Außenfassade mit Glasfenstern eines Hochhauses
Abb. 1: Das Hybrid-Hochhaus ONE FORTY WEST ist das Highlight im neu entstandenen Senckenberg-Quartier in Frankfurt a.M. Eine auf die gebäudespezifische Anforderung geplante Druckbelüftungsanlage bietet Gebäudenutzern und Feuerwehr sichere Flucht- und Rettungswege. (Quelle: Kingspan STG GmbH)

Planung | Ausführung 2023-09-20T08:06:40.480Z Funktionale Sicherheit von Druckbelüftungsanlagen 

Druckbelüftungsanlagen (DBA), auch Rauchschutz-Druckanlagen (RDA) genannt, halten im Brandfall Flucht- und Rettungswege durch kontrollierten Überdruck rauchfrei. Dadurch wird die Eigenrettung der Gebäudenutzer sowie der Löschangriff der Feuerwehr ermöglicht, aber auch das Haftungsrisiko für Eigentümer und Betreiber minimiert. Der Beitrag geht auf den Aufbau einer DBA ein und welche normativen Anforderungen erfüllt werden müssen.

DBA-Systeme durchströmen im Brandfall die Flucht- und Rettungsbereiche mit Frischluft und verhindern so das Eindringen von Rauch und toxischen Brandgasen. Dazu werden sowohl Treppenräume für die Eigenrettung von flüchtenden Personen als auch Feuerwehraufzüge für den Löschangriff und zur Rettung von Personen, druckbelüftet und die Raumluft komplett ausgetauscht. Bei geschlossenen Türen sorgt die DBA für einen kontinuierlichen Überdruck, sodass beim Öffnen der Tür eine sofortige Durchströmung der Bereiche gewährleistet ist.

Der Überdruck im Flucht- und Rettungsbereich wird ständig mit dem atmosphärischen Druck verglichen und nachgeregelt. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Fluchttüren ins Treppenhaus jederzeit ohne großen Kraftaufwand per Hand zu öffnen und zu schließen sind. Bei geöffneten Fluchttüren muss die Luft aus dem Treppenhaus mit ausreichender Geschwindigkeit in die Nutzungseinheit der Brandetage strömen, sodass keine Rauchgase ins Treppenhaus gelangen können. Beim Öffnen und Schließen der Türen muss der Überdruck innerhalb weniger Sekunden wiederhergestellt sein.

Diese Anforderungen erfüllen in der Regel nur aktiv geregelte DBA-Systeme. Bei Gebäuden mit mehr als 60 m Höhe oder bei niedrigeren mit einer komplexen Geometrie müssen die Umwelteinflüsse mit in die technische Umsetzung der DBA einbezogen werden. Auch Außentemperaturen und Jahreszeiten spielen bei der Regelung eine große Rolle.

Aufbau einer Druckbelüftungsanlage und die notwendigen Komponenten einer aktiv geregelten DBA

Eine DBA besteht aus einer Vielzahl von Komponenten, welche im Zusammenspiel die Sicherstellung der oben beschriebene Schutzziele ermöglichen. Dazu zählen: Rauchmelder , DBA-Auslösetaster, Blitzlichtleuchte und Sirene, Zuluftventilator , Druckentlastungsklappe, Lamellenlüfter, Doppelklappe,. DBA-Druckregelsystem, Differenzdrucksensoren, Überströmventile, Brandschutzklappen, Entrauchungsklappen, Brandgasventilator, Steuerung für Zuluft und Abluft

Man sieht einen schematischen Aufbau einer DBA mit den erforderlichen Komponenten.
Abb. 2: Aus dieser Grafik werden der Aufbau einer DBA und die Vielzahl ihrer Komponenten ersichtlich, die im Zusammenspiel die Sicherstellung der oben beschriebenen Schutzziele ermöglichen. (Quelle: Kingspan STG GmbH)

Welche Mindestanforderungen werden an eine DBA gestellt? 

Die Mindestanforderungen an eine DBA werden im Kapitel 6.2 der Musterhochausrichtlinie und im Anhang 14, Kapitel 8, der MVVTB definiert.

Musterhochhausrichtlinie:

„6.2 Druckbelüftungsanlagen

6.2.1 Der Eintritt von Rauch in innen liegende Sicherheitstreppenräume und deren Vorräume sowie in Feuerwehraufzugsschächte und deren Vorräume muss jeweils durch Anlagen zur Erzeugung von Überdruck verhindert werden. Ist nur ein innen liegender Sicherheitstreppenraum vorhanden, müssen bei Ausfall der für die Aufrechterhaltung des Überdrucks erforderlichen Geräte betriebsbereite Ersatzgeräte deren Funktion übernehmen.

6.2.2 Druckbelüftungsanlagen müssen so bemessen und beschaffen sein, dass die Luft auch bei geöffneten Türen zu dem vom Brand betroffenen Geschoss auch unter ungünstigen klimatischen Bedingungen entgegen der Fluchtrichtung strömt. Die Strömungsgeschwindigkeit der Luft durch die geöffnete Tür des Sicherheitstreppenraums zum Vorraum und von der Tür des Vorraums zum notwendigen Flur muss mindestens 2,0 m/s betragen. Die Strömungsgeschwindigkeit der Luft durch die geöffnete Tür des Vorraumes eines Feuerwehraufzugs zum notwendigen Flur muss mindestens 0,75 m/s betragen.

