Verbunddecken und Massivholzdecken, holzsichtig

Aufgrund der unterschiedlichen Nutzungen im großen Gebäude G38 (Wohnungen in den Obergeschossen und KiTa im EG/OG 1) wurden aus den daraus resultierenden unterschiedlichen Spannweiten HBV-Decken geplant [7]. HBV-Decken sind zunächst kein genormtes Bauteil. Der Nachweis für den Verbund von Beton und Holzbauteilen wird oft über zugelassene Schrauben oder Schubverbindungen erbracht. In Bremen wurden die Brettsperrholzdecken mit sogenannten Kerven ausgeführt, die in Verbindung mit Schrauben den Verbund herstellen. Der Nachweis konnte nur in Abstimmung mit dem Prüfingenieur für Standsicherheit geführt werden. Als Herausforderung ist die Führung der Elektroleitungen zu nennen. Vor Ort mussten diese so verteilt werden, dass die Bewehrung immer noch mit genügend Beton umhüllt ist und nicht z. B. durch Kabelbündel Hohlräume entstehen.

Treppenräume aus Massivholz und holzsichtig

Treppenraum
Abb. 5: Treppenraum, Gebäude G49 (Quelle: www.casparsessler.com)

Der Treppenkern beider Gebäude wird aus Massivholz errichtet (Abb. 5). Abweichend sollen die Wände holzsichtig bleiben. Kompensierend werden Treppenläufe und Podeste in G38 nichtbrennbar als Betonfertigteile ausgeführt. Alle Türen zum Treppenraum erhalten feuerhemmende, rauchdichte und selbstschließende Abschlüsse und damit eine höhere Brandschutzanforderung als bauordnungsrechtlich gefordert. Die Anforderung hochfeuerhemmend und mechanisch belastbar an die Treppenraumwände wird gemäß einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis erfüllt, indem raumseitig die Wand doppelt nichtbrennbar bekleidet wird. Dazu sind in der Ausführungsplanung frühzeitig geeignete Systeme zu recherchieren und ggf. mit den Herstellern abzustimmen.

Aufzugskern aus Massivholz

Auch der Aufzugskern ist komplett aus Massivholz ausgeführt. Innenseitig wird er mit einer nichtbrennbaren Bekleidung ausgeführt. Ein Problem in der Umsetzung ist jedoch die Befestigung des Aufzugs an diesen Wänden. Unter den Aufzugherstellern ist die Montage der Aufzüge an massiven Schachtwänden weit verbreitet. Den Nachweis für die Befestigung der Aufzüge an Massivholzwänden können die wenigsten Aufzughersteller liefern. Dieser Nachweis muss „bauseits“ geliefert werden. Wird diese Schnittstelle nicht frühzeitig in der Planung geklärt und setzt man sich mit dem Problem erst auf der Baustelle auseinander, ist eine Bauablaufstörung vorprogrammiert. Auch in Bremen musste der Nachweis durch den Statiker erbracht werden [7], die Befestigung wurde berechnet, und dem Aufzugsbauer wurden entsprechende Vorgaben gemacht.

Brandwand in Holzrahmenbauweise

Das kleinere Gebäude, G49, grenzt direkt an eine Nachbarbebauung an. Diese Abschlusswand ist deshalb als Brandwand auszubilden. In GK 3 werden die Anforderungen an eine Brandabschlusswand feuerbeständig von außen und feuerhemmend von innen durch ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis erfüllt, das die Anwendung als Holzrahmenbauwand zulässt. Bei der Bauausführung ist darauf zu achten, dass der Unternehmer sich auch an das im allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis genannte System hält (in diesem Fall außenseitig WDVS, verputzt). Ein weiteres Ausführungsproblem vor Ort ist immer wieder die Anforderung, dass keine brennbaren Bauteile über die Brandwand hinweggeführt werden dürfen. Dies betrifft in den meisten Fällen die Ausführung der Attika, aber auch die seitliche Verkleidung der Brandwand. Auch in Bremen sollte die brennbare Holzbekleidung über die Brandwand hinweggeführt werden. Im Brandschutznachweis wurde dafür eine entsprechende Abweichung formuliert.

Außenwandkonstruktion in Holzrahmenbauweise und mit hinterlüfteter Außenwandbekleidung aus Holz

Die Außenwände beider Gebäude wurden als Holzrahmenbau mit integrierter Zellulosedämmung und einer hinterlüfteten Außenwandbekleidung aus Holz geplant. Bauordnungsrechtlich sind Außenwände aus brennbaren Baustoffen feuerhemmend auszuführen. Ab GK 4 werden zudem zusätzliche Anforderungen an die Außenwandbekleidung gestellt. Oberflächen müssen inkl. der Unterkonstruktion schwerentflammbar ausgeführt werden. Bei hinterlüfteten Außenwandbekleidungen sind außerdem besondere Vorkehrungen zu treffen.

