Der Versuchsspeicher zur Lagerung von Getreide am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal wurde für die Berliner Bevölkerung Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Nun galt es, dem heute unter Denkmalschutz stehenden Gebäude eine in die Zukunft gerichtete Nutzung durch Umbau und Erweiterung zu ermöglichen und dabei die Besonderheiten dieses Pionierbaus in betontechnologischer Sicht zu erhalten. Welchen Beitrag leistet der vorbeugende Brandschutz dabei?
Das Gebäude (Abb. 1) wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus Mauerwerkswänden mit aussteifender Holzkonstruktion zur Speicherung von Getreide errichtet und bereits um 1909 umfänglich umgebaut und erweitert. Aus dieser Zeit resultiert der Anbau in Form eines von außen sichtbaren Stahlbetonskelettbaus (Abb. 1 und 2) mit sogenannten Schüttendecken (Trichterspeicherdecken, Abb. 3) im Gebäudeinneren, die auch die bis dahin vorhandenen Holzkonstruktionen im bestehenden Speicher ersetzten. Zu jenem Zeitpunkt war der Kornversuchsspeicher einer der ersten Stahlbetonbauten dieser Nutzung und diente auch der Erprobung der modernen Betontechnologie und ihrer Einsatzmöglichkeiten [1].

Nach längerem Leerstand von Teilbereichen bzw. nach der Nutzung durch Künstler bestand ab 2015 der Wunsch nach einem gesamtheitlichen zeitgemäßen Nutzungskonzept und insbesondere der Instandsetzung des Gebäudes. Mit Fertigstellung der Baumaßnahme 2023 wurden Büro- und Co-Working-Arbeitsplätze in den Obergeschossen geschaffen, und im Erdgeschoss sind Flächen für eine öffentliche Nutzung als Café- und Empfangsbereich mit daran anschließenden Ausstellungsflächen entstanden. Die Besonderheiten bei der Planung und Bauausführung des Gebäudes in der Gebäudeklasse 5 aus Sicht des vorbeugenden Brandschutzes werden in diesem Beitrag betrachtet.
Umgang mit den Schüttendecken

Die bauzeitlichen trichterförmigen Schüttendecken wurden als bewehrte Betonkonstruktion mit einer mittleren Bauteildicke von 16 cm hergestellt. Wegen der zentralen Auslassöffnungen für die Getreideschüttung war ein Raumabschluss zwischen den Geschossen in den Lagerbereichen nicht vorhanden. Die Frage, was mit den aus denkmalpflegerischer und gestalterischer Sicht erhaltenswerten Decken geschehen sollte, wurde unter Berücksichtigung der erforderlichen Nutzungsbedingungen (Raumhöhe, Begehbarkeit) und des aus Bauteiluntersuchungen qualitativ abgeleiteten Feuerwiderstands beantwortet: Für den erforderlichen feuerbeständigen Raumabschluss besteht nach umfänglicher Untersuchung und Abwägung keine vertretbare Möglichkeit, die Trichter der Schüttendecken zu ertüchtigen. Daher wurden neue Geschossdecken eingezogen, die oberhalb der Trichter angeordnet sind. Der geforderte feuerbeständige Raumabschluss wird durch die neue Stahlbetondecke sichergestellt, die auf den vorhandenen Stahlbetonbalken auflagert (Abb. 4), sodass die in Teilen verbleibenden Schüttendecken als bauzeitliche Zeugen der Industriebauzeit sichtbar bleiben (vgl. Abb. 3). Die Betontrichter tragen im Endzustand lediglich ihr Eigengewicht. Es war im Rahmen des konstruktiven Brandschutzes sicherzustellen, dass die Betontrichter im Brandfall ihre Standsicherheit über eine Dauer von 90 Minuten nicht verlieren [3]. Durch das unterseitige Aufbringen eines flächigen Spritzbetons ist dieser Nachweis erfüllt [2].
Einbau von Galerieebenen
Zur Erzielung ausreichender Raumhöhen wurden im Bereich des Anbaus von 1909 die Schüttendecken ab dem 1. OG in jedem zweiten Geschoss entfernt. Die resultierende Geschosshöhe betrug damit 6 m, abzüglich der neuen Geschossdecke (28 cm einschließlich Bodenaufbau) und der Trichterdeckenhöhe (93 cm) [4]. Für eine großzügige Nutzung der Tagesbelichtung wurden nachträglich in den beiden entstandenen Nutzungseinheiten jeweils eine Galerieebene in die Geschosse des Anbaus als Stahlkonstruktionen eingestellt (vgl. Abb. 4).