6.2.3 Druckbelüftungsanlagen müssen durch die Brandmeldeanlage automatisch ausgelöst werden. Sie müssen den erforderlichen Überdruck umgehend nach Auslösung aufbauen.

6.2.4 Die maximale Türöffnungskraft an den Türen der innenliegenden Sicherheitstreppenräume und deren Vorräumen sowie an den Türen der Vorräume der Feuerwehraufzugsschächte darf, gemessen am Türgriff, höchstens 100 N betragen.“

Ergänzend wird in der MVVTB im Anhang 14, Kapitel 8.2 Planung, Bemessung und Ausführung, beschrieben:

„[…] Der Betrieb der Druckbelüftungsanlage darf nicht dazu führen, dass sich Türen in Rettungswegen wegen zu hoher Druckdifferenzen nicht mehr öffnen lassen. Die maximale Türöffnungskraft darf 100 N betragen. Sie darf bei Türen von Vorräumen auch dann nicht überschritten werden, wenn eine der beiden Türen geöffnet ist. Nach Öffnen und Schließen von Türen zum Sicherheitstreppenraum oder Vorraum muss sich innerhalb von 3 Sekunden der Sollzustand wieder eingestellt haben […].

Daraus ergeben sich zusammengefasst folgende Mindestanforderungen an eine Druckbelüftungsanlage:

Für die Tür vom Sicherheitstreppenraum zum Vorraum und für die Tür vom Vorraum zum notwendigen Flur müssen eine minimale Durchströmung von 2 m/s bei geöffneter Tür und eine max. Türöffnungskraft von 100 N sichergestellt sein. Diese Sollzustände müssen nach drei Sekunden erfüllt werden. Für die Tür vom Vorraum des Feuerwehraufzugs zum notwendigen Flur muss eine minimale Durchströmung von 0,75 m/s und ebenfalls eine max. Türöffnungskraft von 100 N sichergestellt sein. Auch bei ihnen müssen die Sollzustände nach drei Sekunden erfüllt werden.

Normative Anforderungen an eine DBA

Im Sprachgebrauch wird oft der Begriff Rauchschutz-Druckanlage (RDA) verwendet, der im Baurecht mit dem Begriff Druckbelüftungsanlage (DBA) gleichzusetzen ist.

  • Anforderungen an eine DBA finden sich in MHHR, MVV TB, M-PPVO, M-PrüfVO, Muster-Prüfgrundsätze.
  • Die EN 12101-6:2022 behandelt Differenzdrucksysteme/Produktleistungsanforderungen. In ihr werden die Prüfanforderungen an die Produkte definiert, die Prüfverfahren festgelegt und die Klassifizierungen der Produkte beschrieben.
  • In der DIN EN 12101-13:2022 geht es um Differenzdrucksysteme/Entwurfs- und Berechnungsverfahren, Installation, Abnahme. In ihr wird beschrieben, wie eine Druckbelüftungsanlage geplant, installiert und abgenommen werden soll.

Das Schema zeigt wie eine DBA funktioniert.
Abb. 3: Das Schema verdeutlicht das Funktionsprinzip einer DBA. (Quelle: Kingspan STG GmbH)

Funktionale Sicherheit einer DBA: was ist das?

Um im Brandfall eine hohe Verfügbarkeit der Druckbelüftungsanlage sicherstellen zu können, ist es erforderlich, dass die Anlage über einen hohen Grad an Eigenüberwachung verfügt und Anlagenzustände erkennen als auch melden kann. Die Betriebsfähigkeit der Anlage wird durch automatisierte Routinen innerhalb der Anlage sichergestellt. Die Steuerungskomponenten werden akkugepuffert, damit während einer Umschaltung von einer primären Netzeinspeisung auf eine sekundäre Stromversorgung keine Anlagenzustände verloren gehen, immer ein gesicherter Betrieb gegeben ist und bei Bedarf auch Notlaufprogramme ausgeführt werden können.

Alle wichtigen Ansteuerleitungen etwa von der Brandmeldeanlage oder auch von Rauchmeldern und Auslösetastern oder einem Feuerwehrbedienfeld werden auf Kurzschluss oder Unterbrechung überwacht, und bei Erkennung wird die Störung durch die Steuerung signalisiert.

Bei anderen wichtigen Komponenten wie dem Zuluftventilator werden ebenfalls die Wicklungstemperatur und die Stromaufnahme überwacht, um bei Bedarf auf einen redundanten Ventilator umzuschalten. Wird der Ventilator über einen Frequenzumrichter betrieben, wird die Steuerleitung ebenfalls auf Kurzschluss und Unterbrechung überwacht, und Störungen werden von der Steuerung angezeigt. Der Frequenzumrichter wird intern überwacht und geht im Störfall in den Fire-Mode, bzw. es wird auf ein redundantes System umgeschaltet.

