Ein rauchender Akkulader auf einer Werkbank in einer Werkstatt, umgeben von mehreren Akkubohrern.
Abb. 1: Das Laden von Lithium-Ionen-Akkus kann gefährlich werden, wenn es unsachgemäß oder unter ungünstigen Bedingungen erfolgt. (Quelle: Jörn-Bo Hein)

Planung | Ausführung 2025-12-01T10:30:47.537Z Lithium-Ionen-Akkus: Fortschritt, Risiken, Schutzmaßnahmen

Im Gespräch mit Jörn-Bo Hein, CSO E-Mobility & Lithium-Ionen-Batterien

Im Interview erklärt Experte Jörn-Bo Hein, warum Brandereignisse bei diesen Energiespeichern besonders gefährlich sind und wie sich ein Thermal Runaway entwickelt. Er erklärt Unterschiede zwischen Akkutypen, erläutert Schutzmaßnahmen für Nutzer und Betriebe und gibt Einblicke in den aktuellen Stand der Brandschutztechnik.

Herr Hein, lassen Sie uns mit einem Rückblick beginnen. Wie hat sich die Geschichte der Energiespeicherung bis zur heutigen Lithium-Ionen-Technologie entwickelt?

Jörn-Bo Hein: Die Entwicklung reicht weit zurück. Wenn wir weit ausholen, gibt es sogar Hinweise auf primitive Batterien schon vor über 2.000 Jahren – Stichwort: Bagdad-Batterie. Doch in der Neuzeit begann alles mit Blei-Säure-Akkus im 19. Jahrhundert. Danach kamen Nickel-Cadmium und Nickel-Metallhydrid zum Einsatz – vor allem in tragbaren Geräten. Den eigentlichen Durchbruch erzielte jedoch die Lithium-Ionen-Technologie, insbesondere ab 1991, als Sony den ersten kommerziellen Akku auf den Markt brachte. Diese Technik bietet eine hohe Energiedichte, lange Lebensdauer und eine breite Einsatzvielfalt – von Smartphones über E-Bikes bis zu Elektrofahrzeugen.

Welche unterschiedlichen Typen von Lithium-Ionen-Akkus gibt es heute?

Jörn-Bo Hein: Es gibt mehrere Varianten, optimiert für verschiedene Anwendungen. Dazu zählen:

  • LCO (Lithium-Cobalt-Oxid): Hohe Energiedichte, vor allem in Smartphones und Laptops
  • LTO (Lithium-Titanat): Extrem langlebig, aber geringere Energiedichte - z. B. für Militär oder Medizintechnik
  • LFP (Lithium-Eisenphosphat): Recht sicher und langlebig, bevorzugt in E-Fahrzeugen
  • LiPo (Lithium-Polymer): Flexibel einsetzbar in Drohnen und Modellbau
  • NMC (Nickel-Mangan-Cobalt): Gute Balance, verbreitet bei E-Bikes und E-Autos
  • NCA (Nickel-Cobalt-Aluminium): Besonders leistungsstark, etwa in Tesla-Fahrzeugen

Der Grund der Gefährdungsbeurteilungen liegt in den unterschiedlichen Brandereignissen von LI-Akkus und herkömmlichen Bränden. Letztere lassen sich häufig durch den Entzug von Sauerstoff ersticken und damit löschen. Was ist da bei LI-Akkus anders?

Jörn-Bo Hein: Bei einem Brand von Lithium-Ionen-Akkus zerfallen die Zellen rasch und setzen gefährliche Stoffe frei: Z. B. reagiert das Elektrolytsalz LiPF₆ mit Feuchtigkeit zu ätzendem Fluorwasserstoff (HF) und Phosphorsäure, die schon in geringen Mengen schwere Atemwegs- und Hautreizungen verursachen können. Zudem werden giftige Schwermetalloxide (z. B. Nickel- und Kobaltoxyde) sowie krebserzeugende organische Lösungsmittel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) freigesetzt.

In geschlossenen Räumen können sich diese Schadstoffe schnell auf gefährliche Konzentrationen anreichern. Eben die Kombination dieser Stoffe – giftige, ätzende Gase, krebserzeugende Metalloxide sowie flüchtige organische Verbindungen – macht Lithium-Ionen-Brände für den Menschen besonders gefährlich.

In geschlossenen Räumen können sich diese Schadstoffe schnell in Konzentrationen ansammeln, die zu akuten Vergiftungen, Atemwegsreizungen und sogar lebensbedrohlichen Zuständen führen. Deshalb sind im Brandfall ein schnelles Evakuieren und der Einsatz professioneller Brandbegrenzung und Brandbekämpfung unerlässlich. Nun verhalten sich nicht alle Lithium-Ionen-Derivate im Brandfall exakt gleich. Als Faustformel lässt sich sagen, hohe Energiedichte wird mit einer erhöhten Gefährdung erkauft. Die Tabelle 1 macht das etwas besser einschätzbar.

Eine Tabelle, die verschiedene Akkutypen vergleicht, einschließlich ihrer Energiedichte, Sicherheit, Kosten und Besonderheiten.
Tabelle 1: Überblick über das Verhalten von Lithium-Ionen-Derivaten im Brandfall (Quelle: Jörn-Bo Hein)

Lithium-Ionen-Akkus stehen wegen ihrer Brandgefahr in der Kritik. Wie schätzen Sie dies ein?