Die maximale Bruttogrundfläche der Nutzungseinheiten beträgt ca. 433 m2 zzgl. ca. 81 m2 der Galerieebene. Die beiden Nutzungseinheiten wurden abweichend von § 36 (1) BauO Bln [5] ohne notwendige Flure ausgebildet (Abb. 5). Die Kompensation erfolgte durch Sicherstellung zweier voneinander unabhängiger baulicher, für sich kurzer Rettungswege, und zudem wurde die Flächenüberschreitung auch durch die wesentlich geringere Nettogrundfläche infolge großer Wanddicken bis 70 cm als geringfügig relativiert (< 10 % der Grundfläche ohne Galerieebene).
![Architekturplan eines Bürogebäudes mit detaillierten Raumaufteilungen und Brandschutzmarkierungen. (Quelle: [3] CRP Bauingenieure GmbH: Brandschutzkonzept F 1/248/16.08-03 Index A vom 11. März 2024, Sanierung und Umbau Kornversuchsspeicher) Architekturplan eines Bürogebäudes mit detaillierten Raumaufteilungen und Brandschutzmarkierungen.](/dist/images/loader/loader-2.png)
Die Rettungswegführung von der Galerieebene musste durch bauordnungsrechtliche Fachbeiträge bewertet werden. Die Entscheidungshilfen der Obersten Bauaufsicht Berlin besagen, dass „Galerien nur dann Auswirkungen auf die Zahl von Vollgeschossen haben, wenn die Zwischenebenen von danebenliegenden Räumen aus zugänglich sind und darüber hinaus auch über mindestens 2,3 m lichte Höhe verfügen“ [6]. Es handelt sich somit bei den Galerieebenen des Kornversuchsspeichers um keine eigenständigen Geschosse. Daher ist es genehmigungsfähig, den Rettungsweg mit nur einer notwendigen Treppe von jeder Galerieebene sicherzustellen, deren Grundfläche nicht größer als maximal ein Drittel der Grundfläche der darunterliegenden Nutzungseinheit ist. Die Fläche der Galerieebenen im Kornversuchsspeicher beträgt ca. 81 m2, was etwa 19 % der Grundfläche der darunterliegenden NE (ca. 433 m²) entspricht. Somit werden die Galerieebenen jeweils als erweitere Grundfläche verstanden, und von ihnen aus muss gemäß § 35 BauO Bln [5] in 35 m mindestens ein Ausgang in einen notwendigen Treppenraum erreicht werden. Es bestehen kurze erste Rettungswege kleiner 15 m von jeder Galerieebene zum Treppenraum.

Da, wie dargelegt, die Galerieebenen nicht als Geschosse zu bewerten sind, muss die bauordnungsrechtliche Begrenzung der Grundfläche der Geschosse gemäß § 35 (1) BauO Bln für die beiden internen Treppen nicht erfüllt werden. Die bauordnungsrechtliche Anforderung an die tragenden Teile notwendiger Treppen in der GK 5 (feuerhemmend und aus nicht brennbaren Baustoffen) wurde nicht vollständig mit der Bauausführung umgesetzt. Die Stahlkonstruktion der beiden Treppenanlagen erhielt im Bereich der Treppenwangen einen feuerhemmenden Anstrich, die Gitterroststufen weisen hingegen keinen Feuerwiderstand auf. Um dies zu kompensieren, wurde die Zahl der Arbeitsplätze auf den Galerieebenen auf maximal sechs Personen begrenzt. Um eine Brandentstehung frühzeitig zu erkennen, wurde festgelegt, dass die Blickrichtung der Arbeitsplätze in die Nutzungseinheit hinein geht. Außerdem sollten Brüstungselemente derart ausgebildet werden, dass der Bereich der Nutzungseinheit und die Treppe selbst dauerhaft einsehbar sind [3]. [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 2.2025 des FeuerTrutz Magazins (März 2025) erschienen. Dort beschreiben die Autorinnen die Schaffung eines zusätzlichen vertikalen Rettungswegs, die Bewegungs- und Aufstellflächen der Feuerwehr und die Herausforderungen beim nachträglichen Einbau eines Aufzugs.
[1] Hanna Grimm: Kornversuchsspeicher in Berlin: Umbau in Wasserstadt Mitte, Artikel vom 11.09.2023 im Onlineportalder Fachzeitschrift Baumeister, abgerufen am 10.12.2024 unter: www.baumeister.de/kornversuchsspeicherberlin-aff-architekten/
[2] Natalie Scholder: Anker für die Europacity:Kornversuchsspeicher Berlin. Dieser Artikel erschien in DBZ 07-08/2023, abgerufen am 10.12.2024 unter: www.dbz.de/artikel/kornversuchsspeicher-berlin-3971141.html
[3] CRP Bauingenieure GmbH: BrandschutzkonzeptF 1/248/16.08-03 Index A vom 11. März 2024, Sanierung und Umbau Kornversuchsspeicher
[4] AFF Architekten GmbH, Projekt: Riverside Berlin, Heidestraße, Ausführungsplanung, Stand 2019
[5] BauO Bln 2018 – Bauordnung Berlin vom 29.09.2005 (GVBl 2005 Nr. 34, S. 495), zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.04.2018 (GVBI-S.205), hier Stand zum Bauantrag
[6] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – Oberste Bauaufsicht: Entscheidungshilfen der Obersten Bauaufsicht (EHB), EHB bis 12/2016, 14.12.2016