Für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldt Forum galt es historische Kubatur, unterschiedliche Nutzungen mit großen Personenzahlen und hohe Brandschutzanforderungen zu vereinen. Der Beitrag beschreibt die besonderen Anforderungen und geht detailliert auf die Brandschutzmaßnahmen ein.
Der Ursprung des Berliner Stadtschlosses geht zurück auf das 15. Jahrhundert [1]. Über fünf Jahrhunderte war es das wichtigste Bauwerk Berlins in politisch-gesellschaftlicher und architektonisch-urbaner Hinsicht [3]. Im 2. Weltkrieg stark beschädigt, wurde es 1950 gesprengt. Zwischen 1973 und 1976 errichtete die DDR auf diesem Gelände den Palast der Republik.
Der Beschluss zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses erfolgte durch den Deutschen Bundestag im Jahr 2002 mit dem Ziel, ein kulturelles Zentrum für Berlin zu schaffen: das Humboldt Forum. Bauherrin und Betreiberin ist die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.
Als Ergebnis eines internationalen Architektenwettbewerbs wurde 2008 der Entwurf von Francesco Stella aus Vincenza, Italien, für die Realisierung gewählt. 2009 erhielt BPK Brandschutz Planung Klingsch den Auftrag, planungsbegleitend das Brandschutzkonzept zu entwickeln und die Leistungsphasen LPH 2 bis 9 der AHO brandschutztechnisch zu realisieren. Die Baugenehmigung wurde 2012 erteilt, die Grundsteinlegung erfolgte 2013, die erste Teileröffnung 2020.
Das architektonische Konzept von Franco Stella schließt sowohl Rekonstruktionen der Nord-, West- und Südfassade des ehemaligen Schlosses und von drei hofseitigen Fassaden des östlichen Schlüterhofs sowie die Kuppel über dem westlichen Hauptportal des barocken Schlossbaukörpers (Abb. 1) ein. Die frei gestaltete Ostseite zur Spree ist eine Anlehnung an klassische italienische Loggienfassaden. Das überwiegend neu gestaltete Innere der Baukörper dient musealen Nutzungen, der Wissensvermittlung und kulturellen Veranstaltungen. Aufgrund dieser Kombination von Wiederherstellung historischer Baukörper und integrierten Neuplanungen gab es keine Auflagen im Sinne des klassischen Denkmalschutzes. Wohl aber gab es die Forderung, die Planungsdaten der historischen Baukörper originalgetreu baulich zu realisieren.
Bautafel
Bautafel
Bruttogrundfläche: ca. 91.110 m2 (ohne Innenhöfe, ohne Dachterrasse)
Bauherr: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
Entwurfsverfasser: Prof. Franco Stella – Architekt mit FS HUF Projektgemeinschaft
Brandschutzkonzept: BPK Brandschutz Planung Klingsch GmbH, Düsseldorf – Frankfurt a. M. – Berlin
Baukörper und Nutzungen
Der Baukörper des Humboldt Forums hat Außenabmessungen von ca.
- Länge L = 180 m
- Breite B = 120 m
- Höhen H1 = 31 m öffentlich zugängliche Dachebene, Dachrestaurant
- H2 = 68 m OK Kuppel, historische Laterna (23 m lichte Kuppelhöhe innen)
und gliedert sich horizontal in sieben Hauptebenen und drei Zwischenebenen (Tabelle 1). Abbildung 2 verdeutlicht Nutzungskonzept und Gebäudestruktur exemplarisch für das EG.