Holzfassade
Abb. 6: Außenwand, Gebäude G38 (Quelle: www.casparsessler.com)

Abweichend von den bauordnungsrechtlichen Anforderungen sieht die Fassadengestaltung eine hinterlüftete Holzbekleidung in Form in sich abgeschlossener Fassadenfelder vor (Abb. 6). Durch die Nut-Feder-Verbindung der Verschalung entstehen formschlüssige Holzflächen, die wiederum durch horizontale Stahlbleche und vertikal auskragende Massivholzleisten begrenzt werden. Eine Brandausbreitung auf diesem Bauteil wird damit ausreichend lange begrenzt. Die Brandausbreitung in der Hinterlüftungsebene wird durch umlaufende Brandsperren um die Fenster begrenzt. Horizontal sind diese im Brüstungs- und Sturzbereich aus Stahlblech, senkrecht als Massivholzprofile ausgeführt. Hinter den Fallrohren verhindern vertikale Stahlbleche zusätzlich die Brandausbreitung in der Hinterlüftungsebene. Die Ausführung der Außenwand aus brennbaren Baustoffen erfolgt gemäß einem allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis feuerhemmend. Darin sind der Einsatz der Zellulosedämmung innerhalb der Außenwand sowie die Ausführung der äußeren Schicht aus Holzfaserdämmung und die Ausführung der inneren Beplankungslagen aus OSB und Gipsfaser geregelt.

Einsatz von brennbaren Dämmstoffen

Einblasen der Dämmung in einen Holzrahmen in einer Werkstatt
Abb. 7: Vorfertigung Holzrahmenbauwände, Einblasen der Dämmung (Quelle: ZRS Architekten Ingenieure)

Innerhalb der Holzrahmenbauteile an Außenwänden und Trennwänden wird auf den Einsatz von nicht brennbaren Dämmstoffen verzichtet. Stattdessen nachhaltigere Baustoffe einzusetzen ist eine weitere Herausforderung. Für den Einsatz von brennbaren Dämmstoffen in den raumabschließend hochfeuerhemmenden Trennwänden wird eine Erleichterung gestellt. Gemäß M-HFHHolzR [3] dürfen in diesen Bauteilen keine Installationen geführt werden. Dafür sind Installationszonen vor diesen Bauteilen geplant. Dies entspricht auch den Anforderungen der neuen Muster-Holzbaurichtlinie (M-HolzBauR) [4]. Des Weiteren wird auf umfangreiches Wissen aus der Forschung zurückgegriffen, durch das bestätigt wurde, dass Zellulosefasern wie Holz eine Kohleschicht bilden und die Holzständer vor einem dreiseitigen Abbrand schützen [9].

Ein großer Vorteil des Holzbaus ist der hohe Grad an Vorfertigung. Werkseitiges Einblasen von Zellulose- oder Holzfaserdämmstoffen ermöglicht einen dichten und hohlraumfreien Einbau. Maschinen blasen mittels Einblasplatten über Einblasstutzen Zellulose in die Gefache ein (Abb. 7). [...]

Weiterlesen? Der vollständige Artikel enthält u.a. weitere Erläuterungen zur Kompensation durch das Rettungswegkonzept und die Alarmierung sowie zu Bauteilanschlüssen, Abschottungen in Deckenund Wänden und die Vorfertigung im Holzbau. Der Artikel ist im FeuerTrutz Dossier "Brandschutz in Holzbauten" (Februar 2023) erschienen. Das komplette Dossier ist kostenlos als Download erhältlich.

Quellen

  • Bremische Landesbauordnung (Brem LBO) vom 04.09.2018
  • Bremische Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (BremVV TB) vom 10.09.2018
  • Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR), Fassung Juli 2004
  • Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (M-HolzBauRL), Fassung Oktober 2020
  • Gutachterliche Stellungnahme Nr. GA-2016/059c – Nau vom 17.12.2020
  • ZRS Architekten GvA mbH, Ausführungsplanung, 109_ELH
  • ZRS Ingenieure GmbH, Ausführungsplanung und Detailplanung, 17062_ELH
  • ZRS Architekten GvA mbH, Brandschutznachweis (Nr. 01/2017) vom 22.05.2019
  • Bericht, Ernst & Sohn, Bauphysik 29 (2007), Heft 4, Anwendung brennbarer Dämmstoffe im mehrgeschossigen Holzbau, D. Hosser, B. Kampmeier
zuletzt editiert am 18.08.2023