Jörn-Bo Hein: Die Gefahr ist real, aber differenziert zu betrachten. Die meisten Akkus funktionieren problemlos über Jahre. Doch wenn es zu einem sog. Thermal Runaway kommt, also einer unkontrollierten Überhitzung, entstehen in Sekunden Temperaturen von bis zu 900 °C. Gase, Hitze und toxische Stoffe wie Fluorwasserstoff oder Schwermetalloxide machen solche Brände gefährlich, vor allem in geschlossenen Räumen. Klassische Löschmethoden reichen oft nicht aus, und selbst Spezialbehälter können an ihre Grenzen kommen.

Was passiert beim Thermal Runaway?

Jörn-Bo Hein: Ein Thermal Runaway ist eine unkontrollierte, sich selbst verstärkende Überhitzungsreaktion in einem Lithium-Ionen-Akku. Dabei setzt eine Zelle infolge Überhitzung (z. B. wegen Überladung, Kurzschluss oder Beschädigung) chemisch gebundene Energie als Hitze frei. Diese Hitze destabilisiert in der Folge benachbarte Zellen, was zu einer Kettenreaktion führt. Dabei

  • überhitzen die Zellen von innen heraus,
  • setzen Sauerstoff und brennbare Gase frei,
  • kann die Temperatur in Sekunden auf über 600 – 900 °C steigen,
  • ist das Feuer meist nicht von außen kontrollierbar,
  • kommt es zu Explosionen und toxischer Rauchentwicklung,
  • kann der Brand nicht durch den Entzug von Sauerstoff gelöscht werden.

Ein umsetzender LI-Akku erzeugt also eine enorme Hitze und hohe Volumina an Brand- und toxischen Gasen. Diese Kombination bringt auch Aufbewahrungsbehältnisse wie LI-Akkutaschen und LI-Akkuboxen regelmäßig an die Grenzen. Brandversuche mit neuen LI-Akkus in der 500- bis 600-Wh-Klasse (klassisch E-Bike und E-Scooter) zeigen über den Brandverlauf einen Rauchgasausstoß von 190 – 200 m³, was im geschlossenen Behältnis den Effekt einer Rohrbombe entwickeln kann.

Illustration der verschiedenen Zelltypen von Lithium-Ionen-Batterien: Rundzelle, Pouchzelle, Prismatische Zelle und Knopfzelle.
Abb. 2: LI-Zellen kommen mittlerweile in allen Formaten vor. (Quelle: Jörn-Bo Hein)

Gibt es Unterschiede zwischen den Akkutypen im Brandverhalten?

Jörn-Bo Hein: Ja, definitiv. Generell gilt: je höher die Energiedichte, desto größer das Gefahrenpotenzial. LFP etwa gilt als vergleichsweise sicher, während LiPo- oder LCO-Zellen empfindlicher reagieren. Wir sehen zudem, dass ältere Akkus im Gebrauch „brennfreudiger“ werden, was das Risiko langfristig steigen lässt.

Wie sieht ein sicherer Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus aus?

Jörn-Bo Hein: Vorbeugung ist unabdingbar, dazu gehören:

  • Sicheres Laden – nur mit Originalzubehör und unter Aufsicht.
  • Temperaturmanagement – weder unter 0 °C noch über 60 °C betreiben.
  • Sicherer Transport – stoßgeschützt, Pole abgeklebt, ADR-Regeln beachten.
  • Fachgerechte Lagerung – kühl, trocken, nur teilgeladen, in zertifizierten Boxen.
  • Monitoring – Zustand regelmäßig prüfen, Sensorik einsetzen, Quarantäneplätze einrichten.
  • Ausbildung – Mitarbeiter:innen benötigen in ihren Handlungsempfehlungen, und zwar in allen Unternehmensbereichen, in denen LI-Technologien zum Einsatz kommen, anwendbares Wissen.

Welche Rolle spielt der Brandschutz im gewerblichen Bereich?

Jörn-Bo Hein: Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, Maßnahmen für den vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz umzusetzen. Dazu gehören zertifizierte Lagerschränke, Schulungen und eine aktualisierte Gefährdungsbeurteilung. Auch Recyclingbetriebe müssen Akkus korrekt behandeln – oft ohne zu wissen, in welchem Zustand die Akkus eintreffen.

Die zunehmende Verbreitung von Lithium-Ionen-Akkus und Elektrofahrzeugen stellt Brandschutzexpert:innen vor neue Herausforderungen. Was raten Sie Fachplanerinnen und Fachplanern?

Jörn-Bo Hein: Integrieren Sie den Brandschutz für Lithium-Ionen-Anwendungen von Anfang an und planen Sie risikobasiert. Setzen Sie auf ein Mehrbarrierenkonzept – baulich, technisch, organisatorisch – mit den Schritten: vermeiden, früh erkennen, geordnet handeln. Klare Trennung von Lade-/Lagerzonen, Früherkennung und Abschaltmöglichkeiten, definierte Abläufe sowie regelmäßige Schulung machen Anlagen im Ereignisfall beherrschbar, ohne die betrieblichen Abläufe zu beeinträchtigen. – Spekulieren Sie nicht mit Eintrittswahrscheinlichkeiten, sondern sehen Sie den möglichen Kollateralschaden. 

Das Interview ist im FeuerTrutz Dossier "Brandschutz bei Lithium-Ionen-Akkus" (Oktober 2025) erschienen. Das komplette Dossier ist kostenlos als Download erhältlich.

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zuletzt editiert am 01. Dezember 2025