Die verwendeten Differenzdrucktransmitter haben einen hohen Berstdruck von 20 kPA; die Leitungen werden in Bezug auf Kurzschluss und Unterbrechung überwacht, und es erfolgt eine logische Überwachung auf Wertveränderung des Sensors. Sollte ein Sensor ausfallen, wird auf einen redundanten Sensor im Gebäude umgeschaltet, und auch dann signalisiert die Steuerung die Störung. Alle Steuerungskomponenten in einem Gebäude können mit einem selbstüberwachenden Ringbussystem im Gebäude verbunden werden.

Dies ist nur ein kleiner Überblick zur Eigenüberwachung in einer Druckbelüftungsanlage.

Automatische Systemtests versus Redundanz?

Nicht in allen Gebäuden können alle wichtigen Systemkomponenten redundant aufgebaut werden. Speziell bei Renovierungen ist häufig nicht ausreichend Platz vorhanden, um große Komponenten wie die Zuluftventilatoren mehrfach einzusetzen. Zudem kann es sehr teuer sein, alle Anlagenteile so auszuführen.

Dann kann eine Lösung in der intensiven Eigenüberwachung der Anlage kombiniert mit einem automatischen Systemtest bestehen. Bei einem automatischen Systemtest können z. B. in der Nacht alle zur DBA gehörenden Komponenten angesteuert und die einwandfreie Funktion kann automatisch protokolliert werden; und im Störfall einer Komponente wird dies durch die DBA-Steuerung direkt signalisiert.

Diese Maßnahmen sind im Vorfeld mit den abnehmenden Behörden und auch dem Prüfsachverständigen abzustimmen und bedürfen einer Zulassung im Einzelfall.

Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es für komplexe Gebäude?

Bei hohen Gebäuden oder Gebäuden mit komplexen Grundrissen kann man Druckbelüftungsanlagen, die die o. g. Anforderungen erfüllen, realisieren

  • durch voll aktiv regelnde Systeme mit aktiven Abströmschächten,
  • durch Etagenverteiler, die geringere Kabelwege und Querschnitte ermöglichen, indem man sie über einen selbstüberwachten LON-Ringbus miteinander verbindet,
  • durch redundante Differenzdrucksensoren, Zuluft- und Abluftventilatoren,
  • durch eine stetige PID-Regelung mit unterlagerter Druckwertanalyse oder
  • mit der neu entwickelten Regelungssoftware, die Regelzeiten von drei Sek. (gemäß MVVTB) ermöglicht.

Welche Unterlagen werden benötigt, damit eine Fachfirma eine DBA anbieten kann?

Um eine DBA auslegen zu können, werden das Brandschutzkonzept/-gutachten sowie das Lüftungskonzept/-gutachten und das Vorprüfungsgutachten DBA benötigt. Das Brandschutzkonzept/-gutachten definiert den Typ und die Schutzziele der zu errichtenden Anlage. Es bestimmt zudem die Klassifizierung der zu verwendenden Brandschutzkomponenten (Klappen, Türen usw.) sowie die anzuwendenden Normen (EN12101-6) und Vorschriften. Das Lüftungskonzept/-gutachten und das Vorprüfungsgutachten DBA beziehen sich auf das Brandschutzgutachten und definieren weitere Vorschriften zur Auslegung, z. B. die Muster-Hochhausrichtlinie (MHHR), die Landesbauordnung (LBO) oder die Musterbauordnung (MBO).

Darüber hinaus sind Grundrisspläne und Höhenschnitte erforderlich, um eine DBA anzubieten.

Für die technische Auslegung der Anlage werden zusätzlich Informationen zu Türgrößen, erforderlichen Abströmflächen (Fassade oder Schacht), zu Größen der Überströmöffnungen, zur funktionalen Sicherheit (ggf. erforderliche Redundanzen), zur Art der Anlagenauslösung (BMA oder eigene Rauchmelder), zur Energie-Sicherheitsversorgung (SV-Netz), zum Installationsort für Steuerung, zu Zuluftventilatoren, bauseitigem Brandmeldetableau oder eigenem Feuerwehrschalter, Handauslösetaster im Treppenraum, Alarmierung (Sirene, Blitzleuchte), Art der Druckentlastung im Treppenraum (Lichtkuppel oder Fenster) benötigt.

Entwurf der neuen Muster-Druckbelüftungsanlagen-Richtlinie

Entwurf der neuen Muster-Druckbelüftungsanlagen-Richtlinie

Im März 2023 hat die Fachkommission Bauaufsicht den Entwurf einer Muster-Druckbelüftungsanlagen-Richtlinie (M-DBA-RL) beschlossen und veröffentlicht. Stellungnahmen waren bis zum 26. April möglich und werden nun geprüft. Der Entwurf der Richtlinie (Stand 23.02.2023) sowie ein Anschreiben des Vorsitzenden der Fachkommission Bauaufsicht finden sich unter www.bauministerkonferenz.de.

Der Artikel ist in Ausgabe 4.2023 des FeuerTrutz Magazins (August 2023) erschienen.

zuletzt editiert am 08. Februar 2024