Tabelle 1: Geschosskennwerte und Flächennutzungen
Geschoss | Geschosshöhe* in m | Grundfläche* in m2 | Nutzung |
---|---|---|---|
KG |
2,5 – 5,5 |
19.700 |
archäologischer Schlosskeller, Technik, Depot, Anlieferung |
EG |
- |
14.250 |
öffentliche Räume (Innenhöfe), Foyer, Tagungen, Sonderausstellungen, Gastronomie, Shops, Eingangshalle |
Passage |
- |
1.250 |
öffentlicher Raum, Verkehrsweg |
Schlüterhof |
- |
4.000 |
öffentlicher Raum, Gastronomie, Veranstaltungen |
ZE |
3,9 |
2.800 |
Regieräume, Seminarräume, Büroräume |
1. OG |
7,0 |
12.500 |
Büroräume, Museen unterschiedlicher Partner (z. T. 2-geschossig) |
Z1 |
3,5 |
2.800 |
Museen unterschiedlicher Partner, Studios, Büros |
2. OG |
6,2 |
13.500 |
Museen unterschiedlicher Partner, Büroräume |
Z2 |
3,1 |
1.430 |
Büroräume |
3. OG |
5,7 |
13.600 |
Museen unterschiedlicher Partner, Restaurierungswerkstätten |
DG |
3,9 |
9.200 |
Technik |
Dachterrasse |
- |
2.500 |
Aussichtsterrasse mit Rundweg, Gastronomie |
Kuppel |
37,0 |
530 |
derzeit ohne Nutzung |
* gerundete Werte |
|
|
|
Drei orthogonale Achsen erschließen Eingangshalle, Passage und Schlüterhof als öffentliche Räume: die zentrale Längsachse vom Haupteingang Portal P3 zum Ausgang Portal P6 auf der Spreeseite und die zwei Querachsen von Portal P2 durch die Passage zu Portal P4 und von Portal P1 durch den Schlüterhof zu Portal P5. Passage und Schlüterhof sind frei ventilierte Innenhöfe, das Foyer ist auf Höhe OK DG transparent überdacht, mehrere Ausstellungsräume sind zweigeschossig.
Primäres Schutzziel der öffentlich-rechtlichen Sicherheitsvorgaben ist der Personenschutz. Dazu wurden umfangreiche Sonderuntersuchungen durchgeführt, auch unter Verwendungen von Ingenieurmethoden. Erhöhte Anforderungen ergaben sich aus den Zwangspunkten der besonderen Gebäudegeometrie und der historischen Gebäudestruktur:
- gemeinsame Rettungswege bei zeitgleichen Nutzungen angrenzender Räume mit unterschiedlichen Veranstaltungen,
- Rettungswegeführungen über angrenzende Brandabschnitte,
- Treppen ohne Einhausung u. a. m.
- Erleichterung zu § 19 (3) MVStättV (Verzicht auf eine Sprinklerung bei Museumsräumen, die auch als Versammlungsräume genutzt werden sollen); daraus resultiert ein Konflikt mit der gleichzeitigen Forderung von Nutzer und Bauherrn nach erhöhtem Sachschutz für die musealen Ausstellungsräume.
Als Kompensationen kamen zur Anwendung:

System der inneren und äußeren Abschottungen
Das Humboldt Forum ist ein freistehendes Gebäude. Das System der Abschottungen betrifft daher nur die Abgrenzungen der einzelnen Baukörper untereinander und die Trennungen der Nutzflächen im Gebäudeinneren durch Brandabschnitte, Brandbekämpfungsabschnitte und Rauchabschnitte.
Im Sinne des erhöhten Sachschutzes wurde einerseits angestrebt, für die Museumsbereiche relativ kleinflächige Nutzungsbereiche auszubilden, andererseits erlaubte die historische Geometrie nicht immer die Einhaltung von 40-m-Abständen für Brandwände. Auch verhindern die teilweise mehrgeschossigen Nutzungen einheitlich durchgängig horizontale Abschnittsbildungen.
Die Überschreitung der regelkonformen Brandwandabstände wurde kompensiert durch eine weitere innere Unterteilung mit Wänden der Brandschutzqualität REI90 und feuerhemmenden, rauchdichten und selbstschließenden Abschlüssen (T30-RS).

Eine Besonderheit stellt im Portal P3 die Abtrennung zwischen zentralem Eingang und dem Foyer dar: Der historisch freie Durchgang zum ehemaligen Eosanderhof, jetzt das überdachte Foyer, sollte transparent mit großflächigen filigranen Glaselementen nachempfunden werden (Abb. 3).
Die Portalöffnung im Hauptdurchgang hat Abmessungen von H/B = 14,70/7,53 m. Die dort befindliche mittig gelegene zweiflügelige T30-RS-Glas-Durchgangstür hat Abmessungen von H/B = 3,40/2 × 1,23 m, daneben liegen jeweils noch einflügelige T30-RS-Glas-Durchgangstüren. Oberhalb der Türen befindet sich eine Glasfassade ohne Klassifizierung, deren größtes Scheibenelement H/B = 3,2/6,4 m misst und damit weit außerhalb verfügbarer F-Glasscheiben liegt.
Die Kompensation erfolgt durch einen E90-Feuerschutzvorhang auf der Seite des Foyers in Verbindung mit einem beidseitigen Mindestabstand von 5 m für Brandlasten sowie einer beidseits verdichteten Sprinklerung im oberen Rundbogen des Durchgangs. Die resultierende Mindestqualität der gesamten Portalöffnung wurde als EI30 klassifiziert. Abgesichert wurde diese Sonderlösung mit Brandverlaufssimulationen. Die Glasfassade im oberen Rundbogen des Durchgangs ist eine raumabschließende E30-Verglasung.
Rettungswege, Evakuierungssicherheit
Die Evakuierungssicherheit ist ein zentraler Punkt des Brandschutzkonzepts und wurde mittels einer mehrstufigen Nachweisführung untersucht. Diese Notwendigkeit ergab sich aus den Randbedingungen der historisch rekonstruierten Gebäudekubatur und den Besonderheiten des Nutzungskonzepts:
- Der zweite Rettungsweg aus Ausstellungsräumen mit untergeordneter Nutzung als Versammlungsraum führt über benachbarte Nutzeinheiten. Diese benachbarten Bereiche können zeitgleich eigene Nutzungen haben (z. B. Ausstellung, Restaurant, Shops), sie können aber auch verschlossen sein.
- Die regelkonforme maximale Lauflänge bis zu einem Treppenraum oder einem Ausgang ins Freie wird überschritten.
- Nutzungen ohne Anbindung an notwendige Flure
- Notwendige Treppenräume haben z. T. keinen unmittelbaren Ausgang ins Freie.
Die Evakuierungssicherheit wurde mit folgenden Nachweisschritten bewertet:
A. Einzelraumanalyse
(statisch und dynamisch)
B. Raumgruppenanalyse
(statisch und dynamisch)
C. Geschossanalyse
(statisch und dynamisch)
D. Gesamtgebäudeanalyse
(statisch und dynamisch)
E. Evakuierung von Personen mit Mobilitätseinschränkungen
F. Quantifizierungen der Evakuierungssicherheit
Die statischen Analysen entsprechen den Kapazitätsberechnungen der Rettungswege bzw. den Evakuierungszeiten nach vfdb [4]. Dynamische Analysen wurden mittels dynamischer Evakuierungssimulation [6] durchgeführt. [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 5.2024 des FeuerTrutz Magazins (Oktober 2024) erschienen. Er geht detailliert auf die Schritte der Evakuierungsanalyse ein und stellt verschiedene durchgeführte Simulationen vor. Außerdem werden die Maßnahmen zur Branddetektion und Brandbekämpfung sowie zur Entrauchung erläutert, und der Ablauf des Projektes zusammengefasst.
[1] Albert Geyer: „Geschichte des Schlosses zu Berlin“. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin, 2010
[2] „Das Humboldt Forum im Berliner Schloss“. Prestel, 2020
[3] Franco Stella, in [02], S. 41
[4] vfdb-Leitfaden Ingenieurverfahren des Brandschutzes. TB 04-01 (03/2020)
[5] RIMEA Richtlinie für mikroskopische Entfluchtungsanalysen (06/ 2009)
[6] TraffGo HT GmbH, PedGo-Simulations Software, Version 2.6.1 (2013)
[7] NIST: FDS Fire Dynamics Simulator, Vers. 6.5.3
[8] Stiftung Berliner Schloss Humboldt Forum
[9] Büro